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Schuljahresbeginn in Bayern: Die Reform der Mittelschule ist verschoben – Bayern | ABC-Z

Bayerns Kultusministerin Anna Stolz ist bekannt dafür, gerne raus zu gehen an die Schulen. Das kommt gut an bei Schulleitungen und Lehrkräften. Auch die Pressekonferenz zum neuen Schuljahr, das am kommenden Dienstag beginnt, fand nicht wie früher üblich im Kultusministerium statt, sondern in einer Münchner Mittelschule. Absicht? Natürlich. Wer sich nichts dabei dachte, dem half Stolz (Freie Wähler) auf die Sprünge: „Letztes Jahr waren wir an einer Realschule, dieses Jahr sind wir an einer Mittelschule. Das ist kein Zufall, das haben Sie sich wahrscheinlich schon gedacht, aber dazu später mehr.“

Dass die 934 Mittelschulen in Bayern Aufmerksamkeit der Ministerin dringend nötig haben, sagen alle, die mit dieser Schulart zu tun haben. Der Ruf der Mittelschulen ist desaströs, oft zu Unrecht. Das mag auf dem Land noch weniger ausgeprägt sein als in den Ballungszentren, aber das schlechte Image betrifft längst alle. Bei dieser Schulart schlägt der Lehrermangel am stärksten zu, die Anzahl der Studierenden und Referendare sinkt. Auch wenn Stolz betonte, dass es sich in diesem Jahr nur um einen leichten Rückgang handle. Ohnehin hat der Lehrerberuf ein Attraktivitäts- und ein Nachwuchsproblem, aber das Lehramt für Mittelschulen ist an Bayerns Universitäten besonders unbeliebt.

Für manche Kollegen beginne das neue Schuljahr dramatisch, sagt Stefanie Horinek, Chefin des Schulleitungsverbandes, in dem Grund- und Mittelschulrektoren organisiert sind. Sie höre schon jetzt von Stundenstreichungen und von Quereinsteigern, die kaum verständliches Deutsch sprechen. Das gelte nicht überall, sagt Horinek, aber es lasse nichts Gutes erahnen.

Anders als ihre Vorgänger benennt Kultusministerin Stolz die Dinge. Sie gibt zu, dass die Situation in Einzelfällen schwierig sei, aber Pflichtunterricht und Mobile Reserve für die Grund- und Mittelschulen seien fürs neue Schuljahr „sichergestellt“. Wobei die 2420 Grund- und die Mittelschulen getrennt betrachten werden müssen: An den Grundschulen sieht es nach schwierigen Jahren eher rosig aus. Nicht nur die 132 000 Erstklässler, die am Dienstag zum ersten Mal ein Klassenzimmer betreten, können genügend Lehrkräfte und ein üppiges Programm erwarten mit mehr Sport als zuvor, mehr Mathe und Deutsch.

Dagegen müssen an vielen Mittelschulen Quereinsteiger Lücken schließen. Aber mehr als 800 Verträge seien noch nicht unterschrieben, sagte Stolz. Und gab sich dennoch optimistisch, denn die Absagen würden weniger. War im Herbst 2024 jedes fünfte Vertragsangebot an Mittelschulen abgelehnt worden, ist es jetzt nur jeder zehnte Vertrag. „Das stimmt mich positiv.“

Dass die Probleme der Mittelschulen weiter reichen, ist ihr offenbar bewusst: Diese Schulart solle ein „ganz besonderer Schwerpunkt“ werden, schließlich stehe sie vor vielen Herausforderungen. Details nannte sie nicht.

Fakt ist, dass fast die Hälfte aller Schüler mit Migrationshintergrund in Bayern an Mittelschulen lernen. Und dass Eltern in manchen Regionen schon in der Grundschule ihre Kinder zur Nachhilfe schicken, damit die Noten bloß reichen für Realschule oder Gymnasium.

„Hier will niemand hin, kein Lehrer will hier arbeiten und niemand will seine Kinder in die Mittelschulen schicken“, sagt auch Horinek, die die Grund- und Mittelschule Wallersdorf leitet. Dabei sei es „eine wunderbare Schulart, die sich nur nicht entfalten kann, weil sie nicht akzeptiert ist“.

Zu groß sei das Stigma. „Je schwieriger die Zeiten sind, desto stärker versuchen sich die Menschen nach unten abzugrenzen“, sagt Horinek. Auch innerhalb der Mittelschule. Da heiße es dann, immerhin sei das Kind im M-Zweig, in dem es den Mittleren Schulabschluss machen kann, oder immerhin habe es den Qualifizierten Abschluss geschafft.

