Kultur

So verstehen Sie Ihre Kinder | ABC-Z

Akh

Heißt „Bruder“ auf Arabisch, wobei selten der Bruder im leiblichen Sinne, sondern eher der im Geiste gemeint ist. Spricht sich wie das Deutsche „Ach“, wobei das „C“ lang gezogen wird. Kann verwendet werden wie die Begriffe „Bro“, „Bre“ oder „Bratan“, die alle ebenfalls Bruder bedeuten und ebenso eher für Freunde denn für echte Brüder verwendet werden.

Aura

Slang für die Ausstrahlung oder das Charisma einer Person. Dominiert jemand den Raum, sobald er ihn betritt, hat er Aura. Auch das Gegenteil kann der Fall sein, denn der Begriff wird meist scherzhaft verwendet: Wollen Sie eine Tür aufdrücken, sehen aber nicht, dass Sie eigentlich ziehen müssen, und laufen in der Folge gegen die Glasscheibe, verlieren Sie Aura. Zufällig vorbeilaufende Minderjährige werden zum Beispiel leicht abfällig „-1000 Aura“ genannt. Ist in der Endauswahl des Jugendworts 2024, das am 19. Oktober bekannt gegeben wird.

Brain rot

Bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie Gehirnfäule. Wer das Wort kennt, ist meist schon selbst betroffen. Steht nämlich für den Zustand, der sich einstellt, wenn man täglich vor seinem Smartphone hängt und ein Reel nach dem anderen schaut. Dann sickert das Sammelsurium an Jugendgrammatik unkontrolliert und ironiefrei in den eigenen Sprachgebrauch. Sie finden Donald Trump ziemlich sus (steht für suspekt)? Dann sind Sie betroffen. Ihr Gehirn ist durch den schnell geschnittenen, die Aufmerksamkeitsspanne torpedierenden Inhalt der sozialen Medien verrottet. Brain rot halt.

Brat

Holprig übersetzt bedeutet der Begriff in etwa „Göre“ und steht für einen Typ Frau, der jung, laut sowie ein wenig verzogen ist – und darauf sogar etwas stolz. Stammt von der Anhängerschaft der britischen Popsängerin Charli xcx, deren gleichnamiges Album dieses Jahr erschien. Die Sängerin definierte brat als eine Haltung oder Einstellung, bei der es darum geht, das Leben zu genießen – egal was andere sagen. Kein BH unter dem Tanktop? Sie sind brat! Mit den Mädels eine ganze Flasche Weißwein trinken, obwohl Sie später noch arbeiten müssen? Sowas von brat! Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris? Der Inbegriff von brat!

Die Codes der Jugendsprache kennt nicht jeder – ob live oder am Handy.Picture Alliance

Cap

Die Etymologie des Begriffs ist umstritten, die Bedeutung hingegen recht eindeutig. Cap entstand wohl im Slang der afroamerikanischen Bevölkerung der USA und wurde durch den Hip-Hop der Atlanta-Region in die Welt getragen. Der Begriff bedeutet so viel wie „Lüge“ oder „Schwachsinn“. Auch das Gegenteil No Cap ist geläufig. Sagt man am Ende einer Aussage „No Cap“, will man zum Ausdruck bringen, dass das, was man gesagt hat, wahr ist, so verrückt es auch klingen mag. Beispiel: „Mama, ich habe eine 1 in Mathe, No Cap.“

Digga

Synonym für Kumpel, Kollege oder Freund. So etabliert, dass man es eigentlich nicht mehr erklären muss – der Begriff stammt noch aus den Neunzigerjahren und kommt wohl aus dem Großraum Hamburg. War bereits in den vergangenen drei Jahren als Jugendwort des Jahres nominiert, gewann aber nie.

Doomscrolling

Der Begriff ist ein Neologismus, zusammengesetzt aus den englischen Begriffen „doom“ für „Schrecken“ und „scrolling“ für das Lehnwort „scrollen“ oder altmodischer „blättern“. Gemeint ist exzessiver, unaufhaltbarer Nachrichtenkonsum, meist auf dem Smartphone. Ein Beispiel: Wenn Sie abends nur kurz einen Blick auf Twitter werfen wollten, um zu schauen, wie es um die Welt steht (meistens schlecht), und mitten in der Nacht erschreckt feststellen, dass Sie seit geschlagenen vier Stunden am Smartphone hängen und sich schlicht nicht losreißen können, dann haben Sie gedoomscrollt.

