Bürgermeisterwahl in New York: Blaupause im Kampf gegen Donald Trump? – Politik | ABC-Z

Besser als David Hogg beschreibt niemand das Wechselbad der Gefühle, das US-Demokraten in diesen Tagen der Dauerbeschallung mit Donald Trumps Verlautbarungen erleben. „Breaking: Nicht alles muss Mist sein“, bemerkte der 25-Jährige auf X. Das war am Mittwoch kurz nach Mitternacht. Der Präsident drehte gerade eine triumphale Runde auf dem Nato-Gipfel in den Niederlanden, er brüstete sich mit seinem Angriff auf die iranischen Atomanlagen und beanspruchte die Erhöhung der Rüstungsausgaben in Europa als seinen Erfolg.
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David Hogg freute sich allerdings über etwas anderes. Er feierte den Erfolg von Zohran Mamdani, 33 Jahre alt, Muslim, New Yorker mit Wurzeln in Indien und Uganda. Mamdani hatte soeben einen spektakulären Sieg errungen in der größten amerikanischen Stadt. Er gewann die Vorwahlen der Demokraten für die Bürgermeisterwahl, indem er den New Yorkern kostenlose Kinderkrippen und staatliche Lebensmittelläden versprach.
Taugt der Sieg des progressiven Populisten zur Blaupause für den Kampf gegen Trump?
Das offizielle Resultat steht noch aus, doch es bestehen kaum Zweifel: Als progressiver Populist besiegte Mamdani den Umfragefavoriten, den 67-jährigen Andrew Cuomo. Der frühere Gouverneur des Staats New York wurde vom Parteiestablishment und den Großsponsoren unterstützt.
Den bemerkenswerten Sieg eines Sozialdemokraten in der Weltmetropole des Kapitalismus will der linke Parteiflügel zur Blaupause machen für den Kampf gegen Donald Trump auf nationaler Ebene. Welche Genugtuung, wenn ausgerechnet die Stadt, in der Trump seinen Aufstieg begann, auch den Anfang seines Endes einleiten könnte.
Seit Trumps Amtsantritt im Januar streiten die Demokraten darüber, wie sie ihm am besten entgegentreten können. Wie lässt sich die verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, nachdem die Partei Joe Bidens Alter und das Wehklagen der Wählerschaft über die Einwanderung und die hohe Teuerung ignoriert hatte? Sollen die Demokraten nach links rücken und Fundamentalopposition betreiben? Oder sollen sie ihr Heil in der politischen Mitte suchen und auch mal mit Trumps Republikanern zusammenarbeiten?
Für Mamdani setzt sich eine Lobbyorganisation ein, die junge linke Demokraten unterstützt
David Hogg ist zu einem der bekanntesten Gesichter dieses Streits geworden – spätestens, seit er sich im Juni unter Getöse aus der Parteileitung der Demokraten zurückzog. Erst im Februar hatte ihn die Partei in das Führungsgremium geholt, als sie dieses nach der verheerenden Wahlniederlage im vergangenen November neu aufstellte. Hogg sollte die junge linke Generation vertreten. In die Politik eingestiegen war er mit der Forderung nach strengeren Waffengesetzen. An seiner Highschool in Parkland, Florida, erschoss 2018 ein 19-jähriger Ex-Schüler 17 Menschen; Hogg überlebte versteckt in einem Schrank.
Jetzt führt der 25-Jährige ein Political Action Committee (PAC) namens „Leaders We Deserve“. Die Lobbyorganisation sammelt Spenden für junge Kandidaten mit klar linkem Profil. Mit dem Geld will Hogg die Vorwahlen der Demokraten aufmischen: Junge Herausforderer sollen altgediente demokratische Amtsträger angreifen und die Partei nach links ziehen. Das führte zum Zerwürfnis mit der Parteileitung. Im Wahlkampf trat Hoggs Lobbygruppe als größte Einzelspenderin für Mamdanis Kampagne in New York auf.
