So war Folge 14 – Ethan und Josy überzeugen Heidi Klum | ABC-Z

Seit 20 Staffeln rekrutiert Heidi Klum quotenrelevanten Modelnachwuchs zur Donnerstagsprimetime. Von Tag eins an stand „Germany’s Next Topmodel“ dabei für seinen Umgang mit sehr jungen Frauen stärker im Kritikfokus der hypersensiblen deutschen Öffentlichkeit als Friedrich Merz für seinen Umgang mit „kleinen Paschas“.
Linke Ränder des nationalen Diskurskorridors halten GNTM für eine abscheulich antifeministische Sexismus-Doku. Rechte Ränder stört es, dass GNTM phänotypisch nicht ausschließlich auf streng teutonisches Mädchenmaterial setzt. Beide Lager sind sich sicher: GNTM ist das Sinnbild des kulturellen und intellektuellen Niedergangs dieses Landes. Wenn man also so will, hat GNTM das Phänomen Hufeisentheorie bereits entlarvt, als es das Phänomen Hufeisentheorie noch gar nicht gab.
Man darf von Heidi Klums Influencer-Trainings-Format also halten, was man will. An Abenden wie dem der S20E14 wird aber klar: Man kann ihr nicht vorwerfen, sie würde ihre Teilzeit-Schutzbefohlenen nicht auf die Realitäten der Entertainment-Branche vorbereiten. Heute etwa robotet der mittlerweile in Los Angeles angekommene Topmodelkader fremdgesteuert als Marionetten über den Catwalk. Fremde Menschen, die man nie sieht, ziehen die Strippen für blutjunge Rampensäue, die sich unten auf dem Boden der Tatsachen der Unterhaltungs-Industrie Mühe geben, dabei nicht unterzugehen. S20E14 übrigens, das nur für alle, die noch in der „Hörzu“ nachschauen, ob Sonntag wieder pünktlich der „Tatort“ läuft, ist die fancy Abkürzung für: Staffel 20, Episode 14.
Lieber Mario Nette als Mario Barth, aber für Models gilt das nicht
Und Staffel 20, Episode 14 startet mit einem weiteren Eingriff in das Grundkonzept des zweitberühmtesten Sendeformats im Fernsehen, bei dem jungen Menschen jäh ihren Traum von einer goldenen Zukunft begraben müssen – nach „Bundestagswahl live“. Statt zwei Folgen pro Woche nun eine Folge auf zwei Wochen – GNTM betreibt seine eigene Art der Zeitdehnung. Anders kann man kaum erklären, warum die komplette Sendezeit für nur einen Runway-Auftritt verschlissen wird und am Ende sogar Bilder vom Shooting der Vorwoche verteilt werden, da für anständige Fotoproduktionen in dieser Woche wohl kein Budget mehr verfügbar war.
Ein weiteres Indiz für die gnadenlose Content-Ausdehnung: Kevin, Katharina, Felix und Canel tummeln sich inzwischen bereits seit zwei Wochen auf der Berliner Fashion Week. Die dauert allerdings im sogenannten echten Leben genau drei Tage. Die langweiligste GNTM-Folge der Welt trifft auf die längste Fashion Week der Historie. Weihnachten und Ostern zusammen somit für alle Schlafgestörten, die nur bei wirklich extrem langweiligen TV-Programmen einschlafen können. Vielleicht ist das alles aber auch nur taktische Raffinesse, um Kevin, Katharina, Felix und Canel bis zum GNTM-Finale in Berlin auf einer Art virtuellem Fashion Week-Monat zu parken, damit sie alle parallel in Los Angeles stattfindenden Aussortierungsrituale offiziell schwänzen und somit nicht aussortiert werden können.
Nach dem Zotenfestival der vergangenen Woche, als eine vollkommen hemmungslose Klum gemeinsam mit Fotografin Ellen von Unwerth ein Bikini-Carwash-Szenario erschuf, bei dem es dann stundenlang nur noch um Schläuche, Abspritzen, Wet-T-Shirts und Pornooutfits ging, wirkt der heutige Marionetten-Walk wie Kasperltheater im Theaterfundus der Augsburger Puppenkiste.
