Sozialleistung: Die Mütterrente ist richtig, aber falsch finanziert | ABC-Z

Der Streit um die Mütterrente ist exemplarisch
dafür, wie populistisch die Debatte um Sozialleistungen in Deutschland geführt
wird. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, die
Mütterrente anzugleichen – was notwendig ist und richtig. Nur: Wie soll das bezahlt
werden? Zu viele in Politik und Gesellschaft sehen die Lösung fälschlicherweise
darin, bei verletzlichen Gruppen zu kürzen, um das Staatsdefizit und die
steigenden Kosten der Sozialsysteme in Grenzen zu halten. Die Fragen aber
sollten vielmehr lauten: Wie können wir die Kosten der Sozialsysteme durch
kluge Vorsorge reduzieren? Und wer zahlt die aktuellen Kosten?
Prinzipiell muss man festhalten, dass die Mütterrente
keine Dauerlösung sein darf und perspektivisch abgeschafft werden sollte, weil
sie ein Überbleibsel einer patriarchalen Gesellschaft ist. Voraussetzung dafür aber
ist die Umsetzung notwendiger Reformen zur Gleichstellung von Frauen im
Arbeitsmarkt und bei der Vorsorge. Daher sollte, wie jetzt geplant, die
Mütterrente für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, angepasst werden an das
Niveau der Mütterrente für Kinder, die danach geboren wurden. Die Kosten allerdings
müssen wir anders finanzieren als durch eine Erhöhung der Beitragssätze.
Die Logik der Mütterrente ist klar: Elternteile,
die den Großteil der Erziehungsarbeit übernehmen, also meist Frauen, sollten
für die Nachteile bei der Altersvorsorge kompensiert werden. Diese Kompensation
beträgt drei Rentenpunkte pro Kind, das ab 1992 geboren wurde, und bis zu 2,5
Rentenpunkte pro Kind vor 1992. Eine Mutter erhält also pro Kind einen
Rentenanspruch, als hätte sie drei Jahre zu einem durchschnittlichen Lohn
gearbeitet. So beträgt die Mütterrente heute im Durchschnitt knapp 107 Euro pro
Monat.
Drei Rentenpunkte sind jedoch keine volle Kompensation für die Leistung der
Mütter, sondern nur ein Bruchteil.
Rentenlücke zwischen Männern und Frauen
Für manche Rentnerinnen sind diese 107 Euro viel
Geld. Aber für die meisten ist es nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dazu
muss man sich den Gender Pension Gap ansehen, also den Unterschied der
durchschnittlichen gesetzlichen Rente pro Rentner im Vergleich zu der von
Rentnerinnen. Eine neue Studie des DIW Berlin zeigt, dass der Gender Pension
Gap im Alter von 60 Jahren trotz der Mütterrente in Westdeutschland heute noch
immer 37 Prozent beträgt. In Ostdeutschland liegt er bei 10 Prozent. Ohne die
Mütterrente läge dieser Gender Pension Gap bei 41 Prozent in Westdeutschland. Auch
die Armutsgefährdung liegt bei Frauen über 65 Jahren mit 19 Prozent heute
deutlich über den 16 Prozent für Männer über 65. Vor allem alleinerziehende
Mütter sind oft im Alter hart getroffen, da sie nicht nur in den ersten Jahren
nach der Geburt der Kinder deutlich weniger Arbeitseinkommen haben, sondern der
Gender Pay Gap sich auch in den Jahren danach und bis zur Rente nicht
verringert.
Vor allem in Westdeutschland und insbesondere für
Kinder, die vor 1992 geboren wurden, war es für Mütter schwierig bis unmöglich,
nach der Geburt der Kinder bald wieder zu arbeiten und ein gutes Einkommen zu erzielen.
Es war nicht Faulheit oder die Weigerung, Arbeit anzunehmen, die Mütter vom
Arbeitsmarkt ferngehalten hat. Dieser Vorwurf aber schwingt häufig in der Debatte
mit. Die meisten Frauen hatten schlichtweg keine Wahl. Fehlende
Betreuungsmöglichkeiten in Kita und Schule sowie rigide Arbeitszeitmodelle
waren die Gründe dafür, dass Frauen für viele Jahre auf eine Berufstätigkeit
verzichten mussten.
Deshalb ist eine Erhöhung und Angleichung der
Mütterrente für Kinder richtig und konsequent. Man kann und muss jedoch
monieren – so wie es in der Studie des DIW Berlin getan wird –, dass die Mütterrente für viele völlig unzureichend und nicht zielgenau genug
ist, um gerade Müttern mit geringen Rentenansprüchen eine stabile und
auskömmliche Lebensgrundlage zu bieten.