Schuldig, aber straffrei – Trump-Urteil hinterlässt bitteren Beigeschmack | ABC-Z
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Der designierte US-Präsident Trump ist schuldig, bleibt aber straffrei: Das Urteil im Schweigegeldprozess hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Trotzdem ist dem Richter ein schwieriger Balanceakt gelungen.
Ist die Strafe für Donald Trump zu milde ausgefallen? Eindeutig ja! Jeder andere Bürger in New York, der Geschäftsunterlagen fälscht und Schweigegelder vertuscht, hätte mindestens ein Jahr Gefängnis bekommen. Oder eine saftige Geldstrafe.
Wer jetzt den New Yorker Richter Juan Merchan für einen Angsthasen hält, der vor Trump gekuscht hat, liegt dennoch falsch. Im Gegenteil: Dieser Richter ist ein Beispiel dafür, dass der Rechtsstaat in den USA lebt. Noch zumindest.
Richter Merchan ist ein schwieriger Balanceakt gelungen. Trotz großen politischen Drucks hat er das Verfahren nicht gekippt, sondern den Schuldspruch des Geschworenengerichts vom Mai bestätigt. Donald Trump ist nun ganz offiziell vorbestraft.
Große Ernüchterung
Gleichzeitig musste Richter Merchan Rücksicht nehmen auf ein äußerst fragwürdiges Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofes. Die höchsten Richter hatten Mitte Juli US-Präsidenten eine fast uneingeschränkte Immunität zugebilligt. Der Supreme Court ließ die Verkündung des Strafmaßes nur deshalb zu, weil Richter Merchan bereit war, den gewählten Präsidenten praktisch straffrei davon kommen zu lassen.
Nach der jahrelangen juristischen Auseinandersetzung mit Donald Trump ist die Ernüchterung groß. Von vier Strafverfahren konnte nur das unbedeutendste abgeschlossen werden. Trump ist nun vorbestraft wegen Fälschung von Geschäftsunterlagen, um Schweigegelder für eine Pornodarstellerin zu vertuschen.
Und nicht wegen Anstachelung zum Sturm auf das Kapitol oder wegen versuchter Wahlfälschung in Georgia. Die wesentlich gravierenderen Verfahren auf Bundesebene wurden eingestellt. Das in Georgia wird ergebnislos im Sande verlaufen, weil die Staatsanwältin wegen ethischer Verfehlungen abgezogen werden musste. Neuauflage frühestens nach Trumps zweiter Amtszeit und eher unwahrscheinlich.
Juristische Auseinandersetzung hat Trump politisch genutzt
Noch enttäuschender ist die Erkenntnis, dass die juristische Auseinandersetzung mit Donald Trump ihm politisch eher genutzt als geschadet hat. Eine Mehrheit der US-Bürger sah darin wie Trump eine “Hexenjagd” oder fand sein Fehlverhalten gar nicht so schlimm.
Geradezu kontraproduktiv war die Strategie der Demokraten, die mit den Strafverfahren gegen Trump im Wahlkampf punkten wollten. Das alles hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Und für die zweite Amtszeit Trumps ist noch Schlimmeres zu befürchten. Denn an führenden Stellen im Justizbereich sitzen künftig loyale Trump-Anhänger.
Am Ende hat zumindest eine Tatsache dank Richter Merchan Bestand. Obwohl Donald Trump Himmel und Hölle bewegt hat, um es doch noch zu verhindern: Der Name Trump wird auch in 50 oder 100 Jahren mit einem dicken Makel verbunden sein. Er zieht als verurteilter Straftäter ins Weiße Haus ein.
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