„Das geschieht, wenn wir jungen Leuten einen Kandidaten geben, an den sie glauben können“, schrieb Hogg per E-Mail an Unterstützer. „Und darum werden wir nicht hier aufhören.“ Seine Mission sei einfach: „Junge, mutige Anführer gelangen an die Macht und verändern, was machbar ist in der amerikanischen Politik.“ Damit wolle er „die Hoffnungslosigkeit bekämpfen, die für die Demokratie die größte Bedrohung darstellt“.
Manche träumen bereits von einer progressiven Präsidentin
Die linke Zeitschrift Jacobin sieht dafür den Moment gekommen. Mamdanis Sieg bei der Vorwahl in New York sei „ein landesweites politisches Erdbeben“, kommentierte sie. Die Wähler seien des Parteiestablishments müde, nachdem es das Land Donald Trump ausgeliefert habe.
Den Schlüssel zu einem Sieg bei den Zwischenwahlen im kommenden Jahr sehen der linke Flügel sowie linke Kleinparteien in Kandidaten, die einen linken wirtschaftlichen Populismus predigen. Über Charisma sollen sie verfügen, damit sie wie Mamdani in sozialen Medien eine Bewegung um sich scharen können und Establishment-Kandidaten verdrängen. Gerade solche, die dank Großspendern über größere Wahlkampfkassen verfügen.
Manche träumen nun schon davon, dass Mamdanis Erfolg etwas einleiten könnte, das dann eine noch viel größere Sensation wäre: 2028, bei den Präsidentschaftswahlen, könnte eine linke New Yorkerin Kandidatin der Demokraten werden. Alexandria Ocasio-Cortez, Kongressabgeordnete aus der Bronx, derzeit oft auf Tournee mit dem sozialdemokratischen Urgestein Bernie Sanders.
Die Jubelstimmung von David Hogg und anderen Progressiven könnte sich aber bald wieder verflüchtigen. James Carville, streitbarer Parteistratege, warnte in der Washington Post bereits: „Ignoriert New York.“ Einverstanden ist er zwar damit, dass die Demokraten mit wirtschaftlichem Populismus in die nächsten Wahlen ziehen statt mit linker Gesellschaftspolitik. Alles andere wäre eine Überraschung. Carville hatte 1992 als Bill Clintons Berater die Beobachtung, dass wirtschaftliche Fragen die Wahlen entscheiden, in die prägnante Formulierung „It’s the economy, stupid“ gegossen.
Bei regionalen Vorwahlen der vergangenen zwei Jahre haben alle Kandidaten aus dem Lager von Bernie Sanders verloren
Allerdings bevorzugen die Amerikaner laut Carville nicht linke Lösungen, sondern solche aus der politischen Mitte. Bei den regionalen Vorwahlen der vergangenen zwei Jahre habe kein einziger Mainstream-Kandidat gegen Herausforderer aus dem Lager von Bernie Sanders verloren, argumentiert er. In New Jersey und in Virginia zum Beispiel nominierte die Parteibasis zwei moderate Frauen, Mikie Sherrill und Abigail Spanberger, für das Gouverneursamt.
Für Carvilles These spricht, dass Mamdani in New York zwar deutlich gewonnen hat. An der Vorwahl durften indes nur als Demokraten registrierte Wähler teilnehmen. Ein Drittel davon stimmte ab, knapp eine Million Menschen. Beim Wahltermin im November können aber fünf Millionen New Yorker mitreden.
Üblicherweise siegt in der Stadt der Kandidat der Demokraten, Mamdani hat also gute Chancen. Doch selbst im linken New York dürfte das Rennen mit einem so weit links stehenden Kandidaten unübersichtlich werden. Der unterlegene Cuomo könnte als Unabhängiger antreten. Genau das plant bereits der von Skandalen geplagte amtierende Bürgermeister Eric Adams, ein weiterer Demokrat.
Zumindest aber facht Mamdani den Richtungsstreit bei den US-Demokraten an. Ein möglicherweise heilsamer Prozess für eine Partei, die viele Amerikaner bereits abgeschrieben hatten.