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Söder warnt vor AfD-Übernehmen: So lief der Gillamoos 2025 – Bayern | ABC-Z

Wen Söder als „dunkle Seite“ betrachtet, muss man nach seinem Auftritt am Abensberger Volksfest etwas genauer betrachten. Die Linke, die der CSU-Chef als „Kommunisten“ beschimpft? Die Grünen und insbesondere Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck, den er persönlich für die deutsche Wirtschaftskrise verantwortlich macht? Oder doch die AfD, die er offenbar als unmittelbare Gefahr sieht: „Nein zu einer Übernahme Deutschlands und Bayerns durch die AfD!“

Man hatte sich vor der Politshow ja gefragt, ob Söder seinen Kompass neu justieren muss: Die  jahrelangen Lieblingsgegner, die Berliner Ampelkoalition und insbesondere die Grünen, sind nicht mehr an der Macht. Die CSU trägt in der Bundesregierung wieder Verantwortung, die Krisen sind groß. Trotzdem legt Söder erstmal brachial los und jubelt darüber, dass nach dem Grünen Cem Özdemir wieder ein CSU-Mann im Bundeslandwirtschaftsministerium sitzt: „Schluss mit dem Tofu-Terror“, ruft er in das Bierzelt. „Ab jetzt steht wieder Fleisch auf der Speisekarte!“ Jener Minister, Alois Rainer, war zuvor mit einem Topf Weißwürste auf der CSU-Bühne empfangen worden.

Dann wechselt Söder zur Außenpolitik, warnt vor dem russischen Kriegsherrn Wladimir Putin und attackiert die AfD: Sie wolle sich Putin anbieten. Doch dieser „ist nicht unser Freund“. Stattdessen müsse man die Bundeswehr aufrüsten und zur Wehrpflicht zurückkehren.

Die Rede ist in weiten Teilen ein Best-of aus bekannten CSU-Positionen: der Länderfinanzausgleich ist unfair, die Erbschaftsteuer muss gesenkt und das Bürgergeld abgeschafft werden. Am Ende kommt der CSU-Chef aber noch mal grundsätzlich auf die AfD zu sprechen. „Da mag mancher Punkt im Programm als ähnlich erscheinen“, sagt Söder. „Aber bitte nicht blind sein“: Die AfD wolle spalten, schwächen und eine andere Form der Demokratie. Womit die Frage nach der dunklen Seite der Macht doch noch beantwortet ist.

Hubert Aiwanger (Freie Wähler), sieht in Deutschland offenbar bereits eine „islamistische Diktatur“ heraufdämmern.
Hubert Aiwanger (Freie Wähler), sieht in Deutschland offenbar bereits eine „islamistische Diktatur“ heraufdämmern. (Foto: Lukas Barth/dpa)

Freie Wähler

Es ist kurz nach zehn Uhr im Weißbierstadl. Hubert Aiwanger ist da, aber was ist das für ein Getränk auf seinem Biertisch? Seit Jahren wird ja über den Dialekt des Freie-Wähler-Chefs gespottet, über sein dunkles „a“, keine Aiwanger-Parodie kommt ohne „Opflsoft“ aus. Man quetscht sich also durch zu seinem Tisch, mal nachfragen: Ist das etwa …? „Weiß ich nicht“, sagt Aiwanger, „ich trinke, was sie mir hinstellen“.

Womit man irgendwie schon bei der Frage wäre: Schluckt auch das Publikum wieder alles, was Hubert Aiwanger serviert? Am Rednerpult begrüßt er explizit die „lieben Boomer“, die „die letzten vierzig Jahre gearbeitet und Steuern bezahlt haben“. Aiwanger fordert: „Schluss mit diesem Bashing gegen die Boomer, gegen Hausbesitzer, gegen die Steuerzahler!“ Dann basht er selbst – gegen die Bundesregierung („Berliner Chaosklub“), gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen („Uschi, fahr bitte den Rest deines Lebens in den Urlaub“) – und vor allem gegen Zuwanderer.

