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So viele Karenztage gibt es im Ausland | ABC-Z

Wenn ein Anspruch besteht, übernimmt in Schweden nach dem Karenztag zunächst der Arbeitgeber für 14 Tage die Kosten einer achtzigprozentigen Lohnfortzahlung, erst dann die nationale Versicherungskasse. Auch Teilzeit-Krankschreibungen sind möglich – was natürlich Auswirkungen auf die Zahl der Krankschreibungen hat. Fragt man Wissenschaftler, welche Rolle der Karenztag spielt, gibt es keine klare Antwort. Erstaunlicherweise ist nicht einmal klar, wie lange die Schweden im Durchschnitt krank sind. Dem nationalen Büro für Statistik betrug die Anzahl der Krankheitstage über alle Branchen hinweg nur 6,98 im Jahr 2023. Das Problem: In diese Zahl fließen jene nicht ein, die länger als 14 Tage krank sind.

Zudem gilt die Zahl nur für Angestellte. Die nationale Versicherungskasse wiederum gibt als durchschnittliche Krankheitszeit zwölf Tage an. Aber die Zahl sei kaum aussagekräftig, so ein Mitarbeiter der Kasse. Schließlich flössen darin wiederum diejenigen nicht ein, die in den 14 Tagen vorher krank waren. Fest steht einem Bericht der Versicherungskasse zufolge, dass der Krankenstand in Schweden etwas geringer ist als in den anderen nordischen Staaten (die alle keinen Karenztag kennen). Im Vergleich zu Deutschland ist er geringer.

Hohe Arbeitsmoral

Die von der Techniker Krankenkasse erfassten Fehlzeiten betrugen 2023 im Schnitt 19,4 Tage pro Person. Woran die Unterschiede genau liegen, kann keiner so genau sagen. Wer das Mysterium der Abwesenheiten erklären könne, solle den Nobelpreis bekommen, sagt Magnus Sverke, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Stockholm.

Einigkeit besteht bei den Forschern, dass der Karenztag dazu führt, dass vor allem Menschen im Niedriglohnbereich eher arbeiten, als sich krankschreiben zu lassen. Allerdings erscheinen sie damit auch eher krank bei der Arbeit. Einigkeit besteht auch darüber, dass die starken schwedischen Arbeitnehmerrechte das Arbeitsumfeld attraktiv machen, etwa was Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht. Auf Urlaub (der Sommer ist heilig) wird viel Wert gelegt, ebenso auf die Work-Life-Balance.

Trotzdem ist in dem protestantischen Land die Arbeitsmoral hoch. Sorge bereitet in Schweden derzeit, dass die Zahl der Langzeiterkrankten seit Langem steigt, vor allem bei Frauen. Fast nirgends in Westeuropa sind die Krankenstände von Frauen so hoch wie in Schweden. Das kann daran liegen, dass Frauen dort überdurchschnittlich oft arbeiten und dies oft in Bereichen wie Schule und Pflege tun, wo die Belastung hoch ist.

Spanien und Portugal

Auch Spanien wird in Deutschland als ein mögliches Vorbild für Deutschland genannt. Auf den ersten Blick wirkt die Regelung streng: Erst am vierten Tag beginnt die Entgeltfortzahlung. Im Nachbarland Portugal gilt eine ähnliche Regelung. Doch tatsächlich müssen die meisten Versicherten keine Einbußen befürchten. Ihre Arbeitgeber zahlen zum größten Teil freiwillig – vom ersten Krankheitstag an. Viele Tarifverträge sehen das ausdrücklich für den Fall einer „baja“ vor, wie in Spanien die Krankschreibung aus gesundheitlichen Gründen heißt.

Gesetzlich ist der Arbeitgeber vom vierten bis zum 15. Krankheitstag verpflichtet, die Vergütung weiterzuzahlen. Angestellte erhalten dann mindestens 60 Prozent der Bemessungsgrundlage; das ist meistens der Nettogrundlohn ohne die Zuschläge des Vormonats. Erst danach springt die Sozialversicherung mit dem gleichen Betrag ein. Vom 21. Krankheitstag an steigt er dann auf 75 Prozent des Basisgehalts. Diese Leistungen können ein Jahr lang gezahlt und bei Bedarf um sechs Monate verlängert werden. Bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten stehen den Beschäftigten sofort 75 Prozent zu.

Im benachbarten Portugal gibt es Krankengeld auch erst nach dem vierten Tag der Abwesenheit, wie es bei der dortigen AHK heißt. Aber viele Arbeitgeber zahlen während der ersten drei Tage, die auch in Portugal den größten Teil der Krankschreibungen ausmachen, die bisherigen Bezüge weiter. Für eine „baixa médica“ muss der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vorlegen; seit 2024 kann er zweimal im Jahr eine entsprechende Bestätigung selbst ausstellen.

