So will Thomas Müller mit Vancouver die Play-Offs gewinnen | ABC-Z

Seit seiner Ankunft an der kanadischen Westküste hat der Mann mit der Nummer 13 schon oft gezeigt, dass er der Prototyp eines Jokers ist. Gemeint ist allerdings in diesem Fall die Spielkarte, nicht das Synonym für Einwechselspieler. Beweglich, treffsicher, kaum auszurechnen und in kritischen Augenblicken zur Stelle – so etwas fällt ins Auge. Zumal in der nordamerikanischen Fußballliga Major League Soccer (MLS) nur wenige der dreißig Teams eine solches Ass im Ärmel haben.
Das galt in der Vergangenheit auch für die Vancouver Whitecaps, deren glanzlose Bilanz der letzten vierzehn Jahre Beleg für Ambition auf kleiner Flamme ist. Verziert von gelegentlichen Kuriositäten wie den Play-offs im vergangenen Jahr, als man zum Auftakt auf das Heimrecht verzichten musste, weil die Arena just an diesem Tag mit einer Motocross-Veranstaltung ausgebucht war.
Müller setzt in Kanada bisher auf Torschüsse statt Scherze
Aber Thomas Müller hat sich noch nie mit der einen Bedeutung des Begriffs „Joker“ zufriedengegeben. So konnte er sich bereits an seiner ehemaligen Wirkungsstätte einen Namen als „deutsches Komödien-Genie“ machen. Dieses Gütesiegel hatte ihm mal „Daily Mirror“ verliehen, nachdem sich dessen Stegreifhumor bis nach London herumgesprochen hatte.
An seinem neuen Arbeitsplatz hat er sich in diesem Bereich bislang deutlich zurückgehalten. Und das sicher weniger aus Sorge darum, ob man in Kanada überhaupt seine Gags versteht. Vermutlich hatte es eher damit zu tun, dass er sich in der neuen Umgebung nicht gleich als Witzbold mit gut platzierten Pointen empfehlen wollte, sondern mit perfekt sitzenden Torschüssen. Es ging von Anfang an in erster Linie um den sportlichen Mehrwert: „Mir war wichtig, dass die Mannschaft konkurrenzfähig ist“, sagte er über seine Beweggründe für den Wechsel. „Ansonsten macht es in dieser Phase meiner Karriere keinen Sinn, zu einem Verein zu gehen, nur um dort rumzuhängen.“
Vor ein paar Tagen aber muss es ihn dann doch ein wenig gejuckt haben. Und er ließ einen Testballon los. Der reiste weit und landete gut 2000 Kilometer südlich an der Pazifikküste. Das Ziel: Son Heung-min, der prominenteste Spieler von Los Angeles FC, dem Gegner am Samstag in der zweiten Runde der Play-offs. Der Südkoreaner, zuletzt Kapitän bei Tottenham Hotspur und davor beim Hamburger SV sowie bei Bayer Leverkusen unter Vertrag, war ebenso wie Müller im August in der MLS eingetroffen und stieg dort sogleich hinter Lionel Messi zum zweitbestbezahlten Spieler der Liga auf (mit einem Jahresgehalt von umgerechnet rund 10 Millionen Euro, auf Platz eins: Lionel Messi mit umgerechnet 18,5 Millionen Euro). „Es ist vermutlich nicht wirklich fair, die Situation zu vergleichen. Als er in Hamburg war, haben wir sie mit den Bayern jedes Mal vernichtend geschlagen. Mit Resultaten wie 8:2 oder 9:1.“
Witzig klang das nicht. Aber so spitz und deutlich, dass eine amerikanische Clickbait-Plattform namens „Talk Sport“ Müllers Relativierungen („Wir stehen beide in zwei sehr guten Mannschaften. Er ist ein wichtiger Spieler. Und ich bin ein wichtiger Spieler. Das ist also eine andere Situation“) gezielt ignorierte und zu einer „brutalen Ansage“ hochstilisierte. Das wiederum griff die koreanische Internetplattform Chosun auf und stufte ihrem Millionenpublikum gegenüber das Ganze als „eine Art Psychospielchen“ ein. Überschrift: „Müller stichelt gegen Son Heung-min“.
Eine weitere kritische Einschätzung zur Begegnung am Samstag ging völlig unter. „Seit Son dazugekommen ist, hatten sie es nicht ein einziges Mal mit einer Mannschaft zu tun, die mit so viel Intensität spielt wie wir. Und ich bin mir nicht sicher, dass sie damit umgehen können“, sagte Müller gegenüber Journalisten. „In einer solchen Begegnung kann viel passieren. Aber ich fühle mich sehr wohl.“
Statt in der ersten Runde mit einer Best-of-three-Serie, die Vancouver gegen Dallas FC mit einem klaren sowie hart umkämpften Sieg für sich entschied, kommt in dieser Runde der Gewinner dieser einen Partie weiter. Die nächste Station wäre das Finale der Western Conference und damit die Runde der letzten vier.
Müllers Vancouver ist gegen Sons Los Angeles leicht favorisiert
Die Buchmacher sehen das übrigens nicht viel anders. Sie stufen das kanadische Team als leichte Favoriten ein. Jene Mannschaft, die in den letzten Jahren immer wieder von Los Angeles FC in den Play-offs geschlagen wurde. Was bei den Altvorderen wie dem nach langer Verletzungspause zurückgekehrten Kapitän und teuersten Spieler, dem Schotten Ryan Gauld, einen „bitteren Nachgeschmack“ hinterlassen hat.
Was für Vancouver spricht? Zuallererst der Heimvorteil. Der BC Place mit seinen 53.000 Sitzplätzen ist ausverkauft, und die Whitecaps sind eine der besten Heimmannschaften in der Liga. Dazu kommt die Rückkehr mehrerer verletzter Spieler, die wie Gauld zu den wichtigen Stützen gehören. Und der taktisch penible dänische Trainer Jesper Sørensen, der eine Verteidigung auf die Beine stellen kann, die in der Lage ist, schnelle Konter des Gegners und damit eine wesentliche Stärke von Los Angeles FC zu neutralisieren. Zu den gefährlichen Stürmern gehört neben Son Denis Bouanga aus Gabun, der in der regulären Saison 24 Tore erzielt hatte. Damit belegte er in dieser Wertung Platz zwei hinter Messi mit 29 Treffern.
Mit einem Sieg am Samstag hätten die Whitecaps schon viel erreicht. Aber selbst das wäre Thomas Müller nicht genug, dessen Einkünfte in der kommenden Saison zwar nicht in dieselbe Stratosphäre schießen werden, in der Messi und Son abkassieren. Aber sollten die Spekulationen eintreffen, die ihn bei um die sechs Millionen Euro sehen, wäre er auf jeden Fall der teuerste Mann in Vancouver.
Müller will sein Kanada-Abenteuer im kommenden Jahr jedenfalls fortsetzen. „Ja – volle Attacke“, antwortete der Fußballweltmeister von 2014 im „Kicker“ auf die Frage, ob er definitiv eine zweite Saison bei den Vancouver Whitecaps in der nordamerikanischen MLS spielen werde. „Unsere Mission ist noch nicht zu Ende“, sagte er schon vor ein paar Tagen. „Wir denken zwar nur über dieses eine Spiel nach. Aber wir haben weitere Pläne.“ Und das hörte sich ganz und gar nicht nach einem Witz an.





