Humoristen sagen ja immer: Lieber Mario Nette als Mario Barth, aber für Models gilt das nicht. Das Spektakulärste an der Folge bleibt daher noch die medizinische Erkenntnis, dass Heidi Klums Namensgedächtnis im Alter auch nicht unbedingt besser wird. Zwar hat sie bei rund 500 Top 25 Kandidaten in den letzten 20 Jahren so ziemlich jeden Namen schon mal im Ensemble gehabt, warum sie allerdings Samuel über die gesamte Folge hinweg konsequent Sam nennt, bleibt ihr Geheimnis.
Nawin philosophiert unterdessen über den Schwierigkeitsgrad der heutigen Aufgabe. Auf einen halbwegs brauchbaren Erfahrungsschatz kann er dabei nicht zurückgreifen: „Das wird schwierig, ich habe ja sonst mit Marionetten nichts zu tun!“ Wie auch, er hat ja für nichts Zeit. Wie soll jemand, der 12 Stunden am Tag mit der akkuraten Sitzstruktur seiner Haare beschäftigt ist, nebenbei noch Puppentheater spielen? Da helfen auch ein paar pragmatische Tipps von Pierre nicht: “Du musst halt einfach denken, da ist oben einer, der bewegt deine Gelenke!“ Jemand von oben, der deine Gelenke bewegt. Ein Horror-Szenario für jeden Orthopäden.
„Hä? Over the Top? Also ich mach nix oben ohne!“
Zum Glück äußert sich nicht nur Pierre, sondern auch jemand vom Fach. Und dann noch Heidi Klum. Die verrät Geheimfavoritin Zoe, wie man bei einem solchen Walk punktet: „Man muss außergewöhnlich und over the top sein!“ Wie Marionetten eben sind. Wären beispielsweise das Sandmännchen oder Lukas, der Lokomotivführer nicht gelegentlich over the top gewesen, wären sie auf einer Insel mit zwei Bergen und dem tiefen weiten Meer, mit viel Tunnels und Geleisen und dem Eisenbahnverkehr für immer unbekannt geblieben. Dass Zoe diesen Hinweis gewinnbringend verarbeiten kann, scheint zunächst unwahrscheinlich. Ihr Gesichtsausdruck sagt eher: „Hä? Over the Top? Also ich mach nix oben ohne!“

Aber Entwarnung. Die Marionetten-Show ist kein verklausuliertes Nacktshooting. In Zweierpaaren geht es, weitestgehend vollständig bekleidet, auf den Puppenlaufsteg. Die per Losverfahren zugeordneten Pärchen sollen dabei eine selbst erfundene Story erzählen. Wie das gehen soll, so an Seilen hängend, leuchtet nicht allen Bewerbern sofort ein. Damit sind sie aber nicht allein.
Auch Gastjurorin Adriana Lima zeigt sich sparsam gehyped. Spätestens als Klum ihrer jahrzehntelangen Wegbegleiterin erläutert, sie sähe ja über dem Runway schon „die Kreuze und die Seile“, steigt Lima inhaltlich aus. Adriana Lima wurde streng katholisch erzogen, wollte als Kind Nonne werden und geht noch heute jeden Sonntag in die Kirche. Fast spürt man, wie sie denkt: „Wenn hier gleich jemand ans Kreuz genagelt wird, bin ich raus!“ Wobei sie als anständige Katholikin natürlich spätestens Ostersonntag wieder da wäre.
Leider ist der Papst nicht anwesend, um Lima schnell prominent die Beichte abzunehmen. Den hat nämlich Kandidat Kevin in der Tasche, der sich während des Puppet-Walks in Los Angeles auf der Berliner Fashion befindet. Dazu aber später mehr. Um sich vom blasphemischen Schock durch Model-Ketzerin Heidi Klum zu erholen, flieht Adriana Lima umgehend in den Backstage-Bereich und übernimmt spontan das Catwalk-Teaching. Kandidatin Lisa quittiert den Auftritt der Victoria’s Secret Legende mit einem stabilen Klum-Bashing: „Endlich sehe ich mal ein echtes Supermodel!“ Die Frau von Tom Kaulitz nimmt das aber erstmal gelassen. Kein Wunder. Wenn wir eines aus 20 Staffeln GNTM gelernt haben, dann folgendes: Heidi Klum hat das Nachtrage-Gedächtnis eines Elefanten mit Supercomputer und serviert ihre Rache stets kalt. Das Finalticket kann Lisa also schon mal begraben.
