So war Bonnie Tylers Konzert im Münchner Circus Krone – München | ABC-Z

Sie ist stolz. Immer noch. Man spürt das. 48 Jahre ist es im November her, dass die Single herauskam. Ihr erster Hit in Amerika – erzählt sie auf der Bühne. Um ehrlich zu sein: Denkt man so als Trockenübung an diesen Song, glaubt man, er müsse einem gleich zu den Ohren hinauskommen. Dann aber rollt die Nummer los im Circus Krone und mit den ersten Vibrationen ihrer Stimme nimmt sie alle mit. Wie seit 48 Jahren: „It’s A Heartache“.
Es ist doch verrückt: Jeder, der die Siebziger und Achziger bei Bewusstsein und mit Zugang zu einem Radio erlebt hat, kennt Bonnie Tyler. Wenn nicht den Namen, so diese Stimme. Unterhalb einer bestimmten Altersgrenze, ist Bonnie Tyler heute aus dem Bewusstsein verschwunden. Das hat durchaus Vorteile. Im gut gefüllten Krone feiert ein homogenes und bis in jede Faser begeisterungswilliges Publikum eine Künstlerin, die den Pop-Zirkus hinter sich und Freude an dem hat, was sie tut. Stünde sie nicht auf der Bühne, man könnte sie sich glücklich dreckig lachend bei einem Bingoabend in einem walisischen Pub vorstellen.
Viele ihrer Songs sind elektrisch geladen und versetzen den Hörern kleine Stromstöße der Erinnerung. Die aus dem Synthesizer eingespielte Akkordeonbegleitung in „Lost in France“ beispielsweise, die unaufhaltsam zum Refrain strebt: „Ooh la la la la dancing“. So heimelig fühlt sich das an wie die braune Samtcord-Liege aus den Siebzigern (die mit den Cordknöpfen). Und dann natürlich „Total Eclipse Of The Heart“, das verrückte Jim-Steinman-Teil, dass den Pathos-Rock noch ein paar Umdrehungen höher schraubt und ihn perfekt ausbalanciert und grundiert mit dem Pianoballadengefühl der Achtziger.
Hinter Bonnie Tyler steht eine unerschütterliche Vier-Mann-Band, die vom Siebziger-Rock-Drive zur schick geföhnten Pose umschalten kann. Ohne jede Eitelkeit, der Sound mit Keyboardflächen dezent perfekt verleimt, kicken sie im Kaltstart den ersten Song, das CCR-Cover „Have You Ever Seen The Rain“ von der Bühne ins Publikum, schaffen sich würdevoll durch das immer noch längliche „Faster Than The Speed of Night“, verbeugen sich vor Tina Turner mit „The Best“.
Das Tollste ist aber auch nach 50 Jahren noch Bonnie Tylers Stimme, die, dreht sie den Regler nur minimal auf, in eine wunderbar harmonische Verzerrung fährt – wie ein perfekt aufgesetzter Röhrenverstärker. Es liegt niemals an dieser Stimme, wenn ein Song nicht optimal funktioniert: „The Best Is Yet To Come“ von ihrem letzten Album, wäre vor vierzig Jahren ein Hit geworden, nur sind es in unserer Zeit andere Sounds, die Emotionen magnetisch anziehen und eine Nummer aus der Zeit heben. Bonnie Tylers ganz neue Single „Yes I Can“ will verzweifelt dem Zeitgeist gefallen und macht jeden Reiz mit großspurig hallenden Produktionsmätzchen und stumpf stampfendem Beat zunichte.
Egal. Oft sind die schönsten Dinge doch die, die man schon ein Leben lang kennt, und durch die Liebe so schön abgeschubbert hat, dass sie von Innen beginnen zu leuchten. 52 Jahre, erzählt Bonnie Tyler, ist sie im Juli mit Robert verheiratet. Robert ist natürlich auf der Tour dabei, ein ergrauter Gentleman im blauen Blazer, der am Ende des Abends kurz von der Bühne winkt und Bonnie ein Küsschen gibt.