Ski: Darum hat sich Odermatt einen neuen Konditionstrainer geholt | ABC-Z

AZ: Herr Odermatt, erst mal die wichtigen Fragen: Wo in aller Welt habe ich mir in diesem kurzen Riesenslalom bloß die 13 Sekunden Rückstand auf Sie eingehandelt?
MARCO ODERMATT: Meistens verliert man die Zeit von oben bis unten.
Odermatt: “Der Teamgeist ist definitiv einzigartig”
Und wie schnell wächst eigentlich so eine Glatze nach?
(Zieht die Baseballcap ab, zum Vorschein kommt eine Kurzhaar-Frisur, aber schön dicht immerhin)
Zum Glatzkopf wurden Sie im Februar, bei einer wohl recht wilden Feier mit dem Schweizer Team bei der WM in Saalbach. Einerseits ist es sicher schön und motivierend mit so vielen starken Fahrern im Team zu fahren – aber werden die Ihnen allmählich nicht ein bisschen zu gut?
Es ist schon unglaublich, was wir in diesem Jahr gezeigt haben, eine rekordträchtige Saison. Der Teamgeist ist definitiv einzigartig und bei der WM auf ein neues Level gehoben worden. Wenn es etwas zu feiern gibt, sollte man das auch zusammen genießen und erleben dürfen. Wir trainieren zusammen, besichtigen zusammen, pushen uns gegenseitig, haben Spaß daran miteinander Ski zu fahren. Klar kommen mir die Kollegen schon sehr nahe, haben mich ja auch schon überholt, aber schlussendlich kämpfen wir ja gegen alle in der Welt. Sind wir doch froh, dass wir so viele gute Skifahrer haben in der Schweiz. Wenn ich irgendwann mal fertig bin mit der Karriere, werde ich am Fernseher Siege meiner Mannschaftskameraden bewundern können. Jetzt sind wir Konkurrenten für diese ein oder zwei Minuten, und wenn jemand schneller ist, ist da zuallererst Respekt.
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Öffentlichkeit sieht Odermatt den Druck nicht so sehr an
Nimmt Ihnen dieses so breit aufgestellte Team womöglich auch etwas an Druck mit Blick auf Olympia im kommenden Jahr?
Die Öffentlichkeit sieht das Team nun als Schweizer Team und nicht bloß als Marco Odermatt, und das ist sicherlich gut. Aber letztendlich will ich selbst die Medaillen gewinnen, was an meinem persönlichen Druck also nichts ändert.
Wer so viel gewinnt wie Sie in den vergangenen Jahren, schürt natürlich Erwartungen. Wie gehen Sie mit diesem ständigen Druck um?
Es kommt immer viel zusammen in so einer Saison. Wenn ich Ergebnisse liefern will und muss, dann ist das schon Druck – den man mir vielleicht nicht so ansieht. Diese Selbstverständlichkeit, mit der man mit diesen Top-Platzierungen rechnet – da erwische ich mich manchmal selbst dabei. Aber es beginnt bei jedem Rennen zu hundert Prozent bei null. Es bringt effektiv nichts, was gestern war, wenn du allein am Start stehst und wieder schnell Ski fahren willst.
Odermatt: “Die Heim-Siege in Adelboden und Wengen waren sehr speziell”
Haben Sie einen Lieblingsmoment in dieser mal wieder unfassbar erfolgreichen Saison?
Es war wirklich eine unglaubliche Saison, in der eigentlich alle Ziele und Wünsche aufgegangen sind. Ich könnte zu jedem Sieg oder Podestplatz eine kleine Geschichte erzählen. Der Sieg in Val d’Isere nach drei Ausfällen in Serie im Riesenslalom, was noch nie da gewesen ist: Das war speziell. Auch der Sieg in Gröden eine Woche später, durch den ich mit Pirmin Zurbriggen in Sachen Weltcup-Siegen gleichgezogen habe, zudem auf dieser schwierigen Strecke. Die Heim-Siege in Adelboden und Wengen waren natürlich auch sehr speziell, aber mein emotionaler Höhepunkt war eigentlich der Sieg in Kitzbühel, auch wenn es noch nicht in der Abfahrt, sondern im Super-G war. Aber so ein Gams zuhause stehen zu haben, ist schon besonders. Das war schon ein ganz großes Ziel.
Auf Instagram haben Sie mal gepostet, dass der Riesenslalom immer Ihre große Liebe sein wird.
Das war meine erste Disziplin. Die ersten Jahre im Weltcup bin ich nur Riesenslalom gefahren, ehe dann die Speed-Disziplinen dazu kamen, die mich nun schon immer mehr reizen und Priorität gewonnen haben. Die Abfahrten sind schon die größten Rennen, es sind die Klassiker, darum wurden das auch meine größten Ziele. Weil ich die anderen beiden kleinen Kugeln bereits hatte, hat sich da der Fokus etwas verschoben. Das Kribbeln bei einem Sieg in der Abfahrt ist noch etwas größer. Der Abfahrts-Sieg in Kitzbühel steht noch ganz oben auf meiner Liste.

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Odermatt will noch zwei zwei Jahre auf Weltklasse-Niveau fahren
Der Weltcup-Ski-Zirkus ist eine krasse Tretmühle mit zigtausend Reise-Kilometern. Wie lange können Sie noch wie bisher in drei Disziplinen auf diesem Weltklasse-Niveau fahren?
Das habe ich mich auch schon gefragt. Ich hoffe, sicher noch zwei Jahre. Es kommen jetzt zwei wichtige Jahre mit Olympia und der Heim-WM in Crans Montana. Danach kann ich mir schon vorstellen, dass ich ein paar Rennen rausnehme, tendenziell im Riesenslalom. Ich fahre lieber noch zwei, drei Jahre länger Ski mit einem reduzierten Programm anstatt die Freude zu verlieren und irgendwann ausgebrannt zu sein.
Apropos Freude: Nach dem Saisonfinale in den USA haben Sie sich endlich mal etwas gegönnt.
Ich war mit meinem Mannschaftskameraden Justin Murisier und Steve Nyman (ehemaliger US-Weltcupfahrer, d. Red.) beim Heli-Skiing in Alaska – das habe ich zuvor noch nie gemacht! Danach war ich dann aber erst mal daheim. Wenn bei uns schönes Wetter ist, bleibe ich auch gern daheim, da muss ich nicht unbedingt wegfahren. Ich habe das mal nachgezählt: Während der Saison war ich von November bis März gerade mal 21 Nächte zu Hause.
Odermatt: “Du musst auf den Körper hören”
Mit Saisonende haben Sie sich auch von Ihrem Konditionstrainer getrennt und mit Alejo Hervas, der zuvor Lara Gut-Behrami trainiert hatte, einen neuen engagiert. Wie kam es dazu?
Mir war es wichtig, jemanden mit viel Erfahrung zu holen. Der weiß, was es heißt, Rennen zu gewinnen und wie lange die Tage dann sind. Ich brauche niemanden, der mir sagt, das Lehrbuch schreibt dieses und jenes vor. Wenn du in fünf Tagen fünf Rennen hast, kannst du das Lehrbuch ziemlich schnell über den Haufen werfen und musst auf den Körper hören. Regeneration steht im Vordergrund. Potenzial gibt es immer, man kann sich stets verbessern.