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So gehen die Polen mit Böllern um | ABC-Z

Feuerwerksverkauf hinter der Grenze

So gehen die Polen mit Böllern um


So 19.01.25 | 06:00 Uhr | Von Nastasja Kowalewski

Bild: rbb/Weiss

In Polen kann man ganzjährig Feuerwerk kaufen. Zwar muss auch die polnische Pyrotechnik den europäischen Sicherheitsstandards entsprechen. Dennoch sind illegale Böller auf dem Polenmarkt erhältlich und schaffen es über die Grenze. Von Nastasja Kowalewski

Im Gegensatz zu Deutschland kann man in Polen das ganze Jahr über Feuerwerke kaufen. Lenny W. aus Brandenburg macht davon gut und gerne Gebrauch: Regelmäßig ist er in Polen zum Feuerwerkseinkauf. Die Pyrotechnik würde er nur aufbewahren und erst an Silvester schießen, sagt der 23-Jährige. Der Brandenburger, der sich selbst als “Pyrofanatiker” bezeichnet, ist Mitarbeiter in einem Fachhandel für Feuerwerksartikel in Słubice. Er selbst besitze auch einen Sprengstoffschein – also eine Genehmigung für F3-Feuerwerksartikel, erzählt Lenny W.

Feuerwerk in vier Kategorien

In Deutschland werden Feuerwerkskörper in vier Kategorien geteilt: Die erste Kategorie F1 bilden kleine Feuerwerkskörper, die das ganze Jahr erworben werden dürfen, wie zum Beispiel Wunderkerzen. Klassische Silvesterraketen gehören zur F2-Kategorie und dürfen zur Silvesternacht ab 18 Jahren gekauft werden. Für größere und lautere Böller, die zur Kategorie F3 gehören, braucht man in Deutschland eine Erlaubnis.

Die habe sich Lenny W. mit wenig Aufwand besorgt: “In Brandenburg musste ich einen Fragebogen ausfüllen und 200 Euro Gebühr bezahlen”, erzählt er. In Polen kauft der Pyrofan Artikel aus den Kategorien F2 und F3.

Feuerwerkskörper der Kategorie F3 können im Nachbarland ab 18 Jahren ohne Erlaubnis erworben werden. Seinen Schein musste Lenny W. in Polen bisher nicht zeigen, nur wenn er über die Grenze nach Deutschland fahre und die Polizei ihn kontrolliere, so W. Vor Silvester wurde er etwa dreimal an der Grenze angehalten.

Die sogenannte Kugelbombe, die zum Jahreswechsel für besonders viel Aufsehen sorgte, gehört zur F4-Kategorie. Das sind Feuerwerkskörper, die sowohl in Deutschland als auch in Polen nur von geschulten Pyrotechnikern erworben und gezündet werden dürfen.

Blick auf die Verkaufsauslage eines polnischen Feuerwerksladens mit Raketen (Quelle: rbb/Weiss).
Kurz hinter der deutsch-polnischen Grenze in Slubice können ganzjährlich Feuerwerkskörper erworben werden. | Bild: rbb/Weiss

Lücken bei den Grenzkontrollen

Alle zum Verkauf angebotenen Feuerwerkskörper in der EU müssen mit einer CE-Kennzeichnung versehen sein. Der Verkauf ohne Kennzeichnung ist sowohl in Deutschland als auch in Polen illegal. Nach Angaben des deutschen Zolls fehle aber bei eingeführten Waren oftmals eine derartige Zulassung. Auch gefälschte Zulassungszeichen würden vorkommen.

Wer solche Feuerwerkskörper trotzdem nach Deutschland einführt, begehe laut Generalzolldirektion in Bonn eine Straftat. Die Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz können mit bis zu drei Jahren und in besonderen Fällen mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro bestraft werden, berichtet Yvonne Schamber im Auftrag der Generalzolldirektion. Trotzdem schaffen die illegalen Böller immer wieder über die Grenze.

“In Polen auf dem großen Markt dürfen die eigentlich nicht verkauft werden. Viele machen es trotzdem. Kontrolliert wird da so gut wie niemand”, berichtet Lenny W. über seine Erfahrungen. Auch auf deutscher Seite käme es zu lückenhaften Kontrollen. Der stellvertretende Vorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft Heiko Teggatz sagte in einem Interview im Deutschlandfunk am 3. Januar 2025, der Zoll sei wegen Personalmangels nicht in der Lage, effektiv an den Grenzen zu kontrollieren. Das bestätigt die deutsche Polizeigewerkschaft auf rbb-Nachfrage.

Die Regeln in Polen

Die Verwendung von Feuerwerkskörpern ist in Polen wie in Deutschland durch Vorschriften genau geregelt. Das Gesetz verbietet auch in Polen das Zünden von Feuerwerkskörpern in der Öffentlichkeit außerhalb bestimmter Tage, wie Silvester oder Neujahr. Dafür braucht man auch in Polen eine Sondergenehmigung.

Viele Menschen würden bei Anlässen, wie Hochzeiten, Sportveranstaltungen oder privaten Feiern auch illegal Feuerwerkskörper zünden, berichtet Renata Yanisiv, Direktorin des europäischen Verbraucherzentrums (EVZ) in Polen. Der Verstoß koste die Polen etwa 500 Zloty, also rund 120 Euro. Auf privaten Grundstücken dagegen darf man in Polen das ganze Jahr über Feuerwerk zünden.

In Deutschland sorgte die Kugelbombe nicht nur für massive Schäden an Häusern. Bundesweit verantwortete der F4-Feuerwerksörper in der Silvesternacht sogar fünf Todesfälle. Nach Angaben der europäischen Verbraucherzentrale wurden auch in Polen Verletzungen durch Feuerwerkskörper festgestellt: “Drei Jugendliche wurden mit Kopf- und Handverletzungen, die durch eine Explosion eines Feuerwerkskörpers verursacht wurden, in ein Krankenhaus eingeliefert”, berichtet Renata Yanisiv. Todesopfer habe es keine gegeben.

Diskussion über ein Böllerverbot

Rund zwei Millionen Menschen fordern nun in zwei Petitionen ein Böllerverbot für Privatleute. Mit der Kampagne “#BöllerCiao” möchte die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP) Angriffe mit Feuerwerkskörpern auf Beamte verhindern. Auch die Deutsche Umwelthilfe spricht sich für ein Verbot aus.

Ein Böllerverbot wäre ein unverhältnismäßiger Eingriff in Tradition und persönliche Freiheit, findet Lenny W. “Stattdessen sollten gezielte Maßnahmen getroffen werden, um Missbrauch zu verhindern und die Sicherheit zu erhöhen, ohne den Großteil der Menschen zu bestrafen, die verantwortungsvoll feiern”, sagt Lenny W. Ein Verbot würde seiner Meinung nach den Kauf von sogenannten “Polenböllern” nur verstärken.

In den letzten Jahren habe sich die Debatte über ein Verbot von Feuerwerkskörpern auch in Polen verschärft. Nach Angaben der europäischen Verbraucherzentrale, plädieren immer mehr Menschen für Einschränkungen oder ein vollständiges Verbot, obwohl die Tradition des Feuerwerks zu Silvester und auch bei anderen Feierlichkeiten tief in der polnischen Kultur verwurzelt sei.

Beitrag von Nastasja Kowalewski


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