Selfies am offenen Sarg – geschmackloser geht‘s kaum | ABC-Z

Berlin. Tausende nehmen im Petersdom Abschied von Papst Franziskus. Viele machen Selfies am offenen Sarg. Ein absolutes No-Go, findet unsere Autorin.
Bilder zehntausender Menschen, die stundenlang Schlange stehen, um im Petersdom Abschied von Papst Franziskus zu nehmen, gehen um die Welt. Genauso übrigens wie Bilder von Menschen, denen nichts anderes in den Sinn kommt, als Selfies vor dem einbalsamierten Leichnam des verstorbenen Pontifex zu machen. Geht‘s eigentlich noch? So um das Oberhaupt der katholischen Kirche zu trauern, ist anstandslos.
Viele haben offenbar verlernt, was würdevolles Trauern bedeutet. Ruhe und Innehalten zum Beispiel. Sie glauben, ein toter Papst sei eine der Top-Sehenswürdigkeiten Roms – gleich neben dem Kolosseum, der Engelsburg und dem Trevibrunnen. Ein Ausstellungsstück, vor dem man sich ablichtet, um den Schnappschuss der Familie zu schicken. Oder in der Insta-Story neben Fotos von Sonnenuntergängen und dem letzten Mittagessen zu posten, ein paar Likes abzusahnen und allen zu zeigen: Schaut her, ich hab‘ den toten Papst gesehen!
Patricia von Thien ist Chefin vom Dienst digital in der FUNKE Zentralredaktion.
© Patricia von Thien | Patricia von Thien
Papst Franziskus tot: Selfies am offenen Sarg sind geschmacklos
Gut möglich, dass nicht jeder aus reiner Sensationsgier knipst. Vielleicht ist es echte Anteilnahme, vielleicht handelt es sich um die Erinnerung an einen bewegenden Moment, der für immer festgehalten werden soll. Bei allem Verständnis sollte trotzdem nicht vergessen werden, dass es sich immer noch um einen Menschen handelt, der vor wenigen Tagen das Zeitliche gesegnet hat. Sie halten bei der Beerdigung des Großonkels oder der Oma ja auch nicht drauf, oder?
Franziskus geht als Papst in die Geschichte ein, der besonders menschennah war. Ihm auch nach dem Tod so auf die Pelle zu rücken, ist an Geschmack- und Pietätlosigkeit jedoch kaum zu überbieten. Ein Selfie mit Leiche muss einfach nicht sein.