„Sommerinterview“ der ARD mit Weidel geht im Getöse fast unter | ABC-Z

Das im Freien geführte „Sommerinterview“ der ARD mit der AfD-Chefin Alice Weidel ist am Sonntag im Lärm einer Störaktion der Gruppe „Zentrum für politische Schönheit“ zeitweise untergegangen. Von Beginn an mussten sich Weidel und der Interviewer Markus Preiß gegen die Geräuschkulisse durchsetzen. Einen Gefallen haben die Störer und die ARD damit allenfalls der AfD getan, bedient der Krach doch exakt die Opfererzählung, die die rechtsextreme Partei von sich als vermeintlich verfolgter Unschuld verbreitet.
In diesem Sinne nahm die AfD das Interview auch gleich auf. „In einer solchen Situation hätte die ARD für ein faires, ungestörtes Interview ins Studio ausweichen müssen“, sagte der Vize-Fraktionschef der AfD im Bundestag, Markus Frohnmaier, dem Nachrichtenportal „Politico“. Er „erwarte, dass das Gespräch unter fairen Bedingungen wiederholt wird.“
Weidel selbst kritisierte die Protestaktion vom Sonntag ebenfalls: „Es ist für die Debattenkultur in unserem Land nicht zuträglich, die Presse- und Informationsfreiheit derart anzugreifen. Dafür habe ich keinerlei Verständnis“, sagte sie dem Portal. „Die AfD und meine Person werden sich von solchen demokratiefeindlichen Aktionen nicht einschüchtern lassen.“
ARD: Protestaktion war nicht bekannt
Die ARD war erst im Nachhinein schlauer. Man wolle Konsequenzen ziehen, welche das sind, sagte die ARD nicht. „Ein ungestörter Ablauf der Interviews ist in unserem Interesse und vor allem im Interesse des Publikums, daher werden wir aus der Sendung Schlüsse ziehen und in Zukunft Vorkehrungen treffen“, teilte eine Sprecherin des ARD-Hauptstadtstudios auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. „Wir bedauern, dass das Interview durch die akustische Protestaktion teilweise schwer zu verstehen war.“ Das werde intern ausgewertet. Bis zum Beginn der Sendung sei die Protestaktion nicht bekannt gewesen.
Das am Nachmittag live im Internet übertragene Interview mit der AfD-Vorsitzenden Weidel wurde im Berliner Regierungsviertel an der Spree unter freiem Himmel geführt. Eine Demonstration am anderen Spreeufer mit Trillerpfeifen, Hupen und lauter Musik mit Anti-AfD-Slogans war in der Übertragung deutlich zu hören. Hinter der Aktion steckt nach eigenen Angaben die Gruppe Zentrum für Politische Schönheit. Die Polizei beendete die nicht angemeldete Aktion.
AfD: „unlautere Störungen“
Die AfD bezeichnete den Protest als „unlautere Störungen“. Weidel sei davon überzeugt, dass die Störungen „weder im Interesse der AfD-Vorsitzenden noch im Sinne der ARD als Interview führendes Medium“ waren, teilte ihr Sprecher mit.
Das Interview ging im Getöse fast unter. Weidel gab mehrfach an, sie habe die Fragen von Moderator Markus Preiß nicht gehört. „Es ist extrem laut im Hintergrund und ich kann Ihre Fragen kaum verstehen”, sagte sie auf der Terrasse des zum Bundestag gehörenden Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses. Sie wollte das Interview dennoch fortsetzen und forderte Preiß auf, dieses „ganz normal“ weiterzuführen.
Weidel warf Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), den sie als „Lügenkanzler“ bezeichnet hatte, dann erneut vor, er habe „alle Wahlversprechen gebrochen“. Sie nannte die Migrationswende oder die Angaben des CDU-Chefs zur Einhaltung der Schuldenbremse im Wahlkampf.
„Wir hätten gar keine Schulden aufgenommen“
Auf die Frage, wie sie ihre eigenen Wahlversprechen etwa bei der Senkung der Einkommensteuer finanziert hätte, sagte Weidel: „Wir hätten gar keine Schulden aufgenommen.“ Sie verwies auf den 190 Milliarden Euro schweren Haushalt für Arbeit und Soziales, in dem das Bürgergeld 50 Milliarden Euro ausmache. Die Hälfte der Bezieher seien Ausländer, die nichts in das deutsche Sozialsystem eingezahlt hätten.
Weidels Wahlversprechen waren vom Institut der Deutschen Wirtschaft auf 149 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt worden. Schätzungen von Experten, ihre gleichfalls angekündigte Anhebung des Rentenniveaus auf 70 Prozent würde weitere 100 bis 200 Milliarden Euro kosten, bezeichnete die AfD-Chefin als falsch.
Eigene Zulage verdoppelt
Die AfD-Partei- und Fraktionschefin rechtfertigte die jüngst erfolgte Verdopplung der Zulage für sie und andere Mitglieder des Vorstands der Bundestagsfraktion. Diese sei auf Beträge angehoben worden, die auch in anderen Parteien üblich seien, sagte Weidel. Sie verwies darauf, dass sie ihre Funktion als Parteichefin ehrenamtlich ausübe.

Preiß sagte am Ende der Aufzeichnung des Interviews, dieses habe „in einer wirklich schwierigen akustischen Situation“stattgefunden. Im Anschluss gab es ein weiteres Gespräch der ARD mit Weidel, das über das Internet ausgestrahlt wurde. Dabei wurden über Onlineplattformen gestellte Zuschauerfragen beantwortet.
„Remigration“ sei richtig
Weidel rechtfertigte die Verwendung des umstrittenen Begriffs „Remigration“, als sie gefragt wurde, ob ihre Partei alle, „die ihren Vorstellungen von Deutschsein nicht entsprechen“, ausweisen wolle. Es gehe um „die Einhaltung von Recht und Gesetz“, sagte die AfD-Chefin. Es gehe darum, dass „Menschen, die keine Aufenthaltsberechtigung haben, abgeschoben werden – und vor allen Dingen per se gar nicht erst reingelassen werden“.
Einen noch im AfD-Wahlprogramm geforderten EU-Ausstieg unterstützte Weidel nicht mehr. „Wir sollten nicht über einen EU-Ausstieg diskutieren, sondern darüber, wie man die EU reformieren kann“, sagte sie. Sie wolle die EU „zurückbauen“ und nicht „irgendwelchen Bürokraten“ überlassen.
Der zweite Teil des Gesprächs fand nach einer Unterbrechung am selben Ort an der Spree statt. Die Geräuschkulisse war deutlich ruhiger, was offenbar auf den Einsatz der Polizei zurückzuführen war. Diese hatte die Demonstranten aufgefordert, den Lärm einzustellen. Dem sei die Gruppe auch nachgekommen. „Die Anlage wurde ausgeschaltet.“ Der Polizeisprecher bestätigte, dass die Aktion nicht angemeldet war. Festnahmen gab es bei dem Einsatz demnach aber nicht.