So will die SPD die deutsche Stahl-Industrie retten | ABC-Z

Die beiden SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Bärbel Bas machen die Rettung der deutschen Stahlindustrie zur Chefsache und wollen die gesamte schwarz-rote Bundesregierung auf eine entschlossene Industriepolitik zugunsten der angeschlagenen Schlüsselbranche verpflichten.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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In einem detaillierten Strategiepapier, das das SPD-Präsidium am Montag beschließen soll und das dieser Redaktion vorab vorliegt, fordern der Vizekanzler und die Arbeitsministerin einen Vorrang für deutschen und europäischen Stahl bei Rüstungs- und Infrastrukturprojekten. Sie treten überdies für einen robusten Handelsschutz gegen Dumping-Stahl aus Drittländern und niedrigere Energiepreise ein, fordern eine aktive Unterstützung der Branche beim Übergang zur klimaneutralen Produktion sowie eine Stärkung von Tarifbindung und Mitbestimmung der Beschäftigten.
Stahlproduktion in Salzgitter: Die Branche ist in einer schwierigen Lage. Unter anderem machen ihr hohe Energiekosten in Deutschland und weltweite Überkapazitäten zu schaffen.
© Hauke-Christian Dittrich/dpa | Hauke-Christian Dittrich
SPD-Papier: „Es geht hier nicht um Protektionismus“
„In diesen Zeiten großer geopolitischer Herausforderungen und unfairer Handelspraktiken auf dem Weltmarkt muss die EU ihre handelspolitischen Möglichkeiten nutzen, um europäische industriepolitische Interessen zu wahren und verstärkt Anreize für die Verwendung europäischer Produkte zu setzen“, heißt es in dem Beschlusspapier. „Es geht hier nicht um Protektionismus, sondern um die Durchsetzung fairer Wettbewerbsregeln und europäischer strategischer Interessen.“
Die Beschlussvorlage für das SPD-Präsidium wirbt ausdrücklich für einen „Buy European“-Ansatz. Dieser Begriff spielt auf die „Buy American“-Politik der Vereinigten Staaten an, also die Bevorzugung heimischer Produkte bei der öffentlichen Beschaffung.
Die beiden SPD-Chefs Lars Klingbeil und Bärbel Bas dringen auf stärkere Anstrengungen, um die Stahl-Industrie in Deutschland zu halten.
© Joerg Carstensen/dpa | Jörg Carstensen
Finanzminister Klingbeil sagte dieser Redaktion, die Zukunft müsse dem klimafreundlichen Stahl aus Europa gehören. „Wir müssen in wichtigen Bereichen wie unserer Infrastruktur bevorzugt Stahl nutzen, der hier produziert wird. Das gilt gerade jetzt, wenn wir mit unserem 500-Milliarden-Euro-Investitionspaket wie noch nie zuvor in unsere Infrastruktur investieren.“
Arbeitsministerin Bas ergänzte, eine starke Stahlproduktion sei unverzichtbar für den Industriestandort und auch eine Frage der nationalen Sicherheit. „Wir stehen an der Seite der Beschäftigten und ihrer Familien“, betonte die SPD-Vorsitzende, die selbst aus der Stahl-Stadt Duisburg kommt. „Die Zukunft einer deutschen Stahlproduktion können wir nur mit starker Sozialpartnerschaft sichern. Wir fordern die Unternehmen zu einer engen Zusammenarbeit mit den Betriebsräten und Gewerkschaften auf.“
In der deutschen Stahlindustrie arbeiteten nach Angaben des Branchenverbandes zuletzt mehr als 80.000 Menschen. Rund vier Millionen Arbeitsplätze gab es demnach aber in stahlintensiven Sektoren wie dem Automobil- oder dem Maschinen- und Anlagenbau, was zwei von drei Industriearbeitsplätzen in Deutschland entspreche.
Stahl: China flutet die Märkte mit billigen Erzeugnissen
Gegenwärtig leidet die Stahlindustrie aber unter der Krise in wichtigen Abnehmerbranchen, viele Beschäftigte bangen um ihre Jobs. Auch andere Faktoren machen den Stahlherstellern und ihren Belegschaften zu schaffen: Energie ist in Deutschland deutlich teurer als in anderen Ländern. Weltweit gibt es in der Stahlproduktion enorme Überkapazitäten, Länder wie China und Indien fluten die Märkte mit ihren Erzeugnissen zu Billigpreisen.
Die Europäische Union wirft insbesondere China vor, den dortigen Herstellern im großen Stil staatliche Hilfen zukommen zu lassen und ihnen damit unfaire Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Hierzulande wiederum tun sich Hersteller wie ThyssenKrupp, Arcelor Mittal oder Salzgitter schwer mit dem kostspieligen Umbau der Produktion hin zu klimaneutralem „Grünen Stahl“. Neue US-Zölle erschweren überdies den Export europäischen Stahls in die Vereinigten Staaten.
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Am vergangenen Mittwoch waren Finanzminister Klingbeil, Arbeitsministerin Bas sowie Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) in Berlin mit Stahl-Betriebsräten sowie Gewerkschaftern zusammengekommen, um die Probleme der Branche und mögliche Lösungen zu erörtern. Das Treffen sollte als Vorbereitung dienen für einen „Stahl-Gipfel“, den Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) für diesen Herbst plant.
Energie: Industriestrompreis soll so schnell wie möglich kommen
Nach den Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern sicherten Klingbeil und Reiche zu, dass die Bundesregierung so schnell wie möglich einen Industriestrompreis einführen werde. Dafür bedarf es aber der Zustimmung der EU-Kommission. Bis zum Ende des Jahres sollen die Verhandlungen mit den Brüsseler Wettbewerbshütern abgeschlossen sein. Zu Beginn des kommenden Jahres sollen die Stahl-Hersteller sicher wissen, dass der Industriestrompreis kommt. Die Erstattung soll dann rückwirkend mit dem Haushalt 2027 erfolgen.
Auch das SPD-Papier greift das Thema Industriestrom jetzt auf. „Die Energiekosten für die energieintensive Industrie in Deutschland sind nach wie vor hoch“, heißt es darin. Finanzminister Klingbeil hatte Mitte der Woche deutlich gemacht, dass zur Entlastung der Unternehmen Geld aus dem Klima- und Transformationsfonds mobilisiert werden soll, einem Sondertopf des Bundes. Eine konkrete Summe nannte er aber nicht. Gewerkschaftsvertreter äußerten nach dem jüngsten Treffen mit den Ministern die Erwartung, dass der Strompreis für Firmen mit großem Energiebedarf künftig bei maximal fünf Cent pro Kilowattstunde liegen dürfe. Bislang beträgt er häufig ein Vielfaches davon.















