Skispringen in Engelberg: Pius Paschkes Rückkehr zum Ursprung des Erfolgs | ABC-Z
Skispringer Pius Paschke ist in der Form seines Lebens und geht als Favorit beim Weltcup in Engelberg an den Start. Dort, wo der erstaunliche Höhenflug vor einem Jahr begann.
Die Medien überschlugen sich mit Lobeshymnen. In Anlehnung an den legendären Japaner Noriaki Kasai, der noch im stolzen Alter von 42 Jahren einen Skisprung-Weltcup gewinnen konnte, war plötzlich der “Kasai von Kiefersfelden” geboren, die große Überraschung, mit der die wenigsten gerechnet hatten. Das alles geschah vor einem Jahr, als Pius Paschke im Spätherbst seiner Karriere erstmals ganz oben auf dem Podest stand.
Paschke ist mittlerweile 34, seinen Spitznamen hat er nicht eingebüßt. Schließlich war der Triumph am 16. Dezember 2023 in Engelberg alles andere als eine Eintagsfliege. Zwar konnte der Bayer bis zum Saisonende keinen weiteren Sieg feiern, dafür versetzt er die Skiprung-Welt in diesem Winter ins Staunen. In Titisee-Neustadt feierte Paschke die Weltcup-Siege Nummer vier und fünf in dieser Saison – in Einzelwettbewerben wohlgemerkt. Anderthalb Wochen vor Beginn der Vierschanzentournee sind die Hoffnungen auf den ersten deutschen Sieg seit 22 Jahren groß wie selten.
Tournee-Hoffnung Paschke
Bundestrainer Stefan Horngacher weiß um die Favoritenrolle, nimmt diese “sehr gern an“. Im vergangenen Jahr war sein Team an einem ähnlichen Punkt. Auch damals waren die deutschen Skispringer, angeführt von Andreas Wellinger, als Mitfavorit zur Tournee gereist. Das Selbstvertrauen dürfte dieses Mal aber noch etwas größer ausfallen. Schließlich weiß Horngacher mit Paschke den überragenden Athleten in diesem Weltcup-Winter in seiner Mannschaft.
Und der fühlt sich sichtlich wohl im Gelben Trikot. Seine Sprünge zeugen von einem Selbstverständnis, das derzeit seinesgleichen sucht. Wie ein Schweizer Uhrwerk setzt Paschke sein System mit präziser Genauigkeit um und liefert Wettkampf für Wettkampf – egal, wie groß der Druck der Konkurrenz ist. Auch beim zweiten Sieg in Titisee-Neustadt behielt er trotz schwieriger Bedingungen die Nerven und schob sich mit der Winzigkeit von 0,4 Punkten noch vor den zur Halbzeit führenden Österreicher Michael Hayböck.
“Hart am Limit“, beschrieb er im Anschluss seine Leistung. “Aber das ist das Vertrauen, das ich gerade habe.” Auf Paschke ist derzeit eben Verlass. Seit seinem Premierensieg in Engelberg hat er beharrlich weitergearbeitet. Ob Anlaufphase, Absprung, Flugphase oder Landung – Paschke ist ein kompletter Springer geworden, der sich im Laufe eines Wettbewerbs zu steigern weiß. Auch dank der Arbeit mit einem Mentaltrainer, der aus dem einst zu nervösen Skispringer einen heißen Kandidaten auf die Vierschanzentournee gemacht hat.
Vorfreude auf Engelberg
Nun gilt es für das gesamte deutsche Team, noch einmal Selbstvertrauen vor dem Saisonhighlight zu tanken. Allen voran Paschke blickt der Herausforderung auf der Gross-Titlis-Schanze in der Schweizer Gemeinde Engelberg vorfreudig entgegen. “Ich habe letztes Jahr in Engelberg meinen ersten Sieg feiern dürfen, da ist die Freude gleich nochmal größer“, sagte er vor dem ersten von zwei Einzelspringen am Samstag (16 Uhr im Sportschau-Livestream).
Auch das Setting passt. ”Ich mag das Profil der Schanze und komme auch mit dem Rückenwind gut klar, der dort meist weht“, meinte Paschke und erklärte weiter: “Meist sind Ort und Berge tief verschneit, und es herrscht eine stimmungsvolle, vorweihnachtliche Atmosphäre.“
Paschke reist in Gelb zur Tournee
Eines ist schon jetzt klar: Paschke wird beim Tournee-Auftakt in Oberstdorf weiter das Gelbe Trikot des Gesamtweltcup-Führenden tragen. Egal, mit welchen Ergebnissen das Wochenende in Engelberg endet. Mit 676 Punkten, übrigens mehr als seine Teamkollegen zusammen, führt er den Weltcup momentan deutlich vor dem Österreicher Daniel Tschofenig (456) an. Paschke ist aktuell zudem der einzige Springer im gesamten Weltcup, der es bisher immer in die Top 10 geschafft hat. Fünf Siege in den ersten acht Wettbewerben waren zuvor auch noch keinem anderen Deutschen gelungen.
Die damit einhergehende Favoritenrolle bei der Tournee wirkt aber nicht wie eine Last auf seinen Schultern. “Ich freu mich wirklich drauf“, hatte Paschke bereits in Titisee-Neustadt angekündigt. Er sei “ganz positiv” gestimmt, “dass ich da meine Sachen ordentlich abrufen kann.” Schließlich haben auch die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr geholfen, als er die Tournee auf Platz 20 im Endklassement doch ein wenig hinter den Erwartungen abgeschlossen hatte. Die richtigen Lehren hat er in jedem Fall daraus gezogen. Denn plötzlich ist der “Kasai von Kiefersfelden” Favorit statt Eintagsfliege. Auch in Engelberg.
Das deutsche Aufgebot in Engelberg
- Männer: Pius Paschke (WSV Kiefersfelden), Andreas Wellinger (SC Ruhpolding) Karl Geiger (SC Oberstdorf), Markus Eisenbichler (TSV Siegsdorf), Stephan Leyhe (SC Willingen), Philipp Raimund (SC Oberstdorf), Adrian Tittel (SG Nickelhütte Aue)
- Frauen: Katharina Schmid (SC Oberstdorf), Selina Freitag (WSC Erzgebirge Oberwiesenthal), Alvine Holz (WSV Bad Freienwalde), Agnes Reisch (WSV Isny), Juliane Seyfarth (WSC Ruhla), Emely Torazza (SC Oberstdorf)