Schiffbau: „Wegen der Eignerstruktur und Herrn Windhorst ist vieles an dieser Werft vorbeigegangen“ | ABC-Z
Die insolventen Werften FSG und Nobiskrug in Flensburg und Rendsburg könnten gerettet werden, glaubt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Zwar könne der Staat nicht direkt mit Aufträgen helfen, aber indirekt mit Bürgschaften. Der Bedarf für Werften dieser Größe sei jedenfalls da.
Allmählich wird es zu einer Art Ritual, der Werft FSG in Flensburg um Weihnachten herum Trost und Hoffnung zu spenden. Ende 2020 war Simone Lange (SPD), die damalige Oberbürgermeisterin von Flensburg, bei der Kiellegung für eine neue Fähre dabei. Und auf den Tag genau vor zwei Jahren übergab Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Förderbescheid des Bundes für den Bau von drei Tankschiffen für tiefgekühltes, verflüssigtes Erdgas (LNG).
Nun steht Habeck wieder einen Tag vor Heiligabend in einer der kalten Werfthallen von FSG und versucht, den Mitarbeitern Zuversicht zu spenden. Die drei, wie es seinerzeit hieß, „innovativen“ LNG-Tanker wurden nie gebaut. Der Investmentfonds Tennor des Finanzunternehmers Lars Windhorst hatte die nötige Co-Finanzierung durch die Werft FSG – zu der auch die Werft Nobiskrug in Rendsburg gehört – nicht beigebracht. Nun sind FSG und Nobiskrug wieder insolvent, wie vor einigen Jahren schon, und über den Hauptverantwortlichen herrscht an diesem Wintertag weitgehend Einigkeit. „Wegen der Eignerstruktur und Herrn Windhorst ist vieles an der Werft vorbeigegangen“, sagt Habeck.
Im November hatte eine der bei FSG und Nobiskrug involvierten Krankenkassen einen Insolvenzantrag für die Werften gestellt – Gehälter für die rund 500 Beschäftigten waren nicht gezahlt, Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt worden. Die zuständigen Gerichte eröffneten das vorläufige Insolvenzverfahren Mitte Dezember rückwirkend auf Anfang November. Für die beiden Insolvenzverwalter Christoph Morgen, der FSG betreut, und Hendrik Gittermann bei Nobiskrug wird die Zeit nun extrem knapp, einen oder mehrere neue Eigner für die Werften zu finden – wegen der Weihnachtspause sind es im Prinzip nur rund vier Wochen anstelle der üblichen drei Monate. Das Insolvenzgeld wird den Mitarbeitern für die Monate November bis Januar gezahlt.
Christoph Morgen, der viel Erfahrung mit der Rettung von Werften hat, sieht eine Chance für einen Neustart bei FSG und Nobiskrug. Es gebe „mehrere Interessenten im In- und Ausland“, sagt er vor mehreren Dutzend Frauen und Männern in der Werfthalle. Die Grundstücke der Werft seien nicht beliehen. Um Zeit für den Übergang zu gewinnen, könnte eine bereits begonnene Fähre für die australische Reederei SeaRoad fertiggestellt werden. Mit dem Unternehmen habe man darüber schon gesprochen. „Wir haben bereits erste Gespräche mit potenziellen Investoren geführt. Diese machen eine positive Investitionsentscheidung von der künftigen Auslastung der Standorte abhängig“, sagt Morgen. „Dafür sind neben Aufträgen für Superyachten und der Fertigstellung der RoRo-Fähre in Flensburg insbesondere die Aussicht auf künftige Aufträge für die Marine und die Offshore-Windindustrie von erheblicher Bedeutung. Die potenziellen Investoren hoffen insoweit auf Planungssicherheit durch Zusagen der Politik.“
„Diese hohe Nachfrage in der frühen Phase der Investorensuche stimmt mich zuversichtlich, dass wir trotz des extrem engen Zeitplans eine tragfähige Lösung finden werden“, sagt Gittermann. „Insbesondere die vielen Anfragen aus dem Ausland haben mich positiv überrascht. Sie zeigen, dass die Qualität der von Nobiskrug gebauten Superyachten nach wie vor weltweit einen hervorragenden Ruf genießt.“
Den Zustand der Werften beschönigen Morgen und Gittermann nicht. Seit zwei Jahren habe es keinen Jahresabschluss mehr gegeben, sagt Morgen. Hunderte Mahnbriefe seien in den Monaten vor dem Insolvenzantrag in Flensburg aufgelaufen. Warum der Investmentfond Tennor, warum Windhorst die Werften quasi trockenlaufen ließ, kann sich niemand der Beteiligten erklären. Das Verhalten ergibt keinen Sinn. Denn offensichtlich hat Tennor von dem Vorgehen nicht profitiert oder Kapital aus den beiden Schiffbauunternehmen herausgezogen. Neue Aufträge jenseits der zu etwa einem Drittel fertiggestellten SeaRoad-Fähre gibt es nicht. Bei Nobiskrug in Rendsburg liegt ein Yachtfragment, über dessen Zukunft noch Unklarheit herrscht.