Man müsse „den Messerstechern den Kampf ansagen und das sind in sehr vielen Fällen nordafrikanische Migranten, die nicht nach Deutschland gehören, sondern die heimgeschickt gehören“, schimpft Aiwanger. Von Messerverboten hält er nichts. Wer so etwas fordere, wolle, „dass man bald nur noch Essen kriegt, wo man kein Messer dazu braucht“. Zum Beispiel Döner, sagt Aiwanger. Er wolle nicht, dass Deutschland „in einer islamistischen Diktatur“ aufwache, dass „Frauen unter Kopftüchern versteckt werden und das Haus nicht mehr verlassen dürfen“.

Es sei jetzt „die Stunde, die Wahrheit beim Namen zu nennen“, sagt Aiwanger, „da brauchen wir keine anderen Parteien dazu“. Er meint wohl: die AfD. „Wir wollen wieder die Meinungsfreiheit“, sagt der FW-Chef, „mit diesem Maulkorb muss Schluss sein“. Er plädiert dann noch für „eine geistige Öffnung“ für Naturheilkunde – und gegen „sogenannte Wissenschaftler“, die in der Pandemie „sagen, was wir tun sollen“.

Fast eine Stunde spricht Hubert Aiwanger. Nach der Deutschlandhymne feiern ihn die Leute mit Sprechchören: „Hubert! Hubert! Hubert!“

Einen wie den Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte würden sich Ronja Endres und die Bayern-SPD wohl auch wünschen.
Einen wie den Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte würden sich Ronja Endres und die Bayern-SPD wohl auch wünschen. (Foto: IMAGO/Lindenthaler)

SPD

Das erste Wort ist nicht gesprochen bei der SPD, schon fürchten manche Schlimmes. „Ja, leck mich am Arsch“, fasst ein Genosse auf gut Bairisch die Lage im Härteis-Zelt zusammen: die vorderen Reihen mit Parteifreunden besetzt, die Tische dahinter umso verwaister. Das sah früher anders aus. Vom diesjährigen Starredner Andreas Bovenschulte, dem Bürgermeister von Bremen, dürften noch nicht alle in Niederbayern gehört haben. Und die ersten Reden laden inhaltlich wenig zum Schunkeln ein. Ein Gewerkschafter berichtet über die Krise der Industrie, die SPD-Landesvorsitzende klagt über die kommunalen Finanzen.

Immerhin füllen sich die Tische mehr. Die Landesvorsitzende Ronja Endres lobt Markus Söder für seine Dönermarke: Beim Döner sei er besser aufgehoben als in der Staatsregierung, „ich wollte schon sagen, im Plenum, aber da ist er ja nie“. Bovenschulte motiviert sogar zum Mitsingen. Unter seiner Anleitung schallt der Queen-Klassiker „We Will Rock You“ durchs Zelt. Auch bei ihm geht es immer wieder um Söder, „beim Meinungen wechseln macht dem so schnell keiner was vor“, spottet der Bremer. Oder dass man sich im Norden beim Essen nicht fotografiere, „aus Rücksicht auf das ästhetische Empfinden unserer Mitmenschen“. Später befindet Ruth Müller, Generalsekretärin der Bayern-SPD: Dass das Bierzelt gerockt werde, da habe man warten müssen, „bis einer aus Bremen kommt“. Klar, ein Verweis auf die Queen-Einlage. Aber über Unterstützung im Kommunalwahlkampf würde sich die SPD trotzdem freuen. Vielleicht sollte Bovenschulte mal für eine Woche herkommen, sagt Müller, „nimmst dir ein Zimmer“.

