Geopolitik

Sinkende Geburtenrate: Die unerfüllten Kinderwünsche der Deutschen | ABC-Z

Die Geburtenrate ist zuletzt stark gesunken – und das, obwohl viele junge Deutsche sich mehr Kinder wünschen. Dass Babypläne offenbar aufgeschoben werden, führen Forscher vor allem auf einen Umstand zurück.

Als das Statistische Bundesamt Mitte Juli die aktuellen Zahlen zur Geburtenrate in Deutschland veröffentlichte, war der Aufschrei groß. Auf nur noch 1,35 Kinder pro Frau war die zusammengefasste Geburtenziffer 2024 gesunken, ein erneuter Rückgang gegenüber dem bereits schwachen Vorjahr.

Insgesamt sank die Geburtenrate in Deutschland zwischen 2021 und 2024 deutlich von 1,58 auf 1,35 Kinder pro Frau. Und während ausländische Frauen immerhin noch eine Geburtenrate von 1,84 erreichen, bekamen Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit im Schnitt sogar nur noch 1,23 Kinder je Frau. Eine ähnlich niedrige Geburtenhäufigkeit wurde bei den deutschen Frauen zuletzt vor knapp 30 Jahren gemessen.

Die Nachricht war Anlass für allerhand kulturpessimistische Betrachtungen über die Vergreisung des Landes und die wachsende Unlust der Deutschen, sich fortzupflanzen. Doch ist diese Analyse korrekt?

Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) hat jetzt Daten des familiendemografischen Panels FReDA ausgewertet – und festgestellt, dass sich an den Kinderwünschen der Menschen in den vergangenen Jahren kaum etwas verändert hat. Frauen wünschen sich demnach im Schnitt 1,76, Männer 1,74 Kinder – und damit deutlich mehr als aktuell geboren werden. Die Forscher werten das als Hinweis, dass die Kinderwünsche nicht zurückgehen, sondern aus unterschiedlichen Gründen aufgeschoben werden.

Ein Hinweis darauf ist auch, dass die kurzfristige Babyplanung seit 2021 zurückgegangen sind. So wurden Frauen und Männer in der Hauptphase der Familiengründung im Alter von 30 bis 39 gefragt, ob sie konkret in den nächsten drei Jahren ein (weiteres) Kind bekommen möchten. 2021/22 stimmten dem noch 28 Prozent zu, 2023/24 nur noch 24 Prozent der Frauen und 25 Prozent der Männer. Die grundsätzlichen Kinderwünsche blieben jedoch stabil.

„Die durchschnittliche Anzahl der Kinder, die junge Erwachsene bekommen möchten, ist in den letzten Jahren konstant geblieben und liegt deutlich über der aktuellen Geburtenrate“, sagt die Bevölkerungsforscherin Carmen Friedrich vom BiB. Dadurch habe sich der sogenannte Fertility Gap – also die Lücke zwischen gewünschter Kinderzahl und Geburtenrate – zuletzt kräftig erhöht, bei Frauen verdoppelte er sich auf 0,41. „Kinder zu bekommen, bleibt ein zentrales Lebensziel für die meisten jungen Menschen. Der derzeitige Geburtenrückgang zeigt also keinen Rückgang der Familienorientierung, sondern weist vielmehr auf ein Aufschieben von Geburten hin“, schlussfolgert Friedrich.

Was aber sind die Gründe dafür, dass junge Menschen ihre eigentlich vorhandenen Kinderwünsche derzeit nicht realisieren?

Gefühlte Unsicherheit und die Folgen

Als zentralen Erklärungsfaktor ziehen die Autoren eine subjektiv empfundene Unsicherheit bei jungen Erwachsenen heran, gespeist aus der Zuspitzung der internationalen Krisen und zunehmend ungewissen wirtschaftlichen und persönlichen Rahmenbedingungen. Derzeit mehren sich etwa Klagen junger Menschen über knappen und zu teuren Wohnraum. Vor allem in Großstädten ist der Wohnungsmarkt teilweise fast zum Erliegen gekommen.

„Unsicherheit wirkt sich negativ auf die Familienplanung aus“, meint Mitautor Martin Bujard vom BiB. Andererseits sei Deutschland nach wie vor eine sichere und wohlhabende Gesellschaft mit vielen Chancen und Möglichkeiten für den Nachwuchs – insbesondere im historischen oder internationalen Vergleich, heißt es in der Studie. Aktuelle Forschung zeige, dass die Art und Weise, wie Menschen über die Zukunft denken, relevant für die Entscheidung für ein Kind ist. „Verlässliche Kindertagesbetreuung, bezahlbarer Wohnraum und politische Handlungsfähigkeit sind essenziell, um jungen Menschen Sicherheit zu geben“, sagt Bujard.

Insofern könnten Maßnahmen der Politik durchaus bestehende Unsicherheiten bei der Familiengründung verringern. „Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die breit vorhandenen Kinderwünsche auch häufiger umgesetzt werden“, schreiben die Autoren. „Ein weiteres permanentes Aufschieben birgt das Risiko, dass altersbedingt manche Kinderwünsche letztendlich nicht mehr umgesetzt werden können.“

Sabine Menkens berichtet über gesellschafts-, bildungs- und familienpolitische Themen.

Back to top button