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Schweden: Drei junge Männer sterben im Friseursalon – Panorama | ABC-Z

Zehn Schüsse waren zu hören am Dienstagnachmittag. Dann war alles still. Als die Polizei wenige Minuten später am Tatort ankam, einem Barbershop in der Innenstadt von Uppsala, lagen drei Tote auf dem Boden des Salons. Die Ermordeten waren zwischen 15 und 20 Jahre alt und wurden mit Kopfschüssen exekutiert.

Das Verbrechen selbst war schockierend, am helllichten Tag, begangen wohl von einem Jugendlichen. Aber der Schreck über diese Tat wurde bald überdeckt von der Angst, ob dadurch nun der Bandenkrieg wieder aufflammt, der in den letzten Jahren ganz Schweden erschüttert hat. Jale Poljarevius, regionaler Geheimdienstchef für die Region Mittelschweden und ehemaliger Polizeichef in Uppsala sagte am Mittwoch: „Viele haben gesagt, dass die Welle der Gewalt gebrochen ist, aber ich denke, man muss da sehr bescheiden sein. Sie kann sich jederzeit wieder aufbauen.“

Seit Jahren schon erschüttert die Gewaltserie das Land

Auch die Politiker stellten das Verbrechen sofort in die Reihe der unzähligen Attentate und Morde, die Schweden seit 2010 zu dem westeuropäischen Land machten, in dem pro Kopf die meisten Menschen durch Schießereien sterben. „Die tödliche Gewalt, die unser Land heimsucht, muss gestoppt werden“, schrieb Magdalena Andersson, Vorsitzende der oppositionellen Sozialdemokraten, auf X. Der Sprecher der Grünen, Daniel Helldén, assistierte: „Die Gewalt muss endlich von unseren Straßen verschwinden.“ Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson bezeichnet die Tat als „extremen Gewaltakt, die keine anständige Gesellschaft akzeptieren kann. Dies unterstreicht auch, warum alle Instrumente, die die Polizei jetzt erhält, so wichtig sind“.

Die konservativ-liberale Koalition um Ulf Kristersson hatte die Wahlen 2022 auch gewonnen, weil sie versprach, das Problem der Bandenkriminalität in den Griff zu bekommen.  Im selben Jahr starben bei Schießereien in Schweden 61 Menschen. Schweden hat zehn Millionen Einwohner, hochgerechnet auf Deutschland wären das 500 Tote. Einige Gesetz wurden seither verschärft, so hat die Polizei mittlerweile das Recht, Personen des organisierten Verbrechens aus bestimmten Städten oder Regionen zu verbannen und kann in vorab definierten Gebieten Passanten oder Bewohner anhalten und Leibesvisitationen durchführen. Auch die Waffengesetze, die lange als die laxesten in ganz Europa galten, wurden verschärft. Verbrechen, die im Rahmen der organisierten Kriminalität begangen wurden, werden härter bestraft als früher. Die Strafmilderung für junge Erwachsene wurde abgeschafft, 18-Jährige erhalten jetzt die gleichen Strafen wie Täter, die älter sind als 21 Jahre. Die Gangs rekrutieren deshalb mittlerweile bevorzugt möglichst junge Täter. Mehrfach wurden 13- und 14-Jährige festgenommen, die Todeslisten bei sich trugen.

Man weiß noch nicht viel über den Täter und die Tat, aber vieles daran passt in die Muster, die die Polizei über die Jahre erstellen konnte: Die Täter schlagen oft am helllichten Tage zu, es scheint sie nicht sonderlich zu interessieren, ob es Zeugen gibt.  Im aktuellen Fall sahen so viele Menschen den maskierten Mörder nach der Tat auf einem E-Roller durch die Stadt fahren, dass die Polizei schon nach kurzer Zeit einen 16-Jährigen festnehmen konnte, gegen den laut Polizeibericht ein „ausreichender Tatverdacht“ vorliege. Der Junge soll seit seinem achten Lebensjahr Verbindungen zu Kriminellen gehabt haben und in in einer staatlichen Betreuungseinrichtung gelebt haben.

Die Bandenführer erteilen ihre Mordaufträge vom Ausland aus

Die Banden wählen auch auffallend oft Friseursalons für Ihre Auftragsmorde aus: Im vergangenen Jahr wurde zweimal auf Barbershops in Uppsala und Stockholm geschossen, 2021 wurde ein Göteborger Bandenboss in einem gutbesuchten Friseurgeschäft exekutiert, während er sich gerade die Haare schneiden ließ. Die Polizei nimmt an, dass die Gangster dort bevorzugt zuschlagen, weil sich ihre potenziellen Opfer in dem Moment, sitzend, unterm Friseurskittel, nicht schnell genug wehren können.

Und wieder war es Uppsala. Die Stadt galt in den vergangenen Jahren als Epizentrum der verheerenden schwedischen Gewalt, die zwei mächtigsten Bandenführer stammen von hier, ihre Gangs liegen miteinander im Krieg. Beide Bosse leben mittlerweile im Ausland, von wo aus sie ihre Morde in Auftrag geben. 2023 überzogen sie die Stadt und das ganze Land mit wechselseitigen Attentaten, bei denen auch Angehörige der verschiedenen Banden gezielt getötet wurden. Es gab damals über 130 Handgranaten- oder Bombenanschläge auf Hauseingänge und Fassaden, allein während des sogenannten „Schwarzen Septembers“ wurden bei wechselseitigen Mordserien zwölf Menschen getötet, eine Detonation war damals so gewaltig, dass gleich mehrere Hausfassaden weggesprengt wurden. 2024 hat sich die Situation etwas beruhigt. Umso größer ist nun die Angst, dass es zu Racheanschlägen kommt und die Stadt wieder in den Würgegriff der Gewalt gerät: Eines der Opfer vom Dienstag war in eine polizeiliche Untersuchung über einen geplanten Angriff auf einen Verwandten des Bandenführers Ismail Abdo verwickelt.

Immerhin, das traditionelle Valborg-Fest, bei dem am Abend des 30. April in Schweden große Feuer entzündet werden und das in Uppsala als größte kollektive Feier gilt, wurde am Mittwoch nicht abgesagt und konnte ohne Zwischenfälle stattfinden.

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