Fanum Tax

Wir befinden uns tief im Slang der Gen Alpha (Jahrgänge 2010–2024), dessen Begrifflichkeiten häufig von Streamern ausgehen. So auch bei Fanum Tax. Der Begriff setzt sich zusammen aus dem Namen des US-amerikanischen Streamers und Content-Creators „Fanum“ und dem englischen Wort „Tax“ für Steuern. Der Streamer bedient sich regelmäßig am Essen seiner Gäste. Er „besteuert“ sie. Deshalb sagen Kinder, wenn sie einander das Essen vom Teller stehlen oder statt eines kleinen angebotenen Probierbissens fast alles verspeisen: „Fanum Tax.“

Golden Retriever Energy

Sagt Ihre Tochter über ihren neuen Freund, dass er Golden Retriever Energy hat, dann können Sie beruhigt sein: Er ist extrovertiert, aufmerksam und begeisterungsfähig wie die Hunderasse. Ist er hingegen ein Einzelgänger, launisch, in sich gekehrt und etwas eigensinnig, wird Ihre Tochter ihm wohl Black Cat Energy attestieren.

Hölle nein!

Synonym für „auf keinen Fall“ oder „ganz sicher nicht“. Der Begriff ist die direkte deutsche Übersetzung des Englischen „Hell no“ oder „Hell naw“. Die krumme, schief klingende Übersetzung macht den Reiz. Ähnlich funktionierende Phrasen sind: „Ich möchte dich datieren“ statt „Ich will dich daten“. Oder: „literarisch ich“ statt „literally me“.

Ick

Bedeutet übersetzt so viel wie „igitt“ und wird verwendet, wenn das Date, der Partner oder ein Unbekannter etwas macht, das uns innerlich zusammenzucken lässt und auch jegliche romantische Ambitionen zumindest für den Moment unmöglich macht. Meist bezogen auf Äußerlichkeiten und Nichtigkeiten. Ein Beispiel: Wenn Ihr Partner von einem Tag auf den anderen Fedora trägt und ohne eine Spur der Ironie Jugendwörter benutzt, könnte Ihnen das „Ick“ geben – eine sofortige Entzauberung.

Mewing

Die Lippen werden aufeinandergepresst und meist ein wenig geschürzt, die Zähne zusammengebissen und die Zunge am Gaumen abgelegt. Das ist Mewing. Der pseudowissenschaftliche Internettrend geht auf den Kieferorthopäden John Mew zurück, der annahm, durch die Technik könne man den Kiefer markanter machen, die Atmung verbessern und sein Doppelkinn loswerden. Wird eigentlich nur ironisch verwendet, denn den meisten Jugendlichen ist bewusst, dass Mewing nicht wirklich funktioniert.

Nein, Pascal, ich denke nicht!

Humorvolle Art, etwas abzulehnen. Wird häufig verwendet, wenn Eltern etwas vorschlagen, das enorm abwegig ist. Sie wollen mit Ihrem Kind an einem wolkenlosen Spätsommertag einen kleinen Spaziergang unternehmen, obwohl der Nachwuchs dringend die neue Staffel „Umbrella Academy“ sehen muss? Dann sollten Sie sich nicht wundern, wenn es auf die Einladung mit einem lauten „Nein, Pascal, ich denke nicht“ antwortet. Geht zurück auf eine Folge der Serie „Jung, pleite und verzweifelt“ auf RTL.

Pyrotechnik

Wenn Sie in Gedanken „ist doch kein Verbrechen“ ergänzt haben, dann sind Sie entweder chronisch online oder haben fußballbegeisterte Kinder. Der Begriff geht zurück auf den selbst ernannten Balkonultra Niko Thomas, der Videos von sich ins Netz stellte, bei denen er diese Zeilen sang, um den Einsatz von Pyrotechnik bei Sportveranstaltungen zu verteidigen. Hatte seine Hochphase im EM-Sommer, findet nun aber weniger Verwendung.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.



