Bezirke

So war das Konzert von Roland Kaiser in der Münchner Olympiahalle – Bayern | ABC-Z

Star des Abends ist Maria. Die Haare tipptopp onduliert, dirigiert sie mit fein in die Luft zeichnenden Händen die Kapelle. Die 16 Musiker sehen das nicht, denn Maria sitzt in Block F1 in der Olympiahalle, aber ganz sicher kommt etwas oben auf der Riesenbühne an. Marias seliges Lächeln strahlt aus, steckt drei Stunden lang die Menschen um sie herum an. Oft kommen junge Frauen mit lila blinkenden Kaiser-Krönchen im Haar zu ihr gelaufen, beugen sich herunter, um ihr die Aufwartung zu machen, sie ungläubig zu fragen, wie alt sie sei. 98 sagt sie dann und lächelt. Dann ist sie wieder ganz in der Musik, bei altvertrauten Liedern wie „Dich zu lieben“ ebenso, wie beim erst neulich erschienenen „Melancholie“.

Maria ist eine von 11000 Besucherinnen und Besuchern bei diesem Roland-Kaiser-Konzert. Die Bandbreite ist groß: betrunken knutschende Ehemänner, Arme schwingende Kinder, selbstbewusst jede Zeile mitsingende Frauen mitten im Leben. Etwas eint sie. Der 73 Jahre alte Gastgeber hat sie gleich vor dem zweiten Lied auf Linie gebracht: „Der Ton zwischen den Menschen wird zunehmend rauer“, sagt Kaiser, jeder hier weiß, dass er vor zehn Jahren die Pegida angriff und nun auch auf die AfD zielt, wenn er fordert: „Lassen Sie uns den Abend mit Respekt und Achtung voreinander verbringen.“ Es ist ihm ein Anliegen, dem Schlager-Gentleman, der 2016 und 2021 für die SPD den Bundespräsidenten mitwählte. Und sie folgen ihm und feiern sein Song-Manifest „Achtung und Respekt“ von 2025 wie am Ende die „Sieben Fässer Wein“ (mit Ed-Sheeran-Intro) und die Bierzelt-Sause „Joana“ (mit „Radio Gaga“-Intro).

Oder später, als er in „Liebe kann uns retten“ (2019) hofft: „Das Böse hat noch nicht gewonnen … ich sehe weiße Fahnen wehen“, da ziehen die Fans reihenweise Taschentücher und schwenken sie wie Friedensaktivisten. Es ist ein verabredetes Ritual, wie man es auch von den Swifties von Taylor Swift kennt. Und Kaiser ist in dieser Liga angekommen. Zumindest hierzulande und dem Anspruch nach, sein neues Album „Marathon“ sei von großen amerikanischen Produktionen inspiriert, schreibt er. Die Hightech-Kulisse der Hallentour 2025 hat er sich von der Agentur Stufish maßschneidern lassen, die auch die Bühnen für die Rolling Stones und Adele in München designt hat. Größer sah man den Kaiser nie als auf diesem LED-Gebirge. Zwei James-Last-artige Tribünen präsentieren seine großartige Band unter der Leitung von Joachim Radloff gebührend und geben ihr viel Spielraum. Das stramme Bläsertrio mit tief aufgeknöpften Hemden und die Streicherinnen in eleganten Kleidern dürfen ausgelassen drum herum tänzeln.

Ein LED-Gebirge hat sich Roland Kaiser von den Bühnendesignern von Adele und den Rolling Stones bauen lassen. Hier beim Konzert in Bremen. (Foto: Frank Embacher)

Alle sind in Bewegung, schunkeln und jubeln. Es ist nicht der Abend der begnadeten Stimmen, aber der mit der eskaliertesten Stimmung. Der Ruhepol ist: Roland Kaiser. Höchstens fletscht er mal grinsend die Zähne, fährt mal den Arm aus, um auf seinen tollen Gibson-Gitarristen Jörg Weißelberg zu deuten. Der „Pornograf des deutschen Schlagers“ mit den engsten Hosen ist jetzt ein Botschafter im Peter-Frankenfeld-Smoking, verbindlich und vertraut wie ein Tagesschausprecher. Er erzählt oft von seiner Familie, seiner Schiffsreise um die Welt mit Ehefrau Silvia, der Geburt seiner Kinder, den Enkeln, in einem Song fragt er: „Was aus euch wird“.

Nach 51 Jahren im Geschäft macht Kaiser mehr und mehr den Udo Jürgens. Einen Chansonnier aber lassen sie ihn nicht mehr werden. Die Leute wollen – „humnana, humnana … Santa Maria“ – durch ihn das Prickeln spüren („Du, deine Freundin und ich“ im Dreier bei Knabbereien und Wein), und Kaiser steht zu seinen meist männerfantasievollen Frivolitäten, die auch Frauen anturnen. „Ich möchte, aber ich habe nichts gemacht, ich will nur spielen“, erklärt er, was die Leute denken – egal. „Wenn die Menschen sich die Mäuler zerreißen wegen mir, mach ich irgendwas richtig.“ Es folgt „Warum hast du nicht nein gesagt“ mit Techno-Drive, zusammen mit Helene Fischers etwa gleich altem „Atemlos“ der einzige echte große Schlagerspaß seit der ZDF-Hitparaden-Ära.

Es ist der Party-Peak vor den Zugaben. Der Gipfel der Gefühle aber ist ein Lied von Rosenstolz. Kaiser, der für Milva, Peter Maffay und viele andere geschrieben hat, wollte immer schon ein Lied mit den queeren Berliner Kollegen, 2024 nahm er es mit Anna R. auf, ein Jahr bevor sie starb. Der Titel ist die Botschaft: „Liebe ist alles.“ Und Maria lächelt und genießt.

Back to top button