Wolfgang Ischinger hält europäische Truppen in der Ukraine für „abwegig“ | ABC-Z

NATO-Mitgliedschaft diskutieren
Ischinger: Europäische Truppen in der Ukraine sind „abwegig“
10.01.2025, 10:35 Uhr
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Fast drei Jahre dauert der Ukraine-Krieg bereits an. Ein Ende sieht Deutschlands Ex-Botschafter in den USA, Ischinger, nur durch Gespräche zwischen Trump und Putin. Europäische Friedenstruppen sollten seiner Meinung nach anschließend nicht entsendet werden. Sie sollen aus anderen Ländern kommen.
Wolfgang Ischinger, ehemaliger Botschafter Deutschlands in Washington, hält die Entsendung europäischer Friedenstruppen in die Ukraine für „abwegig“. Er kritisierte im Interview des „Stern“ an der Idee, die im Dezember von verschiedenen Außenministern in Europa geäußert wurde, dass „man dafür sehr viele Truppen bräuchte“. Weiter müsse man sich der Risiken bewusst sein. „Was passiert denn, wenn wirklich der nächste russische Angriff beginnt? Sind wir dann imstande, diesen Angriff zurückzuschlagen?“, fragte Ischinger.
Er störte sich nicht an der Idee der Friedenstruppen generell. Sie sollten nur nicht aus Europa kommen. „Das müssten Truppen sein aus Indien, Pakistan, Brasilien oder Indonesien, vielleicht auch die Chinesen, wenn die wollen. Und es müsste ein Mandat sein, das von der UN abgesegnet ist“, so Ischinger, der von 2008 bis 2022 Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz war. Der 78-Jährige schränkte ein, dass es keine UN-Mission sein müsse. Die Vereinten Nationen sollten sich nur nicht an den Truppen stören.
Der Ex-Botschafter hält es für richtig, die Ukraine stärker zu bewaffnen. „Dass die Russen nicht auf den Gedanken kommen, noch einmal anzugreifen“, erklärte er. Man müsse gegenüber Russland Härte aussenden. Eine Mitgliedschaft in der NATO sollte nicht per se abgelehnt werden. Zuerst soll Frieden herrschen, dann könnten die Verantwortlichen den Beitritt regeln: „Natürlich könnte es sein, dass das am Schluss, wenn alle anderen Dinge geregelt sind, der einzige Punkt ist, der einer Lösung im Wege steht. Dann muss man darüber reden.“
Für Frieden in der Ukraine hält Ischinger den Kontakt zwischen Moskau und Washington für wichtiger. „Wenn es diese amerikanisch-russische Gesprächsebene nicht gibt, dann gibt es auch keine Ukraine-Vereinbarung.“
Trump „ist ein Meister der Ablenkung“
Der Politprofi meint allerdings zu erkennen, dass Trump sich verrannt hat. Der künftige US-Präsident kündigte an, den Krieg binnen 24 Stunden nach Amtsantritt beenden zu wollen. Dies gilt als unwahrscheinlich, angesichts der verfahrenen Situation an der Front. „Er ist ein Meister der Ablenkung“, sagte Ischinger über Trump.
„Das Thema, bei dem wir eigentlich Action erwarten würden, ist das von ihm vollmundig angekündigte Manöver, mit Putin in 24 Stunden das Ukraine-Problem zu lösen. Es deutet sich an, dass das in 24 Stunden nicht zu machen ist.“ Stattdessen spreche er von Übernahmeplänen. „Da ist es natürlich prima, wenn man über Panama, Grönland und Kanada Dinge sagen kann, über die sich alle Welt aufregt“, so Ischinger.