Schere

Jedes Jahr gibt es unter den Jugendwörtern des Jahres einen Begriff, den wohl auch die wenigsten Jugendlichen kennen. Dieses Jahr ist es Schere. Steht für ein Schuldeingeständnis und entstand wohl in der Gamerszene. Denn erstmals verwendet wurde der Begriff wohl von zwei Streamern, die das bekannte Spiel „Fall Guys“ spielten. Einer der Spieler trug dabei ein Mr.-Krabs-Kostüm – eine beliebte Figur aus der Kinderserie „Spongebob Schwammkopf“, der, wie der Name es schon nahelegt, eine Krabbe ist. Statt nach einem Fehler die Hand zu heben, um sich zu entschuldigen, hob der Streamer seine Mr.-Krabs-Hand hoch: eine Schere. Seitdem sagen manche Jugendlichen Schere, um auszudrücken, dass sie einen Fehler gemacht haben. In der Endauswahl des Jugendworts 2024.

Talahon

Der Begriff bedeutet auf Arabisch „komm her“ und geht auf das Lied „Ta3al Lahon“ des Rappers Hassan zurück. Zu dem Lied luden Jugendliche in wohl gefälschten Gucci-Klamotten und -Bauchtaschen Videos in den sozialen Medien hoch, in denen sie schattenboxten und in die Luft kickten. Der Begriff changiert zwischen Selbstbezeichnung und Beleidigung und ist deshalb nicht unumstritten. Denn gemeint sind insbesondere migrantische Jugendliche, die diese Merkmale erfüllen. Ein Beispiel: „Pascal hat sich eine Bauchtasche gekauft, jetzt sieht er aus wie ein Talahon.“ Trotz der von einigen als rassistisch bewerteten Konnotationen des Begriffs ist er in der Endauswahl des Jugendworts 2024. Daher mit Vorsicht zu genießen.

Unc

Kurzform des englischen Wortes „Uncle“, was Onkel bedeutet. Wird allerdings nicht für leibliche Onkel verwendet, sondern ist die modernere Form, jemandem mitzuteilen, dass er alt ist. Wer als Unc bezeichnet wurde, sollte im Spiegel aber nicht panisch nach Falten suchen – für Gen Alpha, die den Begriff popularisierte, ist jeder ein Unc, der vor 2010 geboren wurde.

Very demure

Übersetzt aus dem Englischen bedeutet die Phrase in etwa: „sehr zurückhaltend“, „sehr gesittet“ oder auch „sehr wohlerzogen“. Ein im Englischen seit Jahren kaum noch gebrauchtes Wort, das seinen kometenhaften Aufstieg in den Slang der Jugend der Creatorin Jools Lebron verdankt. Die lud Anfang des Jahres ein Video hoch, in dem sie ihr zurückhaltendes Make-up am Arbeitsplatz als „very demure“ bezeichnete. Gerne auch verwendet mit dem Nachsatz „very mindful“, was übersetzt so viel bedeutet wie „achtsam“. Sie ziehen im Flieger nicht die Schuhe aus, obwohl sie drücken, um die anderen Gäste nicht zu stören? Very demure! Sie achten darauf, als Brautjungfer nicht die Braut zu überstrahlen? Very demure, very mindful!

Yolo

Der Wiedergänger unter den Jugendwörtern. Das Akronym steht für den Ausspruch „You only live once“ und taucht in unregelmäßigen Abständen immer wieder auf – Jugendwort des Jahres wurde Yolo schon 2012. Wird als Aufforderung verwendet, das Beste aus seinem Leben zu machen, taucht allerdings häufiger in ironischen Kontexten auf. Ein Beispiel: „Ich habe heute nur fünf Stunden geschlafen. Yolo!“ Schaffte es im letzten Jahr unter die Top Ten der Jugendwörter und ist auch in diesem Jahr dort vertreten.

Yurr

Ähnlich wie „jo“, „hey“ und Co meist als informeller Gruß verwendet. Kann aber auch als Bestätigung auf eine Frage verwendet werden oder als Ersatz für „Yes, Sir“. Wenn Sie Ihr Kind also fragen, ob es den Müll wie aufgetragen weggeschmissen hat, werden Sie auf die Frage hin aus dem Kinderzimmer möglicherweise Yurr statt Ja hören.

Ein Tipp:

Sollten Ihre Kinder diese Begriffe tagtäglich verwenden und Sie deshalb langsam, aber sicher den Verstand verlieren, greifen Sie die Jugendsprache auf – am besten im falschen Kontext. Sie verlieren mit Sicherheit Aura, aber nichts finden Jugendliche weniger brat als peinliche Eltern, die ihre Sprache sprechen. Die Folge: Ihre Kinder halten Sie zwar nicht für besonders demure und mindful, bekommen aber den Ick und werden die Freude an den Begriffen verlieren. No Cap!

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