Die Eltern von heute? Mal wieder gescheitert – Gesellschaft | ABC-Z

Was wir, die wir in Pekipgruppen und Kinderhotels, auf Spielplätzen und Kitafesten, in sozialen Medien sowie den Ratgeberetagen der großen Buchhandlungen unterwegs sind, seit Langem ahnen, wurde nun von Wissenschaftlern bestätigt: Die Eltern von heute, was für eine unfähige Truppe. Anstrengend sowieso. Wie eine Ampelregierung für Kinder, die was Besseres verdient haben als solch ein krisenumwehtes Personal.
Vor zwei Wochen veröffentlichte die SZ ein Interview mit der Psychiaterin Maria M. Bellinger, mit dem Soziologen Norbert F. Schneider hat sie ein Buch über den sehr behütenden, protektiven Erziehungsstil dieser Tage geschrieben. Ein paar Punkte will ich herausgreifen, muss ich herausgreifen, weil sie unwiederbringlich hängengeblieben sind.
Erstens: Elternschaft sei für viele zu einem Projekt geworden, einer Lebensaufgabe. Zweitens: Je weniger Kinder geboren werden, desto mehr konzentrierten sich Eltern auf die bestmögliche Entwicklung dieser (wenigen) Kinder. Drittens: Kinder würden einerseits mit fünf noch im Buggy rumgefahren, andererseits in Entscheidungen eingebunden. Bevor hier noch mehr Mankos aufgezählt werden, von denen ich mich so tangiert fühle, dass ich heute Nacht bestimmt davon träume, wie meine dreijährige Tochter mich im Buggy festschnallt und bei einer Fachtagung für mehr Gelassenheit aussetzt, schließen wir lieber mit diesem schönen Zitat: „Eltern müssen ihre Führungsrolle in der Familie annehmen.“
Ich bekenne mich in allen Punkten schuldig.
Durchaus hat mein Leben einen gewissen Projektcharakter, nur dass es sich dabei nicht um hochtrabende Bauprojekte mit Milliardenbudget handelt, leider nein, alles ist fragil zusammengesetzt, fällt ein Stein weg, etwa die Kinderbetreuung, oder kommt einer hinzu, der außerplanmäßige Wutanfall einer Dreijährigen, versagt unser System, versage ich.
Ich gebe zu: Hole ich mein Kind nachmittags aus der Einrichtung ab, in die ich es morgens outgesourct habe, um dem narzisstischen Projekt Geldverdienen nachzugehen, sage ich ihm nicht beiläufig hallo und überlasse es zu Hause einem Lego-Projekt, sondern schenke ihm Aufmerksamkeit, eventuell rutscht mir ein „Ich hab’ dich so lieb“ heraus. Wie kindzentriert kann man sein?
Geburtenrückgang? Absolut schuldig, mit 1,0 Kindern liege ich unter dem Durchschnitt von 1,35 Kindern pro Frau. Okay, man könnte mir zugutehalten, dass ich meine Tochter nicht mit dem Buggy in die Kita fahre, ich nehme das Lastenfahrrad. Doch läge die Kita nicht am anderen Ende der Stadt, würde ich wohl auch eher den Buggy nehmen, als noch abgehetzter als üblich bei der Arbeit anzukommen, weil mein Kind lernen soll, wie sich ein Fußmarsch durchs raue München anfühlt.
Am verheerendsten: Ich ertappe mich dabei, wie ich Fragen stelle: Was willst du frühstücken? Anstoß zur Reihe „Morgen aus der Hölle“, bei der nichts so läuft, wie sich das auf Perfektion versessene Eltern wünschen. Und was lerne ich daraus? Nichts: Ziehst du dir bitte die Jacke an? Was sagt dein Teddy zum Klimawandel?
Kurz, ich hadere mit meiner Führungsrolle, hege den Wunsch, dass mir auch jemand ein Müsli mit frischen Früchten macht, das ich auf den Boden werfen kann, um zu brüllen: „Ich wollte Mango.“ Bin ausgestattet mit so wenig Ausdauer, dass ich mir wünsche, dass mal jemand sagt: Hast dich gut geschlagen heute. Für deine Verhältnisse.
In dieser Kolumne schreiben Patrick Bauer und Friederike Zoe Grasshoff im Wechsel über ihren Alltag als Eltern. Alle bisher erschienen Folgen finden Sie hier.





