Abwesenheit vom Arbeitsplatz wird diskutiert

Danach kommt der Arbeitgeber oft auch für den Unterschied zwischen Krankengeld und dem bisherigen Einkommen auf. Während der ersten 30 Tage kommt die Sozialversicherung für 55 Prozent, dann für 60 und vom 91. Tag an für 70 Prozent auf. Ist der Arbeitnehmer länger als ein Jahr krank erhält er 75 Prozent. Es gibt zudem Ausnahmen, zum Beispiel bei Krankmeldungen wegen einer Risikoschwangerschaft, bei denen sofort das volle Gehalt weitergezahlt wird.

In Spanien wird zwar nicht über die Einführung von Karenztagen debattiert, aber über den „absentismo“, die Abwesenheit vom Arbeitsplatz, die nicht nur gesundheitliche Gründe haben kann. Mit Beunruhigung wurde am Jahresende registriert, dass die Zahl der krankheitsbedingt abwesenden Arbeitnehmer stark zugenommen hat. Nach jüngsten Angaben des Personaldienstleisters Randstad, der sich auf das spanische Statistikamt bezieht, hat sich die Zahl seit 2013 verdoppelt – eine „alarmierende Tendenz“.

2024 gab es 400 „bajas“ pro 1000 Arbeitnehmer im Vergleich zu 300 vor der Pandemie, wie eine neue Studie des Valencianischen Instituts für Wirtschaftsforschung ergab. Die endgültige Statistik für 2024 liegt noch nicht vor. Aber schon das Jahr 2023 endete jedoch mit einem „historischen Rekord“ bei der Zahl der Beschäftigten, die wegen Krankheit, Unfall oder vorübergehender Arbeitsunfähigkeit der Arbeit fernblieben, wie die Wirtschaftszeitung „El Economista“ schreibt.

Frankreich

Auch in Frankreich wird zurzeit intensiver über Karenztage bei Krankheit diskutiert. Auslöser waren die Pläne der Vorgängerregierung von Premier Michel Barnier, die Regelung für Beamte an die für Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft anzupassen. Für Letztere gibt es grundsätzlich eine gesetzliche Karenzzeit von drei Kalendertagen, ehe sie Anspruch auf Krankengeld von der Krankenversicherung haben – für Beamte dagegen bislang nicht.

Während der Karenzzeit entfällt in Frankreich die Entgeltfortzahlung. Danach zahlt die Sozialkasse 50 Prozent des täglichen Grundlohnes für einen Zeitraum von bis zu 90 Tagen. Das tägliche Krankengeld darf die Schwelle von 53,31 Euro brutto allerdings nicht überschreiten, betont man bei der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer (AHK Frankreich) mit Sitz in Paris.

Werde der Arbeitnehmer monatlich bezahlt, entspreche sein täglicher Grundlohn der Summe der letzten drei vor der Arbeitsunterbrechung erhaltenen Bruttogehälter geteilt durch 91,25. Das Gehalt, das zur Berechnung des täglichen Grundverdienstes herangezogen wird, sei auf 3243,24 Euro im Monat begrenzt.

Die Realität sieht oft allerdings anders aus

Die Karenzzeit gilt in Frankreich für jede Krankmeldung. Allerdings wird keine neue Karenzzeit angewandt, wenn zwischen zwei Krankmeldungen nicht mehr als 48 Stunden liegen, hebt Christoph Schlotthauer, der Präsident der Pariser Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Coffra, hervor. Außerdem entfalle die Karenzzeit, wenn die Krankmeldung auf einen Arbeitsunfall oder auf eine berufliche Erkrankung zurückzuführen sei. Auch gebe es für Arbeitnehmer in der Region Elsass/Mosel spezifische Regelungen.

Die Realität sieht oft allerdings anders aus. Einige Arbeitgeber übernehmen die Lohnfortzahlung auch während der Karenzzeit ganz oder teilweise, heißt es von der AHK Frankreich weiter. Diese Verpflichtung könne aus Tarifverträgen resultieren, zum Beispiel im Baugewerbe oder Bankwesen, oder aus individuellen Arbeitsverträgen. Auch sei der Arbeitgeber nach einer gewissen Zeit im Krankenstand in der Regel verpflichtet, eine ergänzende Zahlung zu leisten. Der Arbeitnehmer erhalte in vielen Fällen also fast sein volles Gehalt.

