Gesundheit

Schlafstörungen: Er schlief nur noch eineinhalb Stunden – was ihm half |ABC-Z

Er schlief nur noch eineinhalb Stunden durch. Michael Koch bekam Bluthochdruck, wurde aggressiv und schließlich arbeitsunfähig. Dann fand er Hilfe. Eine Geschichte, von der wir alle lernen können.

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Er stammt aus dem stern-Archiv und erschien erstmals im Dezember 2022. 

Wie Schatten ragen die Berge im bayerischen Voralpenland in den Himmel, als Michael Koch frühmorgens vor die Tür der Klinik tritt. Es ist ein kalter Märztag, Vogelgesang erfüllt die Luft. “Ich hatte eine gute Nacht”, sagt er. “Nur viermal aufgewacht, zweieinhalb Stunden durchgeschlafen – das habe ich lange nicht mehr geschafft.”

Um sechs Uhr ist er aufgestanden, jetzt steht ihm ein schlafloser Tag bevor. Nickerchen sind tabu, sie würden den “Schlafdruck” senken, der nötig ist, um ab Mitternacht wieder zur Ruhe zu kommen. Genügen 18 Stunden Wachsein nicht, um seinem widerständigen Körper den Schlaf aufzuzwingen, wird die Nachtruhe von sechs auf fünf Stunden verkürzt. “Schlafrestriktion” nennt sich dieser Baustein seiner Therapie. Der stern wird Koch durch das Jahr begleiten, um herauszufinden, ob die Behandlung wirkt.

© Marek Vogel

Der Schlaf-Lehrling

Michael Koch, 56, Versicherungsangestellter: “Ich wollte endlich wieder lernen zu schlafen. Dafür ließ ich mich stationär für ein ‘Schlaf-Reha-Programm’ in eine Klinik einweisen. Es war für mich der letzte Strohhalm. Davor wachte ich bis zu acht Mal in der Nacht auf, schlief maximal eineinhalb Stunden durch. Insgesamt kam ich meist auf drei Stunden Schlaf pro Nacht. Meine Bürotage schaffte ich nur noch mit drei Powernaps. Schon morgens um zehn Uhr habe mich dann im Arbeitszimmer auf den Teppich gelegt, Kissen unter den Kopf, und 20 Minuten fest geschlafen. Ich litt unter Konzentrations- und Gedächtnisproblemen und fand einfache Worte nicht mehr. Ich war wie ein altes Handy mit schlechtem Akku. Im November vergangenen Jahres wurde ich deshalb krankgeschrieben. Körperlich bin ich gesund, im Schlaflabor wurde keine Ursache gefunden. Therapeutisch hatte ich vor der Klinik alles durchprobiert, verschiedenste Entspannungstechniken, Schlafmittel, nichts hatte geholfen. Mein Ziel war, vier bis fünf Stunden durchschlafen zu können. Und bald wieder arbeitsfähig zu sein.”

Der Morgenspaziergang ist ein tägliches Ritual vor dem Frühstück. Koch geht langsam – “achtsam”, wie er sagt, um den Sonnenaufgang zu genießen. Er versucht, möglichst selten auf seine Smartwatch zu schauen, die Schrittzahl und Herzschlag anzeigt. Eine Aufgabe der Verhaltenstherapeutin: “Sie sagt, ich kontrolliere zu viel, bin zu perfektionistisch, soll die Dinge einfach mal laufen lassen.”

“Die Reha ist für mich der letzte Strohhalm”

Koch ist 56 Jahre alt, er sieht jünger aus. Schlank, breite Schultern, schmale Hüften. “Ist ein komisches Gefühl, hier zu sein. Man könnte mich für den Fitnesstrainer halten.” Die Medical Park Klinik in Bad Feilnbach ist ein Rehazentrum für Menschen mit schweren neurologischen Erkrankungen, auf den Krankenhausfluren laufen Patienten an Rollatoren. Seit eineinhalb Jahren aber mischen sich scheinbar Gesunde unter die Gezeichneten. Damals startete hier ein Rehaprogramm für Menschen mit schweren Schlafstörungen, das bundesweit einzigartig ist. Vor allem deshalb, weil es vollstationär in der Klinik stattfindet. Normalerweise nämlich werden chronische Schlafprobleme ambulant behandelt. Nur wenn die Betroffenen noch eine andere Diagnose haben, die über ein Krankenhaus abgerechnet werden kann, zahlen die Kassen den Aufenthalt. Wenn die Patienten beispielsweise depressiv sind.

Doch Koch hat einfach “nur” schwere Schlafprobleme. Im November vergangenen Jahres wurde der Versicherungsangestellte deshalb krankgeschrieben. Ihm drohte die Frühverrentung, und das brachte ihn in das Bad Feilnbacher Programm – das von der Rentenversicherung getragen wird. “Die Reha ist für mich der letzte Strohhalm”, sagt er. Zuletzt schlief er nur noch eineinhalb Stunden durch. Den Rest seiner Nächte dämmerte er mal zehn, mal 20 Minuten weg. “Insgesamt kam ich auf drei Stunden.”

Kochs Geschichte erzählt, wie schnell und anfangs unmerklich man seinen Schlaf verlieren kann. Und was man tun kann, um ihn wiederzufinden. Die diagnostischen Methoden, die bei ihm angewandt wurden; die Mittel, die er ausprobierte; die Bausteine seiner stationären Therapie – all das ist lange bewährt und kann auch leichteren Fällen Orientierung geben im Umgang mit dem eigenen Problem. Wobei es zuallererst festzustellen gilt, ob man wirklich ein Problem hat.

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