Söder giftet über Rollmops-Angriff der Grünen | ABC-Z

Berlin. Wehrpflicht, Russland, Trump: Warum Deutschland sicherheitspolitisch umdenken muss – und CSU-Chef Söder plötzlich neue Töne anschlägt.
„So ehrlich habe ich sie selten gesehen“, sagt Caren Miosga zu Markus Söder, nachdem sie einen Ausschnitt aus seiner Rede beim politischen Aschermittwoch in ihrer ARD-Sendung am Sonntagabend zeigt. Darin erklärt der CSU-Chef: „Wechselfähigkeit und Wendefähigkeit werden zum Grundprinzip bayerischer Diplomatie.“ Etwas überrumpelt übt er sich charmant: „Ich muss immer ehrlich sein, besonders bei Ihnen.“ Darauf lässt Caren Miosga sich aber nicht ein: „Passen Sie Ihre Politik immer der Lage an oder haben Sie auch so etwas wie Prinzipien?“ Söder reagiert empört: „Wendehalsigkeit, Verbrechen, keine Prinzipien – also ich muss schon sagen …“
Doch schnell wird klar, dass es in dieser Sendung nicht nur um Söders Wandlungsfähigkeit geht, sondern um eine grundlegende Neuaufstellung Deutschlands in der Sicherheitspolitik.
Auch interessant
Milliarden für Verteidigung: Söders Kurswechsel
Noch vor der Wahl hatte Söder hohe Schulden kategorisch abgelehnt – nun verteidigt er sie vehement: „Der Eklat zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj hat alles verändert. Wir können uns nicht länger auf die USA verlassen. Wir müssen unser Schicksal selbst in die Hand nehmen.“
Gemeinsam mit der SPD will die Union ein 900-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur durchsetzen. Miosga konfrontiert ihn mit seinem Sinneswandel: „Sie haben also Ihre Meinung komplett geändert?“ Söder weicht aus: „Es geht nicht um Meinungsänderungen, es geht um Realitäten.“
Auch interessant

Attacke gegen die Grünen – und ein Seitenhieb beim Essen
Obwohl CDU/CSU und SPD die Stimmen der Grünen im Bundestag für das Sondervermögen benötigen, verpasst Söder auch an diesem Abend nicht, gegen sie zu kokettieren. „Ich bitte nicht um Stimmen bei den Grünen – das überlasse ich Friedrich Merz. Ich glaube, das ist besser so.“
Miosga hinterfragt die Strategie: „Ist es klug, nach dem Wahlkampf weiterhin gegen die Grünen zu schießen?“ Söder verteidigt sich: „Ich werde von den Grünen-Vorsitzenden attackiert, weil ich einen Rollmops esse – das zeigt doch, wie absurd die Debatte manchmal ist.“

Wehrpflicht-Debatte: Söder fordert Rückkehr
Zusammen mit dem Politikwissenschaftler Herfried Münkler, der eine Neuaufstellung Europas und einen europäischen Atomschutzschirm fordert, sowie der Journalistin und Osteuropa-Expertin Sabine Adler diskutiert die Runde über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Söder positioniert sich klar: „Wir brauchen mehr Material, aber vor allem mehr Personal. Ohne Wehrpflicht werden wir der Bedrohungslage nicht gerecht.“ Münkler ergänzt: „Eine Wehrpflicht-Armee ist immer eine Ausbildungsarmee und damit ineffizient. Wir brauchen eine schlagkräftige Berufsarmee.“
Auch interessant

Daraufhin blendet Miosga die Statistik einer Forsa-Umfrage ein, die zeigt, dass die Mehrheit der Deutschen (64 Prozent) nicht bereit ist, das Land mit Waffen zu verteidigen. Sabine Adler sieht die Ursache in der politischen Kultur: „Das Establishment hat über Jahrzehnte hinweg die Möglichkeit eines Krieges in Europa heruntergespielt. Diese Illusion ist nun zerbrochen – aber das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer starken Verteidigung fehlt noch.“ Gerade in der jungen Generation gebe es einen „Igitt“-Faktor gegenüber der Bundeswehr, so Adler.
Man ist sich einig: Die Bundeswehr wurde zu lange vernachlässigt. Viele Politiker hätten die Bedrohung durch Russland erst zu spät erkannt. Söder betont: „Militärische Stärke ist notwendig, um einen russisch-europäischen Krieg zu verhindern.“ Über diplomatische Lösungen wird in der Runde kaum gesprochen.
Europa, USA und Trump: Eine Zeitenwende für Deutschland
Sabine Adler warnt vor einer vorschnellen Abkehr von den USA: „Natürlich müssen wir europäische Verteidigungsstrukturen stärken.“ Aber wir dürften Washington nicht das Gefühl geben, dass wir es auch ohne sie könnten. Söder gibt sich pragmatisch: „Wir brauchen beides – eine eigene Stärke und eine kluge Zusammenarbeit mit den Amerikanern. Wenn Trump kommt, müssen wir vorbereitet sein.“
Insgesamt zeichnet die Sendung ein düsteres Bild: Deutschland steht vor einer sicherheitspolitischen Zeitenwende. Jahrzehntelang galt das Vertrauen auf die USA als Fundament deutscher Verteidigungspolitik – doch diese Gewissheit wankt.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik – meinungsstark, exklusiv, relevant.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Söders Kurswechsel hin zu massiven Investitionen in Verteidigung spiegelt die neue Realität wider: Mehr Eigenverantwortung, weniger Abhängigkeit. Doch die Diskussion lässt Fragen offen: Reicht mehr Geld, um Deutschlands Verteidigungsfähigkeit zu stärken? Und wie kann das Land eine militärische Strategie entwickeln, die über bloße Reaktion hinausgeht?