„Skurrile Mischung aus Arbeit und Urlaub“ | ABC-Z

Herr Friedel, wir treffen uns zum Interview in Berlin, obwohl gestern Abend in Los Angeles die dritte Staffel von „The White Lotus“, in der Sie mitwirken, Premiere hatte. Man wird Sie doch wohl hoffentlich eingeladen haben?
Ja, ich war eingeladen, und ich wäre auch wirklich gern dabei gewesen. Am Ende der Dreharbeiten hatten wir noch darüber gesprochen, wie sehr wir uns auf ein Wiedersehen freuen. Als ich in unserer Whatsapp-Gruppe, die wir als Ensemble hatten, viel Spaß bei der Premiere wünschte, waren einige ganz geschockt, dass ich nicht dabei sein würde. Aber ich drehe gerade die neuen Folgen von „Babylon Berlin“, und es ließ sich zeitlich einfach nicht vereinbaren, zwischendurch in die USA zu fliegen. Obwohl ich schon ein wenig Fernweh habe und gern mal wieder zurück nach Amerika gehen würde. Trotz Trump.
Sind Sie schon seit der ersten Staffel Fan der Serie?
Ich wusste, dass sie existiert, hatte sie aber ehrlich gesagt nie gesehen. Das habe ich erst nachgeholt, als ich für das Casting angefragt wurde. Dann war ich sofort Feuer und Flamme und konnte mir gar nicht erklären, wie „The White Lotus“ so lange an mir vorbeigehen konnte. Ich schiebe das jetzt einfach mal auf die Schwemme an tollen Serien. Da kommt man kaum hinterher. Gerade wenn man wie ich ein Komplettist ist, der alles zu Ende guckt, was er angefangen hat. Wobei ich durch „The Walking Dead“ auch dazugelernt habe. Das wurde ja immer schlechter, und irgendwann habe ich doch aufgegeben.
Hat „White-Lotus“-Schöpfer Mike White Sie bei „Babylon Berlin“ entdeckt? Oder in „The Zone of Interest“?
Ich denke schon, dass „The Zone of Interest“ etwas damit zu tun hatte. Ich weiß, dass der „White-Lotus“-Produzent David Bernad ein großer Fan des Regisseurs Jonathan Glazer ist. Vielleicht hat er mich für die Castings ins Gespräch gebracht. Ich weiß auf jeden Fall auch von mindestens zwei anderen deutschen Kollegen, die vorgesprochen haben.
Dann war die von Ihnen gespielte Rolle des Resort-Managers von Anfang an als Deutscher gedacht?
In der originalen Drehbuchfassung war das ein Schweizer Hotelchef. Mike White reist für die Recherche immer in solche Resorts, in denen er dann die jeweiligen Staffeln schreibt. Dabei traf er wohl in Thailand einen Hotelmanager aus der Schweiz, den er skurril fand. Von dem hat er mir erzählt, allerdings wollte er nicht, dass ich den einfach kopiere. Dass ich dann etwas Eigenes daraus machen konnte, hat mich schon deswegen gefreut, weil mir der Schweizer Dialekt erspart blieb.
Was war für Sie das Reizvolle an der eher kleinen Rolle?
Mich interessierte, was das für ein Mensch ist, der weit entfernt von seiner Heimat Spiritualität und innere Ruhe finden möchte. Oder besser gesagt so tut, als hätte er sie gefunden, obwohl das letztlich gar nicht der Fall ist. Das komödiantische Potential, das in der Figur angelegt war, gefiel mir sofort. Und es war toll, zu sehen, wie Mike sie noch verändert hat, nachdem er mich besetzt hatte. So hat diese Randfigur eine kleine, süße Geschichte bekommen, die sich zum Ende der Staffel hin zeigen wird. Da geht es auch um Karma, um Mut und die Frage, welche Konsequenzen die Entscheidungen haben, die man im Leben trifft. Alles Dinge, die zur großen Überschrift dieser Staffel passen.
Die Überschrift lautet: Spiritualität. Wie sieht Ihr Bezug dazu aus?
Ich bin ohne Religion aufgewachsen, glaube aber trotzdem, dass es Dinge gibt, die man nicht erklären kann oder die wir nicht wissen. Ich kann Menschen verstehen, die wirklich an etwas glauben und ihr Leben nach solchen Gesetzmäßigkeiten ausrichten, auch wenn ich selbst das nie tun würde. Ich will die Dinge lieber direkt in der Realität zu fassen bekommen. Trotzdem interessiert mich Spiritualität als Thema, das gilt besonders für den Buddhismus. Die Lebensweisheiten, die man dort findet, und auch was man über den Tod erzählt, das spricht mich mehr an als bei als anderen Religionen.

