Wirtschaft

Sotheby’s schließt seine Repräsentanz in Wien | ABC-Z

Nur noch kurze Zeit hängt die Fahne von Sotheby’s am Wiener Palais Wilczek. Ende Januar schließt das internationale Auktionshaus seine hiesige Repräsentanz nach mehr als vier Jahrzehnten. Die 1981 gegründete Niederlassung in Österreich fällt dem Abbau zum Opfer, den das mit 1,8 Milliarden Dollar verschuldete Unternehmen nach zwei schlechten Geschäftsjahren erfährt. Im vergangenen Jahr kündigte Sotheby’s fünfzig Mitarbeitern in der Londoner Zentrale, rund hundert Kräften in New York und reduzierte auch andernorts Personal. Das dreiköpfige Wiener Team hat auch Kunden in Ungarn und Polen betreut. Wiegen die eingesparten Kosten den Imageverlust durch die Schließung auf?

Eine strategische Entscheidung

In Wien die Flagge einzuholen sei eine strategische Entscheidung, die nichts mit der Leistung der Mitarbeiter zu tun habe, heißt es von Sotheby’s. Mit der Covid-Pandemie sei der „Bedarf an einem physischen Standort in Österreich stark zurückgegangen“; in Zukunft kümmert sich das Münchner Büro um die österreichische Kundschaft. Die Verlautbarung steht im Widerspruch zu der aktiven Akquise, die Geschäftsführerin Andrea Jungmann seit ihrem Antritt 2001 in Wien betrieben hat.

Zu ihren Erfolgen zählt die Identifizierung des Großformats „Massaker der Unschuldigen“ als Werk von Peter Paul Rubens, das 2002 in London zum Rekordpreis von 77 Millionen Euro unter den Hammer kam. Ihr Kollege Gallus Pesendorfer forschte aus, dass ein römischer Marmortorso aus steirischem Familienbesitz einst zur Antikensammlung der Medici zählte. In New York wurde die Skulptur 2010 auf 7,4 Millionen Dollar gehoben. Auch im Zuge von Restitutionen konnte Sotheby’s Wien dicke Fische an Land ziehen. Jungmann bewies Fingerspitzengefühl und Überzeugungskraft, als sie mehrere kapitale Landschaftsbilder von Egon Schiele akquirierte. Sie vermittelte das privat restituierte Gemälde „Dämmernde Stadt“, das 2018 in New York auf 24,5 Millionen Dollar kam. Ihr größter Coup war Klimts Nixenbild „Wasserschlangen II“. Aus dem Nachlass des ledigen Klimt-Sohns und NS-Regisseurs Gustav Ucicky für einen Restitutionsvergleich veräußert, spielt es 2013 bei einem Privatverkauf kolportierte 90 Millionen Euro ein.

Trotz dieser Erfolge und dem mit ihnen erworbenen Renommee ist nun Schluss. Das Wiener Büro des Konkurrenten Christie’s wird wohl von dem Abgang profitieren. Die Schließung von Repräsentanzen bei Sotheby’s – Ende Februar macht auch Dublin dicht – heizt Gerüchte um einen möglichen Abstieg des Auktionshauses an. Dabei bekam das Unternehmen im Oktober eine Finanzspritze, als sich der Staatsfond ADQ von Abu Dhabi mit knapp einer Milliarde Dollar einkaufte. Parallel zu den Entlassungen gab Sotheby’s-Eigentümer Patrick Drahi 2024 enorme Summen für neue Standorte in Paris, New York und Hongkong aus. Laut „New York Times“ sollen künftig verstärkt Luxusgüter wie Oldtimer oder Designobjekte für Umsatz sorgen.

Jungmann hat vor Kurzem ihr 35-jähriges Firmenjubiläum begangen. In der Wiener Herrengasse beriet sie nicht nur Kunden, sondern förderte auch aufstrebende Künstler, für die sie viermal jährlich eine Solo-Ausstellung ausrichtete. Wenn am 23. Januar die letzte Schau von „Sotheby’s Artist Quarterly“ eröffnet, wird die Vernissage zur Abschiedsveranstaltung.

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