Schutzstatus: Müssen viele syrische Geflüchtete bald Deutschland verlassen? | ABC-Z
Nancy Faeser plant, Menschen aus Syrien unter bestimmten Voraussetzungen in ihr Heimatland zurückzuschicken. Doch der dafür entscheidende Punkt ist weiter unklar.
Seit der syrische Machthaber Baschar al-Assad Anfang Dezember gestürzt wurde, läuft in Deutschland die Debatte, ob die Syrerinnen und Syrer hierzulande in ihr Heimatland zurückkehren müssen. So schlug zum Beispiel Unionsfraktionsvize Jens Spahn bereits in den ersten Tagen danach vor, Flugzeuge für rückkehrwillige Syrer zu chartern und ihnen ein Startgeld von 1.000 Euro zu zahlen. Nun hat die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen Vier-Punkte-Plan zum Umgang mit syrischen Geflüchteten in Deutschland vorgelegt.
Was plant die Bundesinnenministerin Nancy Faeser?
Unter bestimmten Bedingungen sollen Menschen syrischer Herkunft in ihr Heimatland zurückkehren müssen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) werde “Schutzgewährungen überprüfen und aufheben, wenn Menschen diesen Schutz in Deutschland nicht mehr brauchen, weil sich die Lage in Syrien stabilisiert hat”.
Wer gut integriert sei, arbeite und Deutsch gelernt habe, solle aber in Deutschland bleiben dürfen, sagte Faeser weiter. Menschen, die freiwillig nach Syrien zurückkehren möchten, wolle die Bundesregierung unterstützen. Dafür werde man das entsprechende Bundesprogramm erweitern. Straftäter und Islamisten will Faeser außerdem schnellstmöglich nach Syrien abschieben.
Schon Mitte Dezember hatte das Bamf angekündigt, offene Asylanträge von Syrerinnen und Syrern bis auf Weiteres zurückzustellen. Aufgrund der aktuellen Situation und der nicht absehbaren Entwicklung könne derzeit über den Ausgang dieser Verfahren nicht abschließend entschieden werden, hieß es. Diese Entscheidungen können jedoch nicht endlos ausgesetzt werden, sondern zunächst für maximal sechs Monate. Aktuell warten noch 47.270 syrische Staatsangehörige auf das Ergebnis ihres Asylantrags in Deutschland.
Welchen Schutzstatus haben Menschen syrischer Herkunft in Deutschland?
Knapp 975.000 Menschen syrischer Herkunft leben laut dem Bundesinnenministerium in Deutschland (Stand: Ende Oktober 2024). Mehr als 180.000 haben bereits die deutsche Staatsbürgerschaft, und die Zahl der Einbürgerungen von Syrerinnen und Syrern steigt: Im Jahr 2022 waren es mehr als 48.000 Einbürgerungen, 2023 bereits mehr als 75.000, und 2024 dürften es noch einmal deutlich mehr sein.
Die allermeisten syrischen Geflüchteten sind seit Jahren im Land und flohen einst vor dem Terror des nun gestürzten Assads und dem Bürgerkrieg in Syrien. 661.109 Menschen syrischer Herkunft verfügten Ende Oktober über einen Schutzstatus in Deutschland – das kann eine Asylberechtigung nach dem Grundgesetz, ein Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot sein.
Etwa die Hälfte der Syrerinnen und Syrer mit Schutzstatus hat subsidiären Schutz in Deutschland: Das bedeutet, sie wurden nicht wegen einer individuellen politischen Verfolgung in Deutschland aufgenommen, sondern wegen einer Bedrohung für Leib und Leben durch den andauernden Bürgerkrieg in ihrem Heimatland.
Die andere Hälfte erhielt eine Asylberechtigung nach dem Grundgesetz oder den Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Sie bekommen in der Regel zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Nach fünf Jahren ist unter bestimmten Bedingungen eine Einbürgerung möglich. Wer subsidiären Schutz hat, erhält zunächst ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, die um weitere drei Jahre verlängert werden kann. Nach fünf Jahren können diese Menschen eine Niederlassungserlaubnis beantragen, sofern sie zum Beispiel ausreichende Deutschkenntnisse haben und eine Arbeit, die ihren Lebensunterhalt sichert. Auch eine Einbürgerung ist für sie möglich.
Kann eine Schutzgewährung aufgehoben werden?
Entscheidend ist dafür die Sicherheitslage in Syrien: ob sie sich fortdauernd verändert hat und keine neuen Gefahren für die Menschen drohen, insbesondere auch für Minderheiten. Doch genau das ist weiterhin unklar, eine neue stabile Regierung gibt es in Syrien nicht. Der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows, der einst selbst aus Syrien floh, bezeichnete die Diskussionen um eine mögliche Rückkehr im Gespräch mit ZEIT ONLINE als unrealistisch: “Es gibt keinen funktionierenden Staat, keine Rechtsstaatlichkeit in Syrien, Islamisten haben die Macht. Es kann zu willkürlichen Verhaftungen und Folter für alle Kritiker kommen, die jetzt nach Syrien zurückkehren.”
Das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium arbeiteten laut Bundesinnenministerin Faeser derzeit gemeinsam daran, nach dem Sturz des Assad-Regimes ein klareres Lagebild von Syrien zu erstellen. Dabei stimme man sich eng mit europäischen und internationalen Partnern ab.
Wenn die Gründe für den Schutzstatus wegfallen, könnte die Bundesregierung das Bamf anweisen, jeden einzelnen Fall von Syrerinnen und Syrern mit Schutzstatus zu überprüfen. Solche sogenannten Widerrufsverfahren für die mehreren Hunderttausend Menschen würden einen enormen Aufwand bedeuten – zumal jeder Geflüchtete das Recht hätte, im Falle eines Entzugs seines Schutzstatus dagegen zu klagen. Verwaltungsgerichte benötigen für solche Verfahren mitunter Jahre.