Wirtschaft

Donald Trump, Jimmy Kimmel und Disney: Mickey Mouse im politischen Minenfeld | ABC-Z

Bob Iger hat öfters darüber nachgedacht, für das Amt des amerikanischen Präsidenten zu kandidieren, wenn er einmal nicht mehr den Unterhaltungskonzern Walt Disney führt. Das erste Mal war vor den Wahlen 2016. Wie er in seiner Biografie „The Ride of a Lifetime“ schrieb, war er damals überzeugt, Amerikaner seien bereit für einen Präsidenten, der nicht aus dem traditionellen Politikbetrieb stammt. Donald Trumps Wahl habe das auch bestätigt. Iger gab seine ersten politischen Gedankenspiele recht schnell wieder auf, verfolgte sie aber nach Trumps Wahl mit Blick auf 2020 umso ernsthafter.

Er sprach mit Dutzenden einflussreicher Vertreter der Demokratischen Partei, für die er ins Rennen gehen wollte. Er arbeitete sich „wie verrückt“ in Themen wie Gesundheits-, Einwanderungs- und Umweltpolitik ein. Er las Reden früherer Präsidenten wie Ronald Reagan und Barack Obama. Er hatte Albträume, in Fernsehdebatten auf der Bühne zu stehen und sich unvorbereitet zu fühlen. Allerdings war er skeptisch, ob die Demokraten jemals einen prominenten Vertreter der Wirtschaft zu ihrem Kandidaten machen würden.

Letztlich entschied sich Iger gegen eine Kandidatur, und er sollte Disney noch viel länger verbunden bleiben als ursprünglich gedacht. Er gab den Posten als Disney-Vorstandsvorsitzender 2020 ab, kehrte aber im Herbst 2022 überraschend wieder zurück. Und dieser späte Karriereabschnitt ist für den mittlerweile 74 Jahre alten Manager zu einem politischen Minenfeld geworden. Schon im Dezember sah er sich gezwungen, eine Verleumdungsklage von Trump gegen den zu Disney gehörenden Fernsehsender ABC, der weithin nur geringe Erfolgschancen eingeräumt wurden, mit einem Vergleich in Höhe von 15 Millionen Dollar beizulegen.

Nun steckt er inmitten einer noch viel größeren Kontroverse: Die Trump-Regierung setzte Disney wegen Äußerungen des Talkshow-Moderators Jimmy Kimmel im Zusammenhang mit dem Mord an dem Aktivisten Charlie Kirk unter Druck. Iger entschied daraufhin, Kimmels Show auf ABC vorerst abzusetzen. Das wiederum sorgte für einen Sturm der Entrüstung und befeuerte eine Debatte um freie Meinungsäußerung in der Trump-Ära. Nach wenigen Tagen machte Iger eine Kehrtwende, und Disney kündigte an, Kimmel werde von Dienstag an wieder auf Sendung gehen.

„MAGA Gang“

Der Stein des Anstoßes war, als Kimmel Anfang vergangener Woche in seiner Show sagte, die „MAGA Gang“, also Trumps politische Bewegung, bemühe sich verzweifelt, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, Kirks Mörder habe nichts mit ihr zu tun. Das rief Brendan Carr auf den Plan, den Chef der für die Medienbranche zuständigen Aufsichtsbehörde FCC. Carr beschrieb Kimmels Äußerungen in einem Podcast als „wirklich, wirklich krank“, und er drohte mit dem Eingreifen der FCC, falls es keine Konsequenzen für den Moderator gebe. „Wir können das auf die leichte oder auf die schwere Art machen“, sagte er.

Daraufhin waren es zunächst Nexstar und Sinclair , zwei Betreiber lokaler Fernsehstationen, die ABC ausstrahlen, die ankündigten, Kimmels Show aus dem Programm zu nehmen. Nexstar benötigt die Zustimmung der FCC für ein größeres Übernahmevorhaben, ist also derzeit besonders auf das Wohlwollen der Behörde angewiesen. Nach diesen beiden Partnerunternehmen teilte auch ABC selbst mit, Kimmels Show zumindest vorübergehend nicht mehr auszustrahlen.

Wie die „New York Times“ schrieb, wurde die Entscheidung von Iger und der für Disneys Fernsehgeschäft zuständigen Managerin Dana Walden getroffen. Verschiedene Faktoren hätten dazu beigetragen. Disney habe erboste Nachrichten mit Boykottdrohungen bekommen, und Werbekunden hätten sich besorgt gezeigt. Mitarbeiter von Disney hätten Drohungen erhalten, einige von ihnen hätten gesagt, ihre E-Mail-Adressen seien auf Onlineplattformen veröffentlicht worden. Zudem habe Kimmel in seiner nächsten Show die Kontroverse direkt ansprechen wollen, und die Disney-Manager hätten Angst gehabt, dies könnte die Situation noch verschlimmern.

