Wirtschaft

Sinkende Steuereinnahmen: Glücksspieler weichen zunehmend auf den Schwarzmarkt aus | ABC-Z

Die Steuereinnahmen durch Online-Glücksspiel sinken. Die Branche macht den Boom illegaler Angebote für den Rückgang verantwortlich. Deren Anteil liege bereits zwischen 30 und 40 Prozent. Das ist nicht nur wirtschaftlich problematisch.

Das digitale Glücksspiel boomt – doch der Staat profitiert kaum davon. Das geht aus einer von WELT AM SONNTAG ausgewerteten Aufstellung des Bundesfinanzministeriums hervor. Dieser zufolge stiegen die Einnahmen der 16 Bundesländer durch „Rennwett- und Lotteriesteuern“ im vergangenen Jahr minimal von 2,48 auf 2,49 Milliarden Euro.

Überschaubare Zuwächse gab es bei Lotterien (plus 40 Millionen auf 1806 Millionen Euro), Sportwetten (plus 14 Millionen auf 423 Millionen Euro) und im Online-Poker (plus vier Millionen auf 35 Millionen Euro). Deutlich rückläufig waren dagegen die Steuereinnahmen aus dem virtuellen Automatenspiel (minus 51 Millionen auf 213 Millionen Euro).

Der Rückgang im Digitalgeschäft steht im Widerspruch zu seiner wachsenden Beliebtheit. Nach Daten des Branchendienstes HG Gambling Capital hat sich der Markt in Europa und Deutschland seit 2015 mehr als verdoppelt und auch 2024 deutlich zugelegt. Bei den Steuereinnahmen hatte sich der Boom aber schon 2023 nicht gespiegelt.

Neben dem virtuellen Automatenspiel (minus 38,5 Prozent) waren sie da auch beim Online-Poker (minus 7,5 Prozent) und bei Sportwetten (minus fünf Prozent) rückläufig. Dass Letztere 2024 wieder leicht anzogen, dürfte allein an der Fußball-Europameisterschaft gelegen haben.

Normalerweise wirke ein Großereignis wie ein „13. Umsatzmonat“, heißt es beim Deutschen Sportwettenverband (DSWV). Dass der Markt nahezu stagniert habe, sei ein „alarmierendes Signal“. Der Grund dafür sei klar: „Immer mehr Spieler weichen auf den Schwarzmarkt aus.“ Dessen Anteil liege mittlerweile zwischen 30 und 40 Prozent, der legale Markt habe dagegen seit 2021 etwa 15 Prozent seines Volumens verloren. Das sei nicht nur wirtschaftlich problematisch, im illegalen Markt gebe es auch „keinerlei Konsumentenschutz“.

2020 hatten sich die Bundesländer auf einen Glücksspielstaatsvertrag geeinigt, der digitale Zockereien in Deutschland unter Auflagen erlaubt. Vorher waren diese formal verboten, viele Unternehmen boten sie aus dem Ausland an. Branchengrößen wie Tipico, Bwin und Bet365 haben sich mittlerweile von der zuständigen Behörde lizenzieren lassen. Andere operieren weiter aus der Illegalität, ihren Sitz haben sie an kaum regulierten Standorten wie der Karibikinsel Curaçao.

Neben laxeren Vorschriften zum Spielerschutz sieht sich der legale Teil der Branche bei den Steuern im Nachteil. Anders als andere europäische Staaten erhebt Deutschland diese beim virtuellen Automatenspiel auf Grundlage des Spieleinsatzes und nicht des Bruttospielertrags, bei dem die ausgeschütteten Gewinne von den Einsätzen abgezogen werden.

Die Steuerbelastung liege deshalb bei rund 60 Prozent des erwirtschafteten Deckungsbeitrags, heißt es beim Deutschen Online Casino Verband (DOCV). Deshalb könnten diese nur einen geringeren Teil der Einsätze ausschütten, was das Spiel unattraktiver mache. „Die Wahl der falschen Bemessungsgrundlage gefährdet massiv den Erfolg der Regulierung in Deutschland“, sagt DOCV-Präsident Dirk Quermann. Der Missgriff führe zu „einem riesigen und weiterwachsenden Schwarzmarktproblem und erodierenden Steuereinnahmen“. Den Anteil illegaler Angebote schätzt der DOCV sogar auf 75 Prozent.

Cornelius Welp ist Wirtschaftskorrespondent in Frankfurt. Von dort aus berichtet er über Banken, Versicherungen und Finanzinvestoren und Unternehmen.

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