Iranische Sängerin Faravaz im Exil: Kinky mit dem Mullah | ABC-Z

Im Iran ist es Frauen nach wie vor verboten, in der Öffentlichkeit zu singen. Deshalb lebt Faravaz seit sieben Jahren in Deutschland im Exil. Das Regime verurteilte sie zu einer Gefängnisstrafe, während sie gerade für ein Konzert in Bayern war, also entschied sie spontan, zu bleiben. Ohne Abschied, ohne viel Gepäck.
Hier fühle sie sich zwar sicherer. „Aber die Spione des iranischen Mullahregimes sind überall“, sagt sie. Auch das Erstarken rechter Kräfte mache ihr Sorgen. Bei einem Stadtfest für Vielfalt in Bad Freienwalde, wo sie kürzlich auftrat, wurden auch Frauen von mutmaßlichen Rechtsextremen attackiert. Man könne sich als Frau nirgendwo auf der Welt ganz sicher fühlen. „Was mir und den iranischen Frauen widerfährt, geschieht überall – nur auf einem anderen Level.“
Denn auch in Deutschland würden Frauen vergewaltigt, von ihren Partnern geschlagen oder fühlten sich unsicher im Umgang mit der Polizei, sagt sie. „Deswegen fühlen viele meine Musik. Es ist immer das Gleiche.“
Chance, politisch zu sein
Nicht zurückkehren zu können, sei ein großer Verlust gewesen. Hier Musik zu machen, habe sie aber als Chance gesehen, politisch zu sein und Tabus zu brechen. „Als ich das tat, schlug mir viel Hass entgegen.“ Online, aus der Musikindustrie, in den Medien. „Viele im Iran denken, ich bringe Schande über unsere Kultur.“ Auch Teile der „Frau Leben Freiheit“-Bewegung, sähen das so. Vor allem Männer.
Vor genau drei Jahren wurde Jina Mahsa Amini in Teheran von der Sittenpolizei getötet, weil sie kein Kopftuch trug. Ihr Tod löste landesweite Proteste unter ebendiesem Slogan, „Frau Leben Freiheit“, aus. Laut Menschenrechtsorganisationen wurden vom Regime rund 500 Demonstrierende getötet, Zehntausende festgenommen, viele geschlagen und sexuell missbraucht.
„Es hat sich einiges geändert, seit ich Iran verlassen habe“, sagt Faravaz. „Viele Frauen tragen kein Kopftuch mehr, obwohl sie immer noch dafür verhaftet werden können.“ Zwar sei das Regime nicht liberaler geworden, aber die Frauen dafür mutiger. Dennoch hat die Musikerin Faravaz am dauerhaften Erfolg der Bewegung ihre Zweifel: Es habe auch an Unterstützung aus dem Ausland gefehlt. „Die Medien berichteten, Politikerinnen schnitten sich die Haare ab. Aber was haben sie wirklich erreicht?“
In sich zerstrittene Bewegung
Männer im Iran profitierten von der Unterdrückung. „Sie entscheiden, ob ihre Ehefrauen studieren, arbeiten, wo sie wohnen. Sie haben das Sorgerecht. Für Frauen ist es fast unmöglich, sich scheiden zu lassen.“ Wenn Männer noch protestierten, dann wegen Inflation, Arbeitslosigkeit, Stromausfällen – nicht wegen „Frau Leben Freiheit“.
Nicht zurückkehren zu können, sei ein großer Verlust gewesen, hier Musik zu machen, aber eine Chance
Zudem sei die Bewegung in sich zerstritten. Noch dazu versuche der Sohn des früheren Schahs, der im Exil lebt, die Proteste für die Rückkehr seiner Familie auf den Thron zu reklamieren. Deshalb geht die Beteiligung an den Aktionen zurück.
Die Gesetze im Iran folgen den Gesetzen des Islam. Männer dürfen vier Frauen gleichzeitig haben, aber eine Frau wird bei Ehebruch mit dem Tod bestraft. „Das habe ich schon als Kind hinterfragt“, sagt Faravaz. Sie sei Feministin gewesen, bevor sie überhaupt wusste, dass es so etwas gibt.
„Und ich habe die Religion, die mir aufgezwungen wurde, abgelegt, sobald ich in Deutschland angekommen bin. Ich hasse Religion.“ Damit kann Faravaz wohl nie wieder in den Iran zurückkehren. Denn auch Konvertierten und Atheisten droht unter dem islamischen Regime die Todesstrafe.
Mit Musik etwas verändern
„Als ich dort war, habe ich gesungen und versucht, zu überleben. Aber aus der Ferne sehe ich, wie schlimm alles ist und fühle mich nutzlos.“
Ob ihre Musik im Iran etwas verändern kann? „Ich glaube schon“, sagt Faravaz. „Meine Musik ist politisch.“ Mit jedem ihrer Auftritte wüssten 100 oder 2.000 Menschen mehr, was im Iran passiert. „Und je mehr wissen, wie verrückt und frauenfeindlich die Mullahs sind, desto weniger kann dieses Regime so tun, als sei es eine moderne, normale Regierung!“
Faravaz mache kinky, verspielte Musik, weil sie merke, dass die Leute genug von dem haben, was sie „serious, political shit“ nennt. Für ihre nächste EP arbeitet sie mit queeren Berliner Künstler:innen zusammen. Schon an „Azadi“ waren fast nur weibliche und queere Personen beteiligt.
Auch wenn das iranische Regime oft Familien von Aktivist:innen im Ausland unter Druck setzt, um sie einzuschüchtern, ist das bei Faravaz bisher noch nicht vorgekommen. Sie wirkt auch nicht wie jemand, die sich schnell einschüchtern lässt.
Was bedeutet denn nun Freiheit für Faravaz? „Ein normales Leben, ohne für seine Grundrechte kämpfen zu müssen.“ Sie selbst sein, ohne Angst, dafür getötet zu werden. „Eigentlich ganz simpel“, sagt sie. „Aber leider auch überhaupt nicht.“