Sönke Wortmann: “Ein Film kann scheitern, ich als Person nicht mehr” | ABC-Z
Nach den erfolgreichen Komödien “Der Vorname” (1,2 Mio Zuschauer) und “Der Nachname” (860.000 verkaufte Tickets) über die Familien Berger, Böttcher, König und Wittmann wagt sich Sönke Wortmann an den dritten und wohl letzten Teil “Der Spitzname” und lässt die schrägen Vögel erneut sich zanken und versöhnen, diesmal im winterlichen Osttirol. Mit von der Partie wie immer das Starensemble mit Iris Berben als Patriarchin mit Hippie-Feeling, Justus von Dohnányi als ihr früherer Pflegesohn und jetziger Angetrauter, Christoph Maria Herbst als professoraler Besserwisser mit Gattin Caroline Peters sowie Florian David Fitz und Janina Uhse, die sich in den Alpen das Jawort geben wollen und das Trüppchen eingeladen haben.
AZ: Herr Wortmann, haben Sie einen Spitznamen?
SÖNKE WORTMANN: Nein, darüber bin ich auch heilfroh. Mein Vorname bietet sich dafür nicht an und beim Nachnamen wären Verkleinerungen wie “Worti” oder “Manni” komisch gewesen. Gut, dass da keiner auf die Idee gekommen ist.
Markenzeichen der Familien Berger, Böttcher, König und Wittmann ist ihre Dysfunktionalität. Was mögen Sie an dieser verrückten “Mischpoke”?
Dass sie am Ende wieder alle zusammenkommen. Es geht doch darum, wie groß ist das Potenzial an Verzeihen untereinander. Da freue ich mich am Schluss schon darauf, dass es dann doch wieder gut ist. Konflikte und deren Lösung sind doch spannend.
Sind Sie ein Familienmensch?
Ich glaube schon. Meine drei Kinder sind mittlerweile volljährig, aber ich freue mich jetzt bereits auf Weihnachten, wenn sie nach Hause kommen und wir eine Woche zusammen verbringen.
In einem Interview sollen Sie gesagt haben, Familie sei ein sicherer Hafen.
Ich bin ein sehr optimistischer Mensch. Wir streiten uns auch, wenn auch nicht in dem Maße wie die Familie in “Der Spitzname”.
Die Filmfamilie kreist diesmal nicht nur um sich selbst, sondern es werden gesellschaftliche Themen aufgegriffen wie Rollenverständnis, Female Empowerment, Wokeness und Sensitivity Coaching, Benutzung eines verbotenen Begriffs und seine Folgen…
Wir haben uns immer wieder den Kopf über tragfähige Ideen zerbrochen, die einen dritten Teil rechtfertigen würden, und damit über Inhalte. Da haben wir uns überlegt, über was diskutieren die Menschen, was bewegt sie. “Der Vorname” war schon wegen des Vornamens Adolf gesellschaftlich relevant, “Der Nachname” ging eher ins Private. Und warum nicht jetzt aktuelle kontroverse Themen aufgreifen, die jeden angehen?
Müssen Sie sich als Regisseur noch anstrengen und die Fäden in der Hand halten, oder werfen sich die Schauspieler inzwischen die Bälle zu?
Die Schauspieler kennen sich inzwischen in- und auswendig, wissen um ihre Stärken, schätzen und respektieren sich gegenseitig. Ich muss letztendlich nur für gute Laune sorgen und auf die Nuancen achten. Alles andere erledigt das Ensemble allein.
Der erste Film spielte im gutbürgerlichen Eigenheim, der zweite auf einer Finca in Lanzarote, der dritte in den Tiroler Alpen. Planen Sie einen vierten Teil? Was halten Sie von “Der Deckname” oder “Der Künstlername” etc.
Stand heute: eher nicht. Wir sind bisher so verfahren, dass das Publikum entscheidet. Die Familie wird sehr gemocht, aber nach drei Folgen würde ich sagen: Lassen wir’s mal gut sein. Trilogie ist ein gewohntes Format. Aller guten Dinge sind drei.
Haben Sie ein neues Projekt?
Wahrscheinlich ein Film nach einem Buch von Jan Weiler. Aber das Projekt ist noch nicht spruchreif. Man soll das Fell des Bären nicht zu früh verteilen.
Ihr Debütroman “Es gilt das gesprochene Wort” kam gut an. Reizt es Sie nicht, das literarische Feld weiter aufzumischen?
Ich hätte schon eine Idee für einen Roman. Mir fehlt aber die Muße. Sobald ich über die wieder verfüge, will ich es noch einmal versuchen. Vergessen Sie nicht, ein Film wie “Der Spitzname” beschäftigt mich ein gutes Jahr.
