Wohnen

Sextherapeuthin „Dr. Ruth“ Westheimer gestorben | ABC-Z

Dr. Ruths Ratschläge für ein erfülltes Sexualleben waren so hilfreich wie unterhaltsam. „Wenn die Leute etwas über Oralsex erfahren wollten, riet ich ihnen, eine Eiswaffel zu kaufen und an ihr zu üben“, erinnerte sich Amerikas berühmteste Sextherapeutin, die aus Wiesenfeld stammte, heute ein Stadtteil des unterfränkischen Karlstadt, in einem Interview an ihre Jahre in Radio und Fernsehen.

„Alles, was zwei Erwachsene einvernehmlich in ihrem Schlafzimmer oder auf dem Küchenboden unternehmen, geht für mich in Ordnung“, spannte Dr. Ruth den Bogen für das oft prüde Amerika der Achtziger Jahre vergleichsweise weit. Dass die Hörer und Zuschauer ihre Ratschläge zu Orgasmus, Erektionsstörungen und Geschlechtskrankheiten dennoch nicht als anzüglich empfanden, hatte mit Stimme und Aussehen zu tun.

Ihr Akzent, der auch nach Jahrzehnten in New York unmissverständlich deutsch klang, ließ die nicht einmal 1,40 Meter große Soziologin ebenso seriös wirken wie die dunkelblonde Dauerwelle, die der einer Hausfrau aus einem Werbespot in den Fünfzigern glich.

Als Kind vor den Nazis geflüchtet

Ruth Westheimer, wie sie bürgerlich hieß, war über viele Umwege in die Vereinigten Staaten gekommen. Kurz nach dem ersten Geburtstag zog sie 1929 mit ihren Eltern, streng gläubigen Juden, von Wiesenfeld nach Frankfurt, wo sie mit ihrem Vater regelmäßig die Synagoge im Nordend besuchte. Wenige Tage nach den Novemberpogromen 1938 wurde ihr Vater in das Konzentrationslager Dachau gebracht.

Bevor die Nationalsozialisten auch ihre Mutter verschleppten, schickte die gelernte Hauswirtschafterin die damals Zehnjährige mit einem der von jüdischen Gruppen organisierten Kindertransporte in die Schweiz. „Ich dachte, ich würde nur eine kurze Zeit bleiben und meine Eltern bald wiedersehen“, erinnerte sie sich später. Ihre Eltern überlebten den Holocaust nicht. Westheimer fand ihre Namen einige Jahrzehnte später in Aufzeichnungen aus Auschwitz.

Von Jerusalem, über Paris nach New York

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wanderte sie nach Palästina aus. Dort ließ sie sich zur Scharfschützin ausbilden. Bei einer Bombenexplosion in Jerusalem an ihrem 20. Geburtstag erlitt Westheimer schwere Verletzungen. Über Paris und ein Studium an der Sorbonne kam sie im Jahr 1956 schließlich nach New York, belegte Seminare in Psychologie, promovierte an der Columbia University und machte sich als Therapeutin selbständig.

Zwei kurze Ehen mündeten in Scheidungen. Im Jahr 1961 wagte sie einen dritten Versuch und heiratete Manfred Westheimer, mit dem sie bis zu seinem Tod 1997 zusammenblieb.

Über Nacht berühmt mit Radiosendung

Ein Anruf des Radiosenders WYNY machte die Mutter von zwei Kindern im Jahr 1980 über Nacht berühmt. Statt einzelnen Ratsuchenden zu helfen, schlugen Vertreter des Senders vor, sollte Westheimer im Radio vor großem Publikum über sexuelle Praktiken, Verhütung und Erotik sprechen. Westheimers Sendung „Sexually Speaking“ wurde ein Quotengarant.

Im Fernsehen moderierte die Autorin dutzender Bücher später die „Dr. Ruth Show“ und wurde zu einem Dauergast bei Talkshows. Ihren Grüßen „Get some!“ und „Have good sex!“ ließen Millionen Amerikaner Taten folgen. Wie ihr Sprecher Pierre Lehu mitteilte, ist Dr. Ruth in der Nacht zu Samstag in ihrer Wohnung in Manhattan verstorben. „Grandma Freud“, wie Westheimer auch hieß, wurde 96 Jahre alt.

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