Praktizieren Sie Buddhismus in irgendeiner Form?
Nein, wirklich in die Lehre eingestiegen bin ich bisher nicht. In der Schauspielschule haben wir damals meditiert, da bin ich zum ersten Mal mit dieser Praxis konfrontiert worden. Ich fand das toll und denke immer mal wieder, dass ich das auch heute in meinem Leben öfter gebrauchen könnte. Auf die innere Stimme hören und zur Ruhe kommen, das tut in einer Zeit, in der wir uns zuballern mit Informationen und Bildern, sicher gut.
Hatten die Dreharbeiten in Thailand auch etwas von Urlaub? Oder ist das eine naive Vorstellung?
Ich habe heute erst das Wort „Workation“ gelernt. Das trifft es ziemlich gut. Es war schon eine skurrile Mischung aus Arbeit und Urlaub. Ich war Anfang letzten Jahres wirklich urlaubsreif, nach all den Reisen für die Promotion von „The Zone of Interest“ – und plötzlich bekam ich Sonne, Strand, vielleicht sogar Ruhe auf dem Silbertablett serviert. Natürlich haben wir nie ganz aus dem Auge verloren, dass wir zum Arbeiten dort sind.
Sie sind auch von Thailand aus immer wieder etwa zur Oscarverleihung oder zu Theatervorstellungen in Düsseldorf geflogen.
Ja. Man hatte mir bei „The White Lotus“ angeboten, mich durchzubuchen. Aber fünf oder sechs Monate Thailand am Stück wären mir doch eine Prise zu viel Urlaub gewesen. Mir wäre da wohl irgendwann die Decke auf den Kopf gefallen. Deshalb war ich ganz froh, zwischendurch in Deutschland auf der Bühne stehen zu können. Außerdem hatte ich mit meiner Band noch ein Gastspiel in Rumänien.
Und die Oscars? War das eher lästige Pflicht oder auch Spaß?
Klar war das auch Spaß. Wann hat man schon die Chance, zu den Oscars zu kommen? Und das für mich nach „Das weiße Band“ schon zum zweiten Mal? So was hätte ich mir nie ausgemalt. Diesmal war es besonders schön, weil die Oscarkampagne so einen langen Vorlauf hatte und wir all die anderen Nominierten mit der Zeit kennenlernen konnten. Dieses unglaublich Ehrfürchtige verflog dadurch irgendwann. Dass am Ende alles auch noch mit zwei Oscars belohnt wurde, war natürlich genial.
Was war die schönste Begegnung, die Sie auf dieser monatelangen Reise des Films hatten?
Da gab es viele, aber dass ich bei der Premiere in London kurz mit Thom Yorke von Radiohead sprechen konnte, das war sicher die allerschönste. Er ist mein Held, und als meine Freunde mich darauf aufmerksam machten, dass er hinter mir steht, habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und ihn angesprochen. Ich habe mich einfach bedankt, und als er gecheckt hat, dass ich in dem Film mitgespielt habe, haben wir uns auch noch über die Arbeit unterhalten. Wobei ich dann wirklich versucht habe, mich schnellstmöglich wieder zu verabschieden, denn er sollte nicht genervt davon sein, dass da ein Überfan vor ihm steht.
Demnächst steht eine ganz andere Preisverleihung an: Sie moderieren Anfang Mai den Deutschen Filmpreis. Spannend, sich einmal an einem ganz anderen Job zu versuchen?
Ich wurde jetzt schon öfter angesprochen von Leuten, die gesagt haben: Wow, bist du mutig!
Braucht es Mut, um durch diesen Abend zu führen?
Klar, das kann auch schiefgehen. Aber ich liebe es, Dinge auszuprobieren. Selbst wenn ich weiß, dass ich aufgeregt sein werde wie die Hölle. Aber ich bin zu neugierig, als dass ich das hätte absagen können. Zudem habe ich meine Band dabei, wir bereiten uns schon jetzt darauf vor. Der Blick hinter die Kulissen ist spannend, auch zu sehen, wie schwierig es ist, so eine Veranstaltung an den Start zu bringen und Menschen zu finden, die sich auf die Bühne stellen und andere würdigen. Ich werde da als Moderator sicher nicht das Rad neu erfinden. Aber wenn es uns gelingt, eine gewisse Leichtigkeit, vielleicht sogar Humor und vor allem Freude am Feiern auf die Bühne zu bringen, wäre das doch toll.
Wie viel Rampensau steckt in Ihnen?
Wer mich schon mal auf der Bühne erlebt hat, kann diese Frage vermutlich beantworten. Nur wer mich eher aus Filmen kennt, denkt, ich sei ein zurückgenommener, geheimnisbewahrender Mensch. Aber das sind mehr die Rollen als ich.