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Sinnbild des Irrsinns bei der Klub-WM | ABC-Z

Es ist 15.44 Uhr in Miami, als sich der Kreis des Geldes schließt. Als der Mittelfeldspieler Rúben Neves das erste Tor für die Mannschaft aus Saudi-Arabien schießt bei diesem Turnier, das von Saudi-Arabien mitfinanziert wird. Neves, einen Finger an der Stirn, als würde er nachdenken, läuft jubelnd am Tor vorbei, auf die Werbebande zu, auf der während des Spiels immer wieder drei Buchstaben aufleuchten: PIF. Public Investment Fund.

Der PIF ist der saudi-arabische Staatsfonds, er ist Sponsor dieses Turniers. Er ist aber auch der Mehrheitseigentümer von al-Hilal, dem Klub von Rúben Neves. Und auch deshalb steht in dem Moment des für diesen Klub wichtigen Tores, im Moment dieses 1:1 für al-Hilal gegen das große Real Madrid, eine Frage in der drückenden, 33 Grad Celsius heißen Luft von Miami: Wenn dieses Tor al-Hilal eine Million Dollar einbringt – so hoch ist die Prämie für ein Unentschieden bei dieser Klub-WM – bezahlt sich der Staatsfonds dann selbst?

Man würde sich gerne auf Fußball konzentrieren an diesem Mittwochnachmittag. Schließlich beginnt hier eine der spannendsten Fußballgeschichten dieses Turniers: Die von Xabi Alonso, dem vielleicht gefragtesten unter den vielen Fußballtrainern, bei Real Madrid, dem strahlkräftigsten und erfolgssüchtigsten Fußballklub der Welt. Aber man kann sich all den Absurditäten der Klub-Weltmeisterschaft nicht entziehen, die an diesem Tag so sichtbar werden. Auch, weil wenige Minuten vor dem Tor von Rúben Neves eine sehr skurrile Pressekonferenz beginnt.

Juventus-Kicker als Staffage des Absurden

Während sich in Miami die Spieler von Al-Hilal um ihren Torschützen versammeln, haben sich in Washington, D.C. die Spieler von Juventus Turin hinter Donald Trump versammelt. Buchstäblich. Sechs von ihnen stehen in diesem Moment im Oval Office; links von ihnen ruht der Klub-WM-Pokal, den Trump dort schon früher bewundert hat, rechts steht der Mann, dessen Name den Pokal ziert: der Präsident des Weltfußballverbandes FIFA, Gianni Infantino. Außerdem anwesend sind der CEO, der Manager, der Trainer und der Besitzer von Juventus Turin, dazu der Fußballdirektor Giorgio Chiellini.

Sie sind vom Weißen Haus eingeladen worden, Donald Trump nennt den Besitzer John Elkann einen Freund. Was dazu führt, dass sie hinter dem Präsidenten stehen, während er über die Kriege dieser Welt sinniert, über einen „Regime Change“ in Iran. Und als er in seinen Ausführungen abschweift, als er sagt, auch Joe Biden hätte nicht „Transgender für alle“ gewollt; als er auf vermeintliche Männer zu sprechen kommt, die in Frauenteams Sport treiben würden, da müssen die Spieler plötzlich Fragen beantworten. „Könnte eine Frau bei euch mitspielen, Jungs?“, fragt der Präsident die Spieler von Juventus.

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Stille. Betretene Gesichter. Niemand will, das ist offensichtlich, Sprüche klopfen mit Trump, auf Kosten von Frauen und trans Menschen. Weder die Männer aus dem Management, von denen einer sagt, sie hätten „eine sehr gute Frauenmannschaft“, noch die beiden anwesenden US-Nationalspieler, denen Trump zuvor die Hand geschüttelt hat: Weston McKennie, der der „Sport Bild“ einmal gesagt hat, er unterstütze Trump kein bisschen, man könne ihn als rassistisch bezeichnen. Und Timothy Weah, selbst Miteigentümer der Frauen-Fußballmannschaft Brooklyn F.C.

Trump, Infantino, Saudi-Arabien

Und doch stehen die beiden da, müssen da stehen, Staffage des Absurden, während Trump redet und Infantino lacht. Machen ausdruckslose Miene zum Spiel ihrer Präsidenten, dem ihres Landes und dem ihres Sports. „Sie sagten uns, dass wir dorthin gehen müssten, ich hatte keine Wahl“, wird Weah später sagen. „Als er anfing, über politische Fragen in Bezug auf Iran und solche Dinge zu sprechen – ich will ja einfach nur Fußball spielen.“

Trump, Infantino, Saudi-Arabien: Dieser Dreiklang ist die stetige Begleitmusik, der Rahmen, in dem in diesen Tagen in Amerika Fußball gespielt wird. Man kann das alles schwer überhören, weil die Beteiligten es einem so schwer machen. Das war schon im Winter so, als der Fußball-Weltverband den Milliardendeal mit DAZN bekanntgab und DAZN kurz darauf einen Milliardendeal mit Saudi-Arabien vermeldete.

