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So verhielt sich der mutmaßliche Magdeburg-Attentäter in der Klinik | ABC-Z

Mindestens vier Tote, mehr als 200 Verletzte und ein Anschlag, der sich ins kollektive Gedächtnis einbrennt. Einen Tag nach dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt trauert die Republik mit den Angehörigen um die Opfer vom Freitagabend. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die Tat hätte verhindert werden können – und was den mutmaßlichen Täter, Taleb A., dazu bewogen haben könnte?

Während ihn seine Nachbarn in Bernburg (Saale) als in sich gekehrten Menschen erlebten, war der 50-Jährige auf der Arbeit offenbar auffälliger. Seit 2020 arbeitete er in der Salus-Klinik, einem landeseigenen Unternehmen, in Bernburg als Facharzt für Psychotherapie im Maßregelvollzug. Zuvor soll er bei einer anderen Klinik als Psychiater gearbeitet haben und krankheitsbedingt ausgeschieden sein, wie FOCUS online aus dem Umfeld der Klinik erfahren hat.

Attentäter behandelte Straftäter: „Er hat seine Arbeit gemacht“

In Bernburg behandelte A. dann suchtkranke Straftäter. „Er hat seine Arbeit gemacht, in der Regel einwandfrei“, sagt eine Quelle aus dem Umfeld des Klinikums. Kollegen beschrieben ihn als einen Facharzt, der manchmal Termine schwänze, sich ins Büro zurückziehe oder Gruppentermine zuweilen spontan bis unvorbereitet angegangen sei. Doch habe nichts darauf hingedeutet, dass er einen Anschlag geplant haben könnte.

Gleichzeitig sei sein Aktivismus im Kollegium kritisch beäugt worden. Taleb A. setzte sich jahrelang für Flüchtlinge aus Saudi-Arabien ein, wo er selbst aufgewachsen war. 2006 soll er als Gastarzt nach Deutschland gekommen sein, legte hier seine Prüfung zum Facharzt ab und erhielt die Anerkennung.

„Er hat sich sicher nicht islamistisch radikalisiert, weil er das abgelehnt hat“, betont die Quelle, die Taleb A. nach eigenen Angaben oberflächlich kennt. Als seit 2016 anerkannter Flüchtling hat zumindest das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Angst vor dem Regime in Saudi-Arabien für glaubwürdig befunden. Nach Informationen des „Spiegel“ trug er bei seinem Asylantrag einen Vorfall aus 2013 in der saudi-arabischen Botschaft vor: Der Kulturattaché habe ihm bei einem Treffen mit der Hinrichtung gedroht, sollte er in seine Heimat zurückkehren.

„Es bleibt immer ein bisschen undurchschaubar“

Für sein berufliches Umfeld sei daher schwer zu unterscheiden gewesen, was womöglich der Wahrheit entspricht und wo A. eventuell psychotisch wirkt. Im Klinikum war etwa seine Geschichte bekannt, dass der saudi-arabische Geheimdienst seinen Briefkasten aufgebrochen und einen USB-Stick geklaut habe. Ähnlich führte das der 50-Jährige auch auf X aus.

Das habe erst einmal absurd geklungen, erinnert sich die Quelle. „Aber Saudi-Arabien hat auch Khashoggi zersägt“, verweist sie auf den Mord an Jamal Khashoggi in der Türkei. Wer sollte von außen betrachtet also wissen, ob es nicht doch der Wahrheit entsprach? „Es bleibt immer ein bisschen undurchschaubar.“

Auch die zahlreichen Rechtsverfahren, die A. angestrebt hat, seien bekannt gewesen. Seine Aktivitäten etwa auf X und im Internet dagegen nicht. Dort verbreitete A. zunehmend Verschwörungserzählungen über eine Islamisierung Deutschlands und der Verfolgung saudischer Flüchtlinge durch deutsche Behörden.

„Es war deutlich, dass er sich hineingesteigert hat“

In den vergangenen Monaten war er dann zunehmend krank. Nach Angaben des Klinikums ließ sich A. durch Urlaubs- und Krankheitstage seit Ende Oktober 2024 nicht mehr auf der Arbeit blicken. Er habe sich so über seinen Aktivismus echauffiert, dass er nicht arbeiten könne, sagt die Quelle.

Sein Engagement zu reduzieren, habe jedoch nicht zur Debatte gestanden. „Es war deutlich, dass er sich hineingesteigert hat“, heißt es. Doch als krankhaft sei sein Verhalten nicht zwangsläufig einzuordnen gewesen. In seinem Verhalten gegenüber den Patienten habe es keine Anzeichen für eine Psychose gegeben, wie sie oft typisch seien. „Er war nie aggressiv, eher leidend über den Zustand, den er beklagt hat“, beschreibt die Quelle.

Im Rückblick scheint vieles plausibel

Insgesamt ergeben die bisherigen Recherchen für A.s berufliches Umfeld ein schlüssiges Gesamtbild. „Da scheint sich etwas aufgebaut zu haben“, sagt die Quelle, das gesamte Kollegium sei schockiert und hätte bei einem Verdacht auf einen Anschlag sofort reagiert. Doch erst im Rückblick scheine bei A. vieles plausibel.

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