Politik

Sondierungen in Thüringen: Ärger beim Thema Frieden – Politik | ABC-Z

Sobald man die Wortkombination „konstruktiv, vertrauensvoll und pragmatisch“ in der Politik hört, darf man davon ausgehen, dass auf diese Art und Weise ein Kompromiss verkündet wird, der kurze Zeit zuvor noch undenkbar erschien. So ist es am Freitag auch in Erfurt, als die Unterhändler von CDU, dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der SPD knapp sieben Wochen nach der Landtagswahl das Ergebnis ihrer Sondierungen vorstellen.

Da ist nicht nur von konstruktiven Gesprächen die Rede, von vertrauensvoller Zusammenarbeit und pragmatischen Lösungen, da fasst der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl, die Gespräche der vergangenen Wochen gleich so zusammen: „Es war sehr, sehr harmonisch.“ Alle drei Partner seien vom Ziel getrieben gewesen, Thüringen nach vorn zu bringen, ideologische Grabenkämpfe hinter sich zu lassen und gemeinsam und konstruktiv nach pragmatischen Lösungen zu suchen.

Wie viel die warmen Worte wert sind, offenbarte sich wenige Stunden später. Da verkündeten die Spitzenleute des BSW in Thüringen, man könne erst in Koalitionsverhandlungen eintreten, wenn die Frage von Krieg und Frieden ausformuliert sei. Bislang stand dazu im stolz auch vom BSW präsentierten Sondierungspapier lediglich: „Dem Thema Frieden in Europa werden wir in den kommenden Verhandlungen Raum verschaffen und mit einer Standortbestimmung im Rahmen einer möglichen Präambel gemeinsam begegnen.“ Bei einer Sitzung des Landesvorstands habe sich das klare Meinungsbild ergeben, dass diese Formulierung nicht ausreiche, sagte Landeschefin Katja Wolf: „Wir werden CDU und SPD bitten, schnellstmöglich nachzuverhandeln.“

Das BSW lehnt etwa die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ab

Ohne Klarheit in der Friedensfrage gebe es keinen Eintritt in Koalitionsverhandlungen. Das sei der Knackpunkt „bei aller Freude über das Erreichte im Sondierungspapier“, das in wichtigen Punkten wie innere Sicherheit und soziale Gerechtigkeit die Handschrift des BSW trage. Man werde den Partnern einen Formulierungsvorschlag vorlegen, kündigte der Co-Landesvorsitzende Steffen Schütz an. Dabei gehe es neben mehr Diplomatie zur Beendigung des Ukraine-Krieges auch um ein Nein zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland

Im Sondierungspapier hatten die Verhandler unter der Überschrift „Mut zur Verantwortung. Thüringen nach vorne bringen“ Vorhaben einer möglichen Regierung aufgelistet: einen Richtungswechsel in der Migrationspolitik, die Schaffung einer zentralen Ausländerbehörde, Abbau von Bürokratie, die Einführung von Sprachtests für Kinder vor der Einschulung, mehr frühkindliche Bildung, den Kampf gegen Unterrichtsausfall. Zudem wollen die drei möglichen Koalitionäre das Parlament künftig besser und früher in Entscheidungen einbinden.

Denn zusammen verfügen die drei Fraktionen nur über die Hälfte der 88 Mandate. Die CDU nannte diese Konstellation bisher eine Patt-Regierung, am Freitag sprach Bühl von einer De-facto-Mehrheit, weil gegen die Stimmen von CDU, BSW und SPD keine Mehrheit gebildet werden könne. Dies sei ein entscheidender Unterschied zur rot-rot-grünen Minderheitsregierung, die über 42 Sitze verfügte.

„Keine Zusammenarbeit mit der AfD“

So soll ein parlamentarisches Konsultationsverfahren sicherstellen, dass der Landtag schon vor Kabinettsbeschlüssen über zentrale Vorhaben der Regierung informiert wird. Bühl sagte auf Nachfrage, dies gelte auch für die AfD. Alle Fraktionen sollten die Möglichkeit haben, Stellung zu nehmen. Um eine Mehrheit zu bekommen, bedürfe es aber keiner gesonderten Vereinbarung mit der Linkspartei.

Im Sondierungspapier ist ebenfalls festgehalten, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben soll. Die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei war bei der Wahl am 1. September stärkste Fraktion geworden. Da sie über mehr als ein Drittel der Stimmen verfügt, kann sie wichtige Entscheidungen wie Verfassungsänderungen oder die Wahl von Verfassungsrichtern blockieren. Dazu heißt es im Sondierungspapier: „Gespräche zu notwendigen parlamentarischen Verfahren und Entscheidungen sind aufgrund der Sperrminorität zu führen.“

Sollten die drei Parteien in Koalitionsverhandlungen eintreten, werde „relativ zügig“ eine Regierungsbildung angestrebt. SPD-Unterhändlerin Katharina Schenk sagte: „Niemand hat ein Interesse daran, jetzt acht Monate lang Koalitionsgespräche zu führen.“ Entgegen anderslautenden Gerüchten sei aber noch nicht über den Zuschnitt oder die Besetzung von Ministerien gesprochen worden. Auch BSW-Unterhändler Tilo Kummer machte deutlich, dass man schnell eine Regierung bilden wolle: „Uns läuft die Zeit zwischen den Fingern davon.“

Back to top button