Es war seither so, weil man sich fragen musste, wie Donald Trump das Turnier beeinflussen werde. Es ist auch am Tag des Eröffnungsspiels so, als die Nachricht durchdringt, dass Saudi-Arabien, Geldgeber dieses Turniers, den regimekritischen Journalisten Turki al-Jasser hingerichtet hat. Es sei, schreibt der „Guardian“, die erste öffentlichkeitswirksame Hinrichtung eines Journalisten seit dem Mord an Jamal Kashoggi 2018 in Istanbul.

Selbstverständlich, lügt Infantino

Und es ist an diesem Mittwoch so, an dem Xabi Alonso, an dem der Fußball im Fokus stehen soll, an dem sein erster Gegner aber al-Hilal aus Riad ist. Und der im Besitz desselben Staates, der das Turnier sponsert, der wenige Tage zuvor einen Journalisten hingerichtet hat.

Dieser Klub gewinnt am Ende einen Punkt gegen das große Real Madrid. Es ist ein kleines Signal an die Welt, die sich seit zwei Jahren fragt, wie gut die spendablen Vereine der Saudi-Pro-League tatsächlich sein können. Draußen in der Hitze feiern junge Menschen in dunkelblauen Trikots mit der dunkelgrünen Fahne Saudi-Arabiens.

In den klimatisierten Katakomben freut sich Simone Inzaghi, der Trainer, der erst vor zwei Wochen vom Champions-League-Finalteilnehmer Inter Mailand nach Riad gewechselt ist. Über das Spiel, auf die Zukunft. Auch über seine Arbeitsumstände. Man gebe ihm alles, wonach er frage, sagt Inzaghi über den neuen Arbeitgeber. Dazu zählen auch gut 22 Millionen Euro, die er pro Jahr bekommen soll. Von al-Hilal, dem Turnierteilnehmer, also auch irgendwie vom Turniersponsor.

Als Inzaghi sich dann aus seinem Stuhl erhebt, sind es noch etwa drei Stunden, bis in Washington jene Männer auf dem Spielfeld stehen müssen, die am Nachmittag von Donald Trump eingeladen wurden. Das sei sicher absolut ausverkauft, hat Trump da gefragt. Wie Infantinos Turnier ja überhaupt „weitgehend ausverkauft“ sei. Selbstverständlich, lügt Infantino, und alle, die zusehen, dürften wissen, dass er lügt.

„Gianni, sag mal, was das Einreiseverbot ist“

Bisher ist kein einziges Spiel bei diesem Turnier ausverkauft gewesen, die Fußballwelt spricht seit Tagen darüber. Am Abend, bei Juventus, zählt der Verband rund 18.000 Zuschauer. Das reicht auch im kleinen „Audi Field“ in Washington nicht für ein volles Stadion. Dafür gewinnt Juventus 5:0 gegen Al Ain aus den Emiraten, ein Team, das Infantino und Juves Besitzer John Elkann vor Donald Trump indirekt noch als eines der besten der Welt bezeichneten. Weil ja nur die Besten teilnehmen an diesem besten aller Turniere.

Es ist ein Tag, der allen Irrsinn rund um dieses Turnier spiegelt, und der wieder mal die Frage aufwirft, die ein Reporter im Oval Office beiden Präsidenten stellt: Ob Trumps Einreiseverbot nicht zum Problem werde für die große WM im nächsten Jahr. „Wir haben da keine Sorgen“, sagt Infantino. Es sei ja auch noch ein Jahr lang Zeit zu arbeiten, man habe ein hervorragendes Verhältnis zum Präsidenten und der WM-Taskforce, die Trump eingerichtet hat.

Sekunden später fällt Trump ihm ins Wort und bekräftigt, dass sich Infantino sicher nicht zu viele Sorgen mache: „Er weiß gar nicht, was das Einreiseverbot ist“ sagt Donald Trump. „Gianni, sag mal, was das Einreiseverbot ist“, fordert er ihn auf. „Er weiß es nicht.“ Und der FIFA-Präsident steht daneben, lacht unbeholfen, und sagt nichts, bis es gleich darauf noch einmal um die hervorragenden Zuschauerzahlen geht.

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