Es müssten weitreichende Reformen her, findet die Rektorin. „Wir als Schulen können nichts mehr verändern.“ Der Wandel müsse von außen kommen, aus der Politik, aus der Gesellschaft. Und er müsse so radikal sein, dass Lehrer wieder Lust haben, an der Mittelschule zu unterrichten und die Menschen ihre Kinder hinschicken wollen. Horineks Lösung? Zehn Jahre lang gemeinsam lernen, die Auflösung des gegliederten Schulsystems.

Eine Idee, die schon viele hatten, und die in Bayern Utopie bleiben wird, solange die CSU regiert. Gilt das gegliederte Schulsystem doch als Fundament des Erfolgs Bayerns im Bildungsbereich, den die Staatsregierung und manche Lehrerverbände regelmäßig durch Studien belegt sehen.

Was genau Anna Stolz vorhat mit den Mittelschulen, sagte sie trotz der großen Ankündigung nicht. Die Ministerin verwies auf Empfehlungen einer Arbeitsgruppe, aus denen nun ein Konzept erstellt werde. Im „Spätherbst“ solle es vorliegen.

Immerhin eine positive Nachricht hatte Stolz für diese Schulart zu verkünden: Zuschüsse für Besuche in NS-Gedenkstätten werden verdoppelt – und solche Ausflüge damit zur Pflicht für Mittelschulen. In Gymnasien und Realschulen sind sie es längst, auch viele Mittelschulen besuchten Gedenkorte, versicherte Stolz. Aber offenbar war bisher kein Geld vorgesehen für längere Reisen etwa nach Dachau oder Flossenbürg.

Die unangekündigte Ex wird bleiben

Stolz vertröstete auch bei einem anderen Thema, das die 1,76 Millionen Schülerinnen und Schüler brennend interessieren dürfte: Im September vor einem Jahr hatte die Ministerin angekündigt, Prüfungsformate überprüfen zu wollen, was in eine hitzige Diskussion um Sinn und Unsinn unangekündigter Extemporalen samt Petition zur Abschaffung mündete, die schließlich im Landtag abgelehnt wurde. Mit dem Verweis auf den laufenden Dialog.

Im kommenden Frühjahr werde es Neuigkeiten zu den Prüfungsformaten geben, diese sollten dann prozessorientierter sein, sagte Stolz in der Pressekonferenz. Auch Faktoren wie Teamarbeit, die Herangehensweise und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz auf dem Weg zum Ergebnis sollen bewertet werden.

Die unangekündigte Ex aber wird bleiben. „Ich bin gegen Verbote“, sagte die Kultusministerin dazu. Sie wolle den Schulen die Vielfalt der Testmöglichkeiten lassen. Außerdem „leben wir in einer Leistungsgesellschaft“ und es mache die Schüler „resilienter“ wenn sie lernen, mit unvorhergesehenen Situationen umzugehen. Dazu kommt, dass viele Schulen längst auf unangekündigte Stegreifaufgaben verzichten: Gymnasien können laut Schulordnung selbst entscheiden, ob sie Stegreifaufgaben ankündigen oder nicht. Mittelschulen haben ohnehin große Freiheit, was Prüfungen angeht.

Das große Problem vieler Bildungspolitiker, Lehrkräfte und Schulleitungen, der Lehrermangel, scheint für dieses Schuljahr beherrschbar zu sein: Die Situation an den Real- und Berufsschulen nannte Stolz „solide“. Die Lücke am Gymnasium konnte offenbar durch das Aufstocken vieler Lehrkräfte in Teilzeit geschlossen werden, obwohl auf einen Schlag 30 000 zusätzliche Schüler an den Gymnasien lernen werden. Der erste G-9-Jahrgang kommt nun in die 13. Klasse und wird im Frühjahr das erste neue G-9-Abitur schreiben.

Sorgen bereitet den Lehrerverbänden gerade eher das Stellenmoratorium, das 2026 gelten soll. In diesem Schuljahr seien die Schulen noch nicht davon betroffen, erklärte Stolz. Und sie wolle in den Haushaltsverhandlungen für das Schuljahr 2026/2027 dafür kämpfen, dass sie trotzdem zusätzliche Stellen schaffen und nicht nur Pensionisten ersetzen kann. Schließlich steigen die Schülerzahlen weiter. Und von den 6000 im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern versprochenen Lehrerstellen sind bisher erst 2900 geschaffen worden.

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