Tino Chrupalla (Mitte), Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, steht beim politischen Frühschoppen auf dem Volksfest Gillamoos im Schlossgarten auf der Bühne der AfD.
Tino Chrupalla (Mitte), Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, steht beim politischen Frühschoppen auf dem Volksfest Gillamoos im Schlossgarten auf der Bühne der AfD. (Foto: Daniel Löb/dpa)

AfD

Punkt 10 Uhr läuten die Kirchenglocken in Abensberg und hüllen den Freiluft-Frühschoppen der AfD im Schlossgarten in einen Klangteppich. Der Zulauf ist heute enorm, der Garten sogar voller als in Wahljahren, Stehplätze auf dem ganzen Gelände. Die Glocken jedenfalls sind prompt ein Aufreger, „Dreckskirche“, schimpfen die einen, Sabotage durch den Pfarrer, zetern die nächsten. Christentum taugt in der AfD offenbar nur noch als Argument, wenn es gegen den Islam geht. Wie an diesem Vormittag reichlich in Reden zu hören.

Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner bietet klassische AfD-Kost: Ihre Partei an der Macht werde „abschieben, bis die Startbahnen in München glühen“, ruft sie. Unter den „Kartellparteien“ sei die CSU die schlimmste: Söder, „die Heißluftpumpe“, esse lieber Döner als Schweinebraten, habe quasi kein Herz für die niederbayerischen Saubauern. Hm, sie sollte Söders Speiseplan auf Instagram vielleicht doch noch mal genauer studieren. Die AfD hat auch den Aktivisten Serge Menga eingeladen, gebürtiger Kongolese, mit elf Jahren nach Deutschland gekommen. Er halte nichts von politischer Korrektheit, sagt er, man dürfe einen „Neger“ bestellen im Lokal, ein Gemisch aus Bier und Cola. Und man dürfe „nicht überall Rassisten sehen“, wenn einer seine Meinung sage, nicht „mit der Nazi-Keule“ kommen. Zur Migration seit 2015 findet Menga: „Die Liebe, die wir ihnen entgegengebracht haben, wurde verraten.“

AfD-Bundeschef Tino Chrupalla kommt mit wenig Gags auf die Bühne, dafür viel Programmatik – „Klimawahn“, deutsche Rentner in Armut, „Bürgergeld als Migrantengeld“. Auch ohne Show-Einlagen erhält er viel Applaus. Am meisten bei der Forderung nach einem Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine, dies seien „Milliarden für ein korruptes Land“. Und man lasse nicht „unsere Kinder und Enkelkinder für diesen sinnlosen Krieg verheizen“.

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der bayerischen Grünen, hat mit ihrem Auftritt im Weinzelt das Publikum schnell auf ihrer Seite.
Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der bayerischen Grünen, hat mit ihrem Auftritt im Weinzelt das Publikum schnell auf ihrer Seite. (Foto: Lukas Barth/dpa)

Grüne

Die Grünen treffen sich traditionell in einem Weinstadl. An den voll besetzten Tischen sieht man aber vor allem Bierkrüge. Auch auf der Karte findet sich das normale Bierzelt-Menü inklusive dem 1/2 Gillamoos Hendl wohlgemerkt. Nicht dass hier einer auf die Idee käme, was von einer Verbotspartei zu schreiben. Dass man gegen derartige Vorurteile ankämpfen muss – aus Sicht von Grünen-Frontfrau Katharina Schulze ist daran zu einem guten Teil der Ministerpräsident persönlich schuld. Söder hetze in Dauerschleife gegen die Grünen, gegen das Gendern, gegen Frauen auf dem Richterstuhl am Bundesverfassungsgericht. „Aber was erwarten wir von einer Union, die stumpfsinniger und breitbeiniger wie ein Brauerei-Gaul daherkommt“, fragt sie angriffslustig. Schulze ist laut, haut drauf und hat das Publikum schnell auf ihrer Seite. Im Wahlkampf 2023 wurde sie ausgepfiffen, ein Mal flog ein Stein. Dagegen ist der Weinstadl ein Heimspiel. Das Publikum ist grünenfreundlich oder zumindest neugierig. Viele sind wegen des neuen Bundesparteichefs Felix Banaszak hier. „Wir wollen Banaszak sehen, Söder kennen wir schon“, sagt einer.