Logisch und durchdacht wie eine Zoll-Ankündigung von Trump
Vielleicht ja in der Comfort Zone, da wäre heute nämlich relativ viel Platz. Zoe jedenfalls fasst die Challenge des Tages wie folgt zusammen: „Wir müssen krass out of comfort zone!“ Und da liegt sie richtig, denn wie jeder Absolvent der Thomas Hayo Privatschule für angewandtes Denglish weiß: Besser krass out of comfort zone als krass out of the Wettbewerb geworfen. Um genau das zu verhindern, werden unterschiedliche Taktiken eingesetzt. Der mit Xenia antretende Faruk setzt auf Gesichtsausdrü Ja, genau. Puppen, die Grimassen schneiden. Wer kennt sie nicht? Grüße an Chucky an dieser Stelle.

Als die ersten Paare nach ihrem Walk direkt mit einem Foto und damit der Eintrittskarte in Episode 15 bedacht werden, andere aber fotolos vom Laufsteg zurückkehren, wird sogar Haarmodel Nawin nervös: „Ich finde es schon ein bisschen komisch, dass hier eine Gruppe rauskommt, die keine Fotos bekommen hat, aber andere sind hier schon, die ein Foto haben. Da weiß man ja auch nicht, was das bedeutet?“ Nun ja, da könnte ein Blick ins Regelwerk helfen: Wer klar überzeugt, wird sofort weitergeschickt. Wer geschwächelt hat, wackelt und muss bis zum finalen Urteil der Fashionjury unter Vorsitz von Modelrichterin Klum noch zittern.
Nicht zittern müssen Ethan und Josy. Josys auf Leistungsvertrauen aufgebaute Taktik geht auf: „Ich gebe einfach mein Bestes und Heidi wird das schon sehen, wenn es ihr gefällt!“ Eine Kausalkette, so logisch und durchdacht wie eine Zoll-Ankündigung von Donald Trump. Heidi Klum ist aber ohnehin kein großer Fan von überkomplexen Gedankenspielen und honoriert Josys zielgenaues Vorgehen umgehend: „Ihr seid meine Lieblingsperformance, auch wenn ich eure Geschichte nicht verstanden habe!“ Ein noch signifikanteres Kompliment erhält anschließend Eva: „Guck mal, was die für ein schönes Gesicht macht!“ Was das Thema gemachte Gesichter angeht, kommt Eva diese Woche also schon mal besser an als Carmen Geiss.
Analogie zu Uli Hoeneß: Sie „hat gesessen!“
Als dann Keanu und Aaliyah auf den Laufsteg müssen, fiebert vor allem Pierre mit: „Ich war nervöser als wie vor meinem Walk!“ Nervöser ist er eigentlich nur bei Deutsch-Klausuren. Viel hilft seine Nervosität nicht, Keanu wird von Klum exmatrikuliert. Das größte Kompliment des Abends erhält derweil Zoe. Klum findet bei ihrer Leistung sogar eine Analogie zu Uli Hoeneß: Sie „hat gesessen!“ Am Ende zieht Klum neben Keanu auch bei Annett den GNTM-Stecker. Irgendwie kein schönes Ende einer Modelreise: Man kommt bin bis in die 14. Folge, aber dann versagt man als Marionette.
In Berlin versagt parallel dazu niemand. Katharina eröffnet sogar die Show von Marcel Ostertag. Das größte Lob holt sich dennoch Kevin ab. Designer Kilian Kerner attestiert: „Du bist einer der Kandidaten in 20 Jahren GNTM mit dem meisten Potenzial!“ Aber auch Moritz kann auf Kilian Kerners Laufsteg umfangreich abcashen. Sein Geheimrezept: “Ich habe auf dem Laufsteg an nichts gedacht, aber das hat sich schon cool angefühlt!“ Nach 14 mühevoll ertragenen Folgen endlich der erste Satz für die GNTM-Geschichtsbücher. Moritz vereint einfach die beiden Dinge, die er am besten kann: Nicht denken und dabei cool sein. Warum sollte man sich auch das Leben schwermachen und bei der Arbeit an irgendwas denken? Ob er sich mit seiner Nicht-Denken-Taktik bis in die Top 10 katapultiert, das verrate ich kommende Woche. Bis dann.