Und das eigene Buch verfilmen?
Dazu hätte ich keine Lust. Mit dem Thema habe ich mich lange beschäftigt, das kenne ich in- und auswendig. Wenn, sollte da ein anderer ran. Es gab Anfragen, aber nichts hat sich konkretisiert.
Die Produktion “Der Spitzname” wurde für Nachhaltiges Drehen ausgezeichnet. Was heißt das?
Auch unsere Branche muss sich auf den Klimawandel einstellen und sollte Ressourcen nicht verschwenden. In der Praxis heißt das lokale Lebensmittel beim Catering, kein Plastikgeschirr, der Einsatz von wiederverwendbaren Materialien. Wichtig ist auch die Reduzierung des Stromverbrauchs und für Reisen innerhalb Deutschlands oder den Nachbarländern nicht mehr den Flieger, sondern die Bahn zu nehmen. Es sind viele Kleinigkeiten, die aber insgesamt echt helfen können. Man muss sich nur darauf einstellen und alles gut organisieren.
Ihre Karriere begann Anfang der 90er Jahren sofort mit Riesenerfolgen wie “Allein unter Frauen”, “Kleine Haie”oder “Der bewegte Mann”. Wie geht man als Newcomer mit dem plötzlichen Ruhm um? Befürchtet man nicht abzustürzen?
Im Gegenteil: Mich hat der Erfolg erleichtert. Ich war danach ziemlich angstfrei und hatte das Gefühl, jetzt kann ich vielleicht ein oder zwei Filme ohne großen Druck realisieren. Auf und Abs gehören einfach dazu. Dass nicht alles immer so funktioniert, wie man möchte, verstehe ich als Teil eines Lernprozesses.
Ist eine leise Angst vorm Scheitern immer da, oder ist sie “runtergedimmt”?
Ich würde sagen “runtergedimmt”. Mich stört aber das Wort Angst. Scheitern ist menschlich und kann jedem passieren. Wenn bei “Der Spitzname” die Zuschauer überhaupt kein Interesse zeigen und sich langweilen würden, wäre der Film gescheitert, aber nicht ich als Person.
Als während Ihres Studiums an der HFF in Ihrer Klasse gefragt wurde, wer Regie machen will, hoben dreizehn Studenten von vierzehn den Arm. Sie waren der einzige, dem der Produktionsleiterjob vorschwebte. Und dann legten Sie eine tolle Regiekarriere hin. Hatten Sie mehr Glück als andere oder mehr Ehrgeiz?
Ich hatte sehr viel Glück in meinem Berufsleben und bin dankbar, dass ich diesen Job ausüben darf, gebe mir auch viel Mühe. Ehrgeiz? Ich bin und war nie überehrgeizig. Ich will einfach möglichst gute Filme fürs Publikum machen.
Ist kommerzieller Erfolg heute schwieriger als damals?
Auf jeden Fall. Das liegt an der großen Konkurrenz. Streamer und ihre Angebote sind verlockend für eine Familie. In Zeiten der Inflation ist ein Kinobesuch nicht mehr so selbstverständlich. Der Markt ist kleiner geworden. Gegen Blockbuster wie “Avatar” oder Filme mit Tom Hanks oder Brad Pitt hat der deutsche Film natürlich Wettbewerbsnachteile. Uns fehlt die sogenannte Starpower.
Obgleich Sie noch einiges vorhaben, wurden Sie vor zwei Jahren mit dem Bayerischen Filmpreis für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Kam das nicht etwas früh?
Überhaupt nicht. Ich habe mich sehr gefreut und schließlich war ich über 60.
Nach dem Abitur wollten Sie Fußballprofi werden. Die Liebe zum Kicken finden wir in Ihren Filmen “Das Wunder von Bern” oder “Deutschland. Ein Sommermärchen”. Wenn Sie das heutige Fußballgeschäft sehen, sind Sie froh, die Schiene frühzeitig gewechselt zu haben?
Als Fußballer wäre meine Karriere schon lange am Ende, insofern bin ich ganz zufrieden, wie sich alles gefügt hat. Für mich ist der Beruf des Fußballprofis immer noch toll und war es auch immer.
Die HFF-Studenten von 2024 träumen wahrscheinlich nicht vom Fußball, sondern von Erfolgen an der Kinokasse. Was würden Sie einem Erstsemester ans Herz legen?
Ich würde ihm gar nichts raten – im ersten Semester sowieso nicht. Ein zukünftiger Filmemacher sollte versuchen, seine Träume zu verwirklichen und nicht auf irgendeinen Modetrend aufspringen. In sich reinhören und das tun, was in ihm steckt. Egal, was es ist und ob es aneckt.
Ab 18. Dezember im Kino.