Wirtschaftsminister Habeck wiederum macht in der Werfthalle deutlich, dass es erheblichen Bedarf für Werften wie FSG und Nobiskrug gebe – um Komponenten für Konverterstationen zu bauen, die für die Anbindung von Offshore-Windparks an das Landnetz notwendig sind, für den Bau von Spezialschiffen für die Offshore-Windkraft-Branche und auch für Verbundaufträge zum Bau von Schiffen für die Deutsche Marine.
Für Habeck ist jeder seiner in den vergangenen Jahren zahlreichen Besuche bei FSG ein Heimspiel – Wahlkreis Flensburg 1 mit der Stadt Flensburg und dem Kreis Schleswig-Flensburg ist sein von ihm 2021 direkt gewonnener Bundestagswahlkreis. „Die Politik kann hier zwar nicht direkt mit Aufträgen helfen, aber sie kann mithelfen, Aufträge auszulösen und Bürgschaften organisieren.“
Die Lage ist in der Tat eine andere als noch vor einigen Jahren. Die Deutsche Marine will ihr Programm für die Erneuerung und Erweiterung der Flotte deutlich ausbauen – vor allem auch angesichts der wachsenden Spannungen mit Russland in der Ostsee. Für den Bau von Offshore-Konverterstationen wiederum gibt es in Europa und international in den kommenden Jahren kaum noch freie Werftkapazitäten. Und Deutschland hat seine einst führende Position bei der Fertigung solcher Anlagen im vergangenen Jahrzehnt verloren, weil der ausbau der Offshore-Windkraft vom Bund seinerzeit gestoppt worden war.
Eine von mehreren wichtigen Entscheidungen habe man auch mit Blick auf Lars Windhorst bereits getroffen, sagt Insolvenzverwalter Morgen. Zwar sei Windhorst wegen des bislang nur vorläufigen Insolvenzverfahrens noch Geschäftsführer bei FSG und Nobiskrug. Das eigentliche Insolvenzverfahren soll am 1. Februar starten. Aber bei der besonders wichtigen, für die Immobilien der Werften zuständigen Tochtergesellschaft habe man ihn inzwischen abgesetzt.
FSG war in den vergangenen Jahren auf technologisch anspruchsvolle, sogenannte RoRo- und RoPax-Fähren spezialisiert, Nobiskrug auf die Fertigung von Superyachten. Die Zusammenführung beider Werften nach deren letzten Insolvenzen diente unter anderem dem Ziel, die Rümpfe der Yachten für Nobiskrug bei FSG mit fertigen zu lassen und damit Synergieeffekte zu heben.
Um wieder Schiffe bauen zu können, müssen die Insolvenzverwalter in den kommenden Wochen möglichst viele Mitarbeiter in den Werften halten Und sie müssen überhaupt erst einmal die rechtlichen Grundlagen für den Schiffbau erneuern. Weil kein Geld mehr vorhanden war, hat FSG im ablaufenden Jahr seine TÜV-Zulassung verloren.
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Der Schiffbau zählt seit Jahrzehnten zu seinen Schwerpunktthemen.