Die Entscheidung, erst einmal den Stecker zu ziehen, sorgte allerdings an anderen Stellen für einen Aufschrei. Vor der Disney-Zentrale in Kalifornien kam es zu Demonstrationen, etliche Nutzer von Onlineplattformen bekundeten, sie würden ihre Abonnements von Disneys Streamingdiensten kündigen. Hunderte von Künstlern unterschrieben einen offenen Brief der Bürgerrechtsorganisation ACLU, in dem es hieß, die Absetzung von Kimmels Show markiere einen „dunklen Moment für freie Meinungsäußerung in unserer Nation“.

Kritik vom Vorgänger

Zu den Unterzeichnern gehörten Superstars wie Meryl Streep und Tom Hanks. Eine besonders vernichtende Kritik kam von Igers Vorgänger Michael Eisner, der Disney bis 2005 führte. Eisner nahm die Episode zum Anlass, sich zum ersten Mal seit längerer Zeit auf der Plattform X zu Wort zu melden. Er fragte, wer noch für das Recht auf freie Meinungsäußerung kämpfen werde, wenn nicht einmal Vorstandsvorsitzende sich gegen Schikane wehrten. Er fügte sarkastisch hinzu, vielleicht sollte der entsprechende Passus in der amerikanischen Verfassung um den Zusatz „außer wenn es um das eigene politische oder persönliche Interesse geht“ ergänzt werden. Die Drohung des FCC-Chefs gegen Disney sei „aggressiv, aber hohl“ gewesen, sagte Eisner weiter.

Das nun verkündete Comeback wird Lücken haben. Nexstar und Sinclair haben angekündigt, die Kimmel-Show vorerst weiter nicht zu zeigen und stattdessen andere Programme auszustrahlen. Das bedeutet, in rund einem Viertel aller amerikanischen Haushalte wird Kimmel weiter nicht zu sehen sein.

Iger hat einen glänzenden Ruf in der Unterhaltungsindustrie. Er gilt als so etwas wie Disneys ewiger Vorstandschef. Er führte den Konzern zwischen 2005 und 2020, und 2022 kehrte er zurück, nach jetzigem Stand soll er bis Ende 2026 auf dem Posten bleiben. Eigentlich wurde sein Rückzug schon einmal für 2015 angekündigt, was ihm auch einen Einstieg in die Politik ermöglicht hätte, aber dann wurde sein Vertrag ein ums andere Mal verlängert. In seiner Amtszeit stärkte er Disney mit einer Reihe von teuren, aber geschickten Zukäufen, etwa dem Zeichentrickspezialisten Pixar oder dem „Star Wars“-Studio Lucasfilm.

Er kehrte 2022 zurück, als der Konzern hohe Verluste für seine Streamingdienste wie Disney+ auswies. Mittlerweile ist dieses Geschäft profitabel, und Disney steht allgemein solide da. Das Unternehmen ist auch auf Expansionskurs, vor wenigen Monaten kündigte es zum Beispiel an, einen neuen Freizeitpark in Abu Dhabi bauen zu wollen. Aber es gibt noch immer Schwachstellen. Dazu zählen vor allem die traditionellen Fernsehaktivitäten mit Sendern wie ABC, die unter anderem darunter leiden, dass immer mehr Menschen im Streamingzeitalter auf Kabelanschlüsse verzichten.

Schön öfter auf Konfrontationskurs

Auch in der Vergangenheit hat Iger schon bei politischen Kontroversen eine Rolle gespielt, und bisweilen ging er dabei auf Konfrontationskurs. 2017 verließ er aus Protest ein Beratungsgremium für Trump, nachdem dieser den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt hatte. Vor etwas mehr als zwei Jahren bezog er Position gegen ein Gesetz in Florida, das Lehrern verbot, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität im Schulunterricht bis zur dritten Klasse und zum Teil auch darüber hinaus zu diskutieren.

Mit Kimmels Rückkehr riskiert Iger nun, den Zorn von Trump und FCC-Chef Carr auf sich zu ziehen. Auch Disney ist auf die amerikanische Regierung angewiesen. Vor einigen Wochen kündigte der Konzern zum Beispiel die Übernahme eines Fernsehsenders der amerikanischen Football-Liga NFL an, und dafür braucht er die Genehmigung von Regulierungsbehörden. Trump, der Kimmels zwischenzeitliche Absetzung bejubelt hatte, hat sich bislang noch nicht zu der Kehrtwende geäußert.

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