EHEC-Infektionen bei Kindern: So gefährlich ist der Erreger | ABC-Z

Vor 14 Jahren tauchte im Frühling ein Bakterium in Deutschland auf, das bis dahin nur eine Handvoll Wissenschaftler kannte. Ein Darmbakterium, das gefährliche Giftstoffe freisetzen kann. Sein Name: Enterohämorrhagische Escherichia coli, kurz EHEC. Die Bakterien finden sich im Darm von Rindern, Schafen und Ziegen und werden mit dem Kot der Tiere ausgeschieden.
Für die Tiere sind sie ungefährlich, beim Menschen aber, vor allem wenn er eine schwache Immunabwehr hat, können die Kolibakterien zu schweren Krankheitsverläufen führen. Denn die Giftstoffe können eine akute Darmentzündung hervorrufen, bei einem Fünftel der Erkrankten kann es zu blutigem Durchfall und krampfartigen Bauchschmerzen kommen. Meist liegen drei bis vier Tage zwischen dem Verzehr etwa eines verunreinigten Lebensmittels und dem Ausbruch der Erkrankung. Betroffen von EHEC sind vor allem Säuglinge und Kinder sowie alte Menschen.
2011 waren es Bockshornkleesamen aus Ägypten
Im Mai 2011 gab es einen ersten Todesfall, kurz vor Sommerbeginn waren dem Robert-Koch-Institut (RKI) schon mehr als 3000 EHEC-Fälle gemeldet worden, dazu gut 850 Fälle des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS), einer besonders schweren Verlaufsform der Erkrankung, an der damals mehr als 50 Personen starben. Woher der Erreger kam und wie er auf den Menschen übertragen worden war, war lange unklar. Wahrscheinlich, so vermutete man damals zunächst, war er über verunreinigtes Wasser auf Gemüsefelder gekommen, spanische Biogurken etwa. Am Ende waren es 2011 aber Bockshornkleesamen aus Ägypten gewesen, die schon 2009 tonnenweise nach Deutschland gebracht worden waren. Der Ausbruch, der sich vor allem auf den Norden Deutschlands beschränkte, wurde Ende Juli 2011 vom RKI für beendet erklärt.
Nun also ist EHEC zurück. Und wieder betrifft es vor allem den Norden Deutschlands, aber noch stärker das Nachbarland Belgien. Dort gab es bis zum Sonntag fünf Todesfälle in Seniorenheimen, etwa 20 Personen sind erkrankt. Der EHEC-Erreger ist eigentlich immer präsent. Laut RKI gibt es jedes Jahr einige Tausend Erkrankungen in Deutschland, im vergangenen Jahr waren es rund 4570, im Jahr 2023 waren es knapp 3500 mit fünf Todesfällen. Allein in diesem Jahr zählte die Behörde schon 3660 EHEC-Fälle. Bei dem aktuellen Ausbruch in Mecklenburg-Vorpommern aber sind besonders Kinder und Jugendliche betroffen.
„Vier Kinder müssen noch intensivmedizinisch behandelt werden“
Nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGuS) sind die Erkrankungen in zwei Landkreisen aufgetreten: in Vorpommern-Rügen und in Vorpommern-Greifswald. Zu den Patienten zählen demnach Einwohner und Urlauber. Nach letztem Stand vom Freitag waren 17 Personen an dem Erreger erkrankt, unter ihnen 14 Kinder und Jugendliche im Alter von einem bis 15 Jahren sowie drei Erwachsene.
Fünf Kinder wiesen HUS auf, ein Kind wurde zum HUS-Verdachtsfall erklärt. Das hämolytisch-urämische Syndrom ist besonders gefährlich, da sich rote Blutkörperchen auflösen und kleine Blutgefäße durch Gerinnsel verstopft werden können. HUS kann zu akutem Nierenversagen und schließlich zum Tode führen. Darum auch werden zehn der Erkrankten derzeit stationär in verschiedenen Bundesländern betreut, wie das LAGuS am Freitag mitteilte. „Vier Kinder müssen noch intensivmedizinisch behandelt werden.“
Auch bei dem aktuellen Ausbruch ist noch unklar, was der Auslöser ist. „Im Rahmen der Suche nach möglichen Infektionsquellen werden mit allen beteiligten Partnern die bekannten Übertragungsmöglichkeiten für den Erreger geprüft und untersucht“, heißt es vonseiten des LAGuS. Das heißt, der Stuhl der Patienten wird untersucht, um mögliche Zusammenhänge der Fälle zu verstehen. Zudem werden die Eltern befragt, was die Kinder gegessen haben könnten: Haben sie etwa Rohmilch getrunken, verunreinigtes Gemüse oder rohes Fleisch gegessen, Sprossen oder Samen verzehrt?
Noch unklar ist, ob der aktuelle Ausbruch mit einer Zwiebelmettwurst aus Thüringen in Verbindung steht. Allerdings hat die Schleizer Fleisch- und Wurstwaren GmbH schon am Mittwoch vorsorglich eine solche Wurst in einer 500-Gramm-Packung mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 27. August zurückgerufen, da in dieser Charge bestimmte toxinbildende Escherichia-coli-Bakterien nachgewiesen worden seien. Das Produkt wurde in elf Bundesländern verkauft, auch in Mecklenburg-Vorpommern.
Der Ausbruch in Belgien scheint mit dem in Mecklenburg-Vorpommern nicht im Zusammenhang zu stehen. Dort gab es die ersten Krankheitsfälle in verschiedenen Alters- und Pflegeheimen schon etwa eine Woche früher als in Deutschland, seit Mitte vergangener Woche berichteten belgische Medien über erste Todesfälle. Laboranalysen zeigen, dass es sich um denselben Typ des EHEC-Bakteriums handelt, was laut der Agentur für Nahrungsmittelsicherheit mit Sitz in Brüssel auf eine gemeinsame Quelle hindeutet.