Banaszak kommt im hellen Janker, den er sich extra für den Auftritt in einem bayerischen Trachtenladen in Berlin gekauft hat. Auch er versucht sich an Witzen über den, „der mit der Wurst tanzt“. Banaszak wirkt aber blasser als seine Vorrednerin, er ist auch nicht in Bestform, in der Woche vorher war er richtig krank, erfährt man.

Selbstkritisch gibt sich bei den Grünen Landespartei-Chefin Gisela Sengl. Sie bewirtschaftet einen Biobauernhof und ist seit 40 Jahren bei den Grünen, weil die Partei die Landwirtschaft schon immer ernst genommen habe. „Wir Grünen essen gerne und uns ist eben nicht wurscht, woher die Lebensmittel kommen und wie sie produziert werden.“ Nur komme das bei den Bauern nicht an. „Das Tuch zwischen uns und den Bauern ist scheinbar zerrissen“, sagt Sengl und bittet: „Können wir den Graben, der da zwischen uns ist, nicht einfach wieder zuschütten?“

FDP, ÖDP, Bayernpartei

Nicht nur die fünf im Landtag vertretenen Parteien geben sich jedes Jahr beim Gillamoos die Ehre. Es sind acht. Als einzige ebenfalls auf dem Festplatz in einem Zelt vertreten, ist die bayerische FDP, die sich in diesem Jahr vor allem an den Schulden der Bundesregierung abarbeitet – und an der „Kehrtwende“ von CSU und Freien Wählern. Diese Wenden seien es, „was Menschen von der Politik wegtreibt“, kritisiert FDP-Bundeschef Christian Dürr. Statt Schulden zu machen, müsse die Bundesregierung endlich auch unangenehme Entscheidungen treffen, um das Land voranzubringen: „Nicht das Geld ist ein mangelnder Faktor, sondern Politiker, die mutige Reformen durchsetzen und dafür kämpfen. Das braucht Deutschland nämlich jetzt dringend: endlich echte Reformen. Und nicht mehr Schulden!“

Agnes Becker, die bayerische ÖDP-Chefin greift Ministerpräsident Söder in Stanxxs Aumühl Stub’n ebenfalls für eine seiner Kehrtwenden an: Zwar hatte Söder sich einst an die Spitze der Bewegung „Rettet die Bienen“ ge- und für Artenvielfalt eingesetzt, aber am Gillamoos wirft Becker ihm vor, das Ergebnis des Volksbegehrens nun „schleifen“ zu wollen. Das ist aus ihrer Sicht der Grund hinter dem Versuch, die Berichtspflicht der Staatsregierung abzuschaffen. „Die Wahrheit ist nämlich, dass die Söder/Aiwanger-Regierung die selbstgesetzten Ziele beim Klimaschutz und die durch das Volk gesetzten Ziele beim Artensterben drastisch verfehlen wird, wenn sie so weitermacht. Wenn dann die beschämenden Zahlen auch noch aus den Berichten der eigenen Behörden kommen, ja, dann müssen halt die Berichte weg.“

Ums Geld geht es auch im Gasthaus Jungbräu bei der Bayernpartei. Die Ermahnungen zum Sparen und das Einstimmen auf Einschnitte bei Sozialleistungen aus Berlin nennt Robert Böhnlein, Generalsekretär der Bayernpartei, „eine ganz üble Ablenkung“.  Die Regierung suhle sich in „ihrer Misswirtschaft“ und zeige „mit dem Finger“ auf die Bürger, statt sich der Realität zu stellen. Beleg dafür sei, dass Geld in „absurdeste Projekte und Organisationen fließe“, während Renten- und Sozialkassen „ausbluten“.

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