„In der Praxis sehen die meisten Branchentarifverträge vor, dass es für die Arbeitnehmer mit mehr als einem Jahr Betriebszugehörigkeit keine Karenzzeit gibt“, bestätigt Coffra-Präsident Schlotthauer. Gleichwohl passiere es nur „sehr selten“, dass Arbeitgeber auf freiwilliger Basis noch günstigere Regelungen anwenden, das heißt keine oder eine kürzere Karenzzeit anwenden, wenn das weder vom Gesetz noch vom anwendbaren Branchentarifvertrag vorgeschrieben ist. Derweil läuft die Debatte um die Anhebung der Karenztage für Beamte weiter. Einem Medienbericht zufolge zeichnet sich jedoch ab, dass die neue Regierung unter dem Druck der Beamtenlobby von der Maßnahme absieht.

Griechenland und Italien

Allianz-Chef Oliver Bäte hat nord- und südeuropäische Länder als leuchtende Beispiele für den Kampf gegen das Blaumachen dargestellt. Doch die Regelungen sehen in Südeuropa auf dem Papier oft strenger aus als sich die Realität am Arbeitsplatz und am Krankenbett darstellt. In Griechenland zum Beispiel – ein Land, das Bäte lobend erwähnte – herrscht seit Langem die Regelung, dass die staatliche Sozialversicherungskasse EFKA erst vom vierten Tag an Krankengeld bezahlt. In den ersten drei Tagen vom Zeitpunkt der Krankmeldung an muss der Arbeitgeber nur 50 Prozent des Gehalts bezahlen.

„Doch in der Praxis übernehmen die meisten Arbeitgeber in den ersten drei Tagen das Gehalt in voller Höhe“, berichtet Athanassios Kelemis, Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer in Athen. Im ersten Monat der krankheitsbedingten Abwesenheit zahlt auch nicht nur die Sozialkasse EFKA alleine, sondern zusammen mit dem Arbeitgeber. Erst nach einem Monat übernimmt ausschließlich EFKA die Zahlung.

In Italien ist es ähnlich geregelt. Die staatliche Sozialkasse INPS zahlt erst ab dem vierten Tag. Doch in den meisten Tarifverträgen ist festgelegt, dass die Arbeitgeber in der Karenzzeit einspringen, allerdings nicht immer zu 100 Prozent des Lohnes. Für befristet Beschäftigte und Freiberufler sind die Regeln weniger großzügig. Der Ausgleich im Fall von Abwesenheit hängt in diesen Fällen oft davon ab, wie lange vorher in die Sozialkassen eingezahlt wurde. Allgemein haben sich die Gewerkschaften mit ihrer Argumentation durchgesetzt, dass die Karenztage wenig gegen Abwesenheit bringen und besonders Geringverdiener wegen Krankheiten keine Einkommensverluste erleiden sollen.

Die Arbeitgeber wollen auch nicht, dass sich die Beschäftigten mit ansteckenden Krankheiten zur Arbeit schleppen. In Italien wird das Krankengeld 180 Tage lang gezahlt. Gegen Abwesenheit ohne Grund kämpft das Land unter anderem mit Kontrollen: Die Behörde INPS kann Hausbesuche anordnen. Der oder die Kranke müssen täglich zwischen 10 und 12 Uhr sowie zwischen 17 und 19 Uhr an ihrer angegebenen Adresse anzutreffen sein, es sei denn sie haben einen triftigen Grund für die Abwesenheit, etwa den Gang zur Apotheke. INPS kann auch eigene Ärzte zur Überprüfung der Erkrankung schicken, wie ein Gerichtsurteil im Jahr 2022 bestätigte.

Belgien

In Belgien gab es bis Ende 2013 einen Karenztag. Der war einst eingeführt worden, um die hohe Zahl kurzzeitiger Krankmeldungen zu reduzieren. Er galt aber nur für Arbeiter, nicht Angestellte. Das stufte das oberste belgische Gericht als Diskriminierung ein, woraufhin sich die Regierung entschied, den Karenztag für beide Arbeitsgruppen komplett abzuschaffen. Aktuell wird aber auch in Belgien wieder heftig über eine Kehrtwende gestritten. Die fünf Parteien, die momentan über die Bildung einer neuen belgischen Regierung verhandeln, haben sich schon im Herbst für eine Wiedereinführung, dieses Mal für Arbeiter wie Angestellte, ausgesprochen.

Das sind auf flämischer Seite die Nationalisten der N-VA sowie die Sozialdemokraten und Christdemokraten und auf wallonischer Seite die Liberalen (MR) und die Christdemokraten. Bei Gewerkschaften und linken Parteien stößt das auf heftigen Widerstand. Auch bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt es in Belgien große Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten. Letztere erhalten bisher im Krankheitsfall bis zu 30 Tagen ihren vollen Lohn weitergezahlt. Bei Arbeitern sieht das anders aus: Sie erhalten nur während der ersten sieben Tage den vollen Lohn. Anschließend sinkt er bis zum 14. Tag auf 85,88 Prozent des Bruttolohns und sinkt danach für den Zeitraum bis zum 30. Tag noch einmal.

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