Wirtschaft

Sicherheitspolitik: Was uns die Angst vor Kriminalität kostet | ABC-Z

In kaum einem Bereich klaffen
subjektive Wahrnehmung und objektive Fakten so weit auseinander wie bei der
Kriminalität. Während sich manche Menschen in Deutschland unsicher fühlen und
Angst vor wachsender Gewalt äußern, zeichnen die Statistiken oft ein anderes
Bild: Die Kriminalität ist – mit wenigen Ausnahmen – seit Jahren rückläufig. Besonders
in Zeiten starker Zuwanderung, etwa zwischen 2015 und 2017, wird die Kluft
zwischen gefühlter und tatsächlicher Kriminalitätslage deutlich. Diese Diskrepanz
unterstreicht, wie wichtig verantwortungsvolle politische Rhetorik und sachliche Berichterstattung sind.

Inwieweit spiegeln Sorgen vor Kriminalität
die Sicherheitslage in Deutschland wider? Eine einfache
Antwort darauf gibt es nicht. Es lohnt sich, mit einem Blick auf die Entwicklung der
Kriminalität in Deutschland zu beginnen. Wie die Polizeiliche Kriminalstatistik
des BKA zeigt, ist die Zahl der registrierten Straftaten pro 100.000 Einwohner – wie üblich bereinigt um ausländerrechtliche Verstöße – in Deutschland seit Anfang der Neunzigerjahre im
Trend gesunken. Auch nach einem kurzfristigen Anstieg direkt nach der Coronapandemie
sind die Kriminalitätsraten 2024 im Vergleich zum Vorjahr insgesamt wieder zurückgegangen – und liegen auf einem geringeren Niveau als vor 20 Jahren, wie eine Studie des DIW Berlin zeigt.

Natürlich müssen solche Zahlen mit Vorsicht
interpretiert werden: Sie können nur das Hellfeld darstellen – also Fälle, die
der Polizei gemeldet werden oder bekannt sind. Veränderungen in der Intensität von
Kriminalität bilden sie erst einmal nicht ab. Trotzdem lassen sie eine klare
Tendenz erkennen: Deutschland ist in den letzten 20 Jahren insgesamt
sicherer geworden.

Die Angst vor Kriminalität hat weitreichende Folgen

Dem gegenüber steht die
Entwicklung der Sorgen vor Kriminalität. Eine Studie des DIW Berlin hat Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) dazu
ausgewertet. Machte sich Anfang der Nullerjahre noch fast die Hälfte aller
Befragten große Sorgen um die Kriminalitätsentwicklung in Deutschland, war es
2013 nur noch knapp jede dritte Person. Dieser Rückgang lief parallel zu den
sinkenden Kriminalitätsraten. Von 2014 bis 2016 veränderte sich dieses Muster
aber: Während Kriminalitätsraten insgesamt weiter zurückgingen, stieg der
Anteil derjenigen, die sich große Sorgen machten, um rund 15 Prozentpunkte auf 47
Prozent.

Warum das so ist, lässt sich aus der zeitlichen Entwicklung allein
nicht ableiten. Die Gegenläufigkeit von Kriminalität und Sorgen vor Straftaten fällt allerdings in eine Zeit starker Zuwanderung und einer Reihe
von Terroranschlägen in Europa. Es ist davon auszugehen, dass sich diese
Ereignisse – auch durch eine verstärkte Berichterstattung und politische
Rhetorik – auf die Angst vor Kriminalität ausgewirkt haben. Nach diesem Anstieg
nahmen die Sorgen wieder ab – bis zu den Jahren nach der Pandemie. Gerade in
den vergangenen Jahren stiegen sie wieder.

Die Angst vor Kriminalität hat weitreichende
Folgen. Die gesellschaftlichen Kosten sind enorm. Internationale Studien schätzen, dass Kriminalität und
ihre Folgen – materielle Schäden, Folgen für die Opfer, aber auch Vermeidungsverhalten
aus Angst vor Kriminalität – uns bis zu sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes
kosten. Das subjektive Sicherheitsgefühl beeinflusst Mobilität,
Arbeitsmarktverhalten, Investitionsentscheidungen und sogar die regionale
Entwicklung. 

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