Sollen Syrer abgeschoben werden? | FAZ | ABC-Z

Wie viele Syrer leben derzeit in Deutschland und wie ist ihre Situation?
Derzeit leben etwa 950.000 Syrer in Deutschland. Die allermeisten kamen während des Bürgerkriegs in den vergangenen zehn Jahren hierher, sie haben deswegen überwiegend einen humanitären Schutzstatus. Etwa ein Drittel hat subsidiären Schutz, das heißt, ihnen droht in ihrer Heimat ernsthafter Schaden, sie werden aber nicht persönlich verfolgt. Etwa 40 Prozent der Syrer genießt Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Laut Bundesinnenministerium sind 920 Syrer in Deutschland derzeit ausreisepflichtig und haben keine Duldung, 9780 weitere sind ausreisepflichtig, haben aber eine Duldung, weil es bislang keine Abschiebungen nach Syrien gibt.
Wie gut ist die Integration der Syrer gelungen?
70 Prozent der in Deutschland lebenden Syrer sind im erwerbsfähigen Alter, 60 Prozent sind faktisch erwerbsfähig. Insgesamt sind 287.000 der in Deutschland lebenden Syrer beschäftigt, 236.000 von ihnen gehen einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nach. Etliche Syrer, etwa 7000, unterstützen etwa als Ärzte das deutsche Gesundheitssystem. Sie und auch viele andere Syrer, die als Fachkräfte arbeiten, sind von der Abschiebedebatte nicht betroffen, weil sie ohne große Probleme ihren Aufenthaltstitel wechseln könnten – von der Aufnahme aus humanitären Gründen hin zu der Aufnahme als Fachkraft. Die Hälfte der hier lebenden Syrer bezieht aber auch staatliche Hilfeleistungen, etwa das Bürgergeld. Immer mehr Syrer lassen sich einbürgern, allein im vergangenen Jahr waren es 83.000.
Was hat die Bundesregierung nun mit Syrern vor?
Einen konkreten Plan verfolgen die Bundesregierung und das zuständige Innenministerium bislang nur bei straffälligen Syrern und solchen, die als Gefährder gelten. Sie sollen so schnell wie möglich abgeschoben werden. So ist es im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbart. Für Abschiebungen selbst sind die Länder zuständig. Das heißt, sie müssen sich darum kümmern, die abzuschiebenden Syrer aufzugreifen und dem Bund für einen Flug nach Syrien zu melden.
Aus der Union kommen nun immer wieder Forderungen, dass Syrer, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, schon deswegen in ihre Heimat zurückkehren sollten, um diese wieder aufzubauen. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat diese Erwartung geäußert. Deutschland fördert deswegen die freiwillige Rückkehr finanziell, allerdings haben erst etwa 2000 Syrer seit dem Sturz des Assad-Regimes diesen Weg gewählt. SPD-Politiker, aber auch solche der Union haben immer wieder klar gemacht, dass gut integrierte Syrer, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, Deutschland nicht zu verlassen brauchen. Wie das aber genau entschieden werden soll, ist derzeit unklar.
Verlieren Syrer jetzt ihren Schutz?
Während des Bürgerkriegs haben mehr als 80 Prozent der Syrer, die Schutz in Deutschland suchten, diesen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auch zugestanden bekommen. Unmittelbar nach dem Sturz des Assad-Regimes beschloss das BAMF, Entscheidungen über Asylanträge von Syrern auszusetzen, weil die Lage in dem Land zu unklar war. Entschieden wurden nur Fälle von Straftätern und Gefährdern, außerdem sogenannte Dublin-Fälle, wenn also ein anderes EU-Land für den Asylantrag des Syrers zuständig war. Seit September entscheidet das BAMF nun wieder über junge, arbeitsfähige, allein reisende Männer. Eine Grundlage für diese Entscheidungen bildet die nicht öffentliche Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes zu Syrien.
Allerdings sind Asylverfahren immer Einzelprüfungen. Auch eine eindeutige Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes würde diese nicht erübrigen. Das BAMF muss bei jedem einzelnen Syrer entscheiden, ob und wenn ja welche Gefahr bei der Rückkehr ins Herkunftsland droht. Daraus leitet sich ab, ob und wenn ja welcher Schutz gewährt wird – in der Regel subsidiärer Schutz oder solcher nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Oder auch, ob ein bestehender Schutz ausläuft. Grundsätzlich kann jeder Schutz aufgehoben werden, wenn sich die Lage im Herkunftsland verbessert hat. Besonders einfach könnte man über die etwa 10.000 Syrer entscheiden, die nur eine Duldung haben, die schnell widerrufen werden könnte. Bei einer Anhörung mit BAMF-Mitarbeitern hat jeder Asylsuchende die Möglichkeit, seine Fluchtgründe darzulegen.
Das BAMF prüft auch, ob ein Abschiebeverbot vorliegt, etwa wegen des Gesundheitszustandes. Sollte kein Hindernis bestehen, geht eine Meldung an die zuständige Ausländerbehörde. Auch die prüft noch einmal jeden einzelnen Fall. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Integrationsleistungen einer Abschiebung im Weg stehen: Ausbildung, Arbeit, soziale Gründe wie die Integration der Kinder in der Schule.
Welche Rolle spielen die Gerichte?
Gegen jeden Verwaltungsakt kann in Deutschland geklagt werden, also sowohl nach der Anhörung beim BAMF als auch nach der Entscheidung der Ausländerbehörde. Solche Verfahren dauern durchschnittlich anderthalb Jahre. In den vergangenen Monaten haben mehrere Gerichte über Asylanträge von Syrern entschieden. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln aus dem September besagte etwa, dass nicht jeder Syrer einen Anspruch auf asylrechtlichen Schutz in Deutschland habe. In dem konkreten Fall, über den das Gericht entschied, besteht nach Auffassung des Richters in der Herkunftsregion des Klägers keine Gefahr der Verfolgung. Auch befand das Gericht, dass die wirtschaftliche Lage Syriens zwar nicht gut sei, sich aber voraussichtlich bessern werde. Außerdem könne der Syrer Rückkehrhilfen des deutschen Staates in Anspruch nehmen. Die Abschiebung sei also rechtens.
Spielt der Zerstörungsgrad Syriens also eine Rolle bei der Frage nach Abschiebungen?
Nicht direkt, weil es primär um die Gefahr für Leib und Leben geht. Ein menschenwürdiges Leben („Brot, Bett und Seife“), das geht aus den Urteilen hervor, soll aber im Herkunftsland gewährleistet sein, etwa durch Familienanschluss.





















