Schauspieler Marcus Mittermeier über das Besondere der Zweites Deutsches Fernsehen-Serie „München Mord“ | ABC-Z
Wie kam es dazu, dass Sie ein eigenes Drehbuch zur 19. Folge von „München Mord“ verfasst haben?
Die Idee zu „Die indische Methode“ kam mir eines nachmittags. Ich finde die Personenkonstellation bei „München Mord“ so anregend, dass es wirklich Spaß macht, darüber nachzudenken, was diesen Menschen passieren könnte. Diese Konstellation von drei Losern, die im Keller sitzen, gezeichnet vom Misserfolg – die dann durch noch mehr Misserfolg in eine Situation zu bringen, dass sie unter Druck dazu verdammt sind, einen Fall zu lösen –, diese Konstellation hat mich fasziniert. Ich habe über die Gemengelage nachgedacht und dann die Idee gehabt mit der „indischen Methode“, die Schaller von einem Workshop mitbringt und die er dann nutzen muss, um den Fall zu lösen. Im Sinne der Komödie muss das natürlich schiefgehen.
Sie haben schon Regie geführt. Denkt man als Schauspieler manchmal: Das kann ich auch.
Nein, ich bin niemand, der glaubt, es besser zu wissen als andere. Ich hatte einfach diese Idee mit der neuen Ermittlungsmethode. Und wahrscheinlich hat niemand wirklich geglaubt, dass ich das bis zum Ende durchhalte. Ich habe die Idee Kollegen, dem Produzenten und dem Sender vorgestellt. Am Anfang kam die Ermutigung, hieß es: Klar, mach mal. Irgendwann war das Treatment von 30 Seiten da, und das hat dann doch den einen oder anderen überrascht. Aber da war es schon zu spät (lacht).
Was haben Sie gelernt durchs Schreiben?
Die Arbeit des Autors unterscheidet sich diametral von der des Schauspielers. Es ist wahnsinnig anstrengend, sich hinzusetzen und alles komplett zu erfinden. Wenn du als Schauspieler anfängst zu arbeiten, hat das Ganze schon einen richtigen Schwung. Das Drehbuch ist da, die Regie ist da, die Kostüme sind da. Wenn wir ans Set kommen, springst du auf den fahrenden Zug und bringst im Idealfall mit deiner Energie die Sache zum Fliegen. Hochachtung vor jedem Autor, der aus einem Blatt Papier eine Geschichte macht und erfindet, wie die Personen, die Wohnungen, Requisiten et cetera aussehen. Das erwächst aus deinem schöpferischen Geist. Das ist wahnsinnig anstrengend.
Wie ging bei Ihnen der schöpferische Akt vonstatten?
Ich habe versucht, die Idee im Geiste wachzuhalten. Oft kommen mir Ideen beim Joggen, aus der Zerstreuung heraus. Ich bin ein Abendjogger und nutze meistens die zwei Stunden zwischen fünf und sieben. Beim Joggen habe ich Diktiergerät dabei und kann einsprechen, wenn mir Gedanken kommen. Dann gehts nach Hause unter die Dusche und dann an den Computer. Aber da hinterlege ich nur Notizen. In Form gebracht wird das Ganze am nächsten Morgen nach dem Frühstück so ab neun.
Waren Sie nicht in Versuchung, sich selbst was auf den Leib zu schreiben?
„Die indische Methode“ ist ein Film für das Team geworden, und genauso wollte ich es. Auch thematisch geht es um den Zusammenhalt. Es geht überhaupt nicht um mich und um meine Figur. Das Drehbuch ist eine Verneigung vor dem Format und diesem Team.
Was macht diese Konstellation denn so besonders?
Die drei Hauptfiguren sind mit ihren Schwächen und Fehlern einfach gute Identifikationsflächen für den Zuschauer: Wir sagen den Leuten, du musst nicht perfekt sein, um schwierige Probleme zu lösen. Manchmal ist es sogar gut, wenn du nicht perfekt bist. In einer Welt voller Selbstoptimierung sind wir fast schon ein Ort der Entspannung.
Sie hätten auch die Chance gehabt, die Beziehung zwischen Ihrer Figur Harald Neuhauser und der von Bernadette Heerwagen gespielten Angelika Flierl zu vertiefen.
Thematisch hat die Geschichte zwischen Angelika und Harald nicht so wahnsinnig gut reingepasst. Es ging diesmal nicht um die Zuneigung der beiden zueinander. Eine weitere Stärke des Formats ist: Wir heroisieren die Polizeiarbeit nicht. Wir sind eher Menschen und haben unsere menschlichen Bedürfnisse, so wie die Angelika diesmal verschnupft aus dem Urlaub kommt. Es menschelt, und das ist mir sehr wichtig.
Sind Sie Harry-Potter-affin? Große Teile spielen ja diesmal im Internat.
Nein. Das ist entstanden aus dem Gedanken heraus, dass wir eine Schule brauchen, zu der nur elitäre Menschen Zugang haben: entweder weil sie wirklich Elite sind oder Sportelite oder über Vitamin B verfügen. Das ist interessanter Sprengstoff. Volleyball habe ich übrigens selber gespielt und dadurch einen biographischen Hintergrund. Mit 18/19 kam ich in der Bayernliga zum Einsatz.
Waren Sie bei den Dreharbeiten nicht manchmal versucht, dem Regisseur in die Speichen zu greifen? Ist ja schließlich Ihr Baby – „Die indische Methode“.
Nein. Klar, für einen Drehbuchautor ist es immer schwierig, wenn er sein Baby aus der Hand gibt. Aber es kann ja auch noch viel besser werden. Die meisten Szenen wurden beim Drehen besser, spannender und interessanter. Zum Beispiel wie Schaller das Geld findet – das ist sensationell gemacht. Da wäre ich nicht drauf gekommen. Ich hatte überhaupt schnell das Gefühl, dass Matthias Kiefersauer der richtige Mann dafür ist. Er verfügt auch über den richtigen Humor.
Lust auf weitere Drehbücher?
Ich finde die Autorenarbeit sehr interessant. Man lernt viel über den Beruf und das Filmemachen. Aber ich muss nicht jeden Tag ein Buch abliefern.
Sie haben diese Folge ausnahmsweise im Sommer gedreht. Ist das besser?
Anders. Aber es stimmt. Es tut den Dreharbeiten wahnsinnig gut, wenn es nicht immer ein nebelverhangener November ist – wobei das natürlich auch seinen Reiz hat.
Befriedigt „München Mord“ nicht auch die immer größer werdende Sehnsucht nach einem echten Krimi? Das Format enttäuscht in dieser Hinsicht nie, anders als der „Tatort“.
Das mit dem „nie Enttäuschen“ ist harte Arbeit – die Produktion und die Redaktion arbeiten sehr hart für das Format und entwickeln jeden Film mit der immer gleichen Liebe. Wir haben das Glück, mit dem Alleinstellungsmerkmal „Kellerkinder“ einmalig in der deutschen Fernsehlandschaft zu sein. Unbewaffnet, weil die drei das nicht dürfen und dann doch aus irgendwelchen Gründen noch einen Fall lösen. Wir lösen die Fälle nicht, weil wir so sind, sondern obwohl wir so sind, wie wir sind.
Haben Sie Blut geleckt, und wie zeitaufwendig ist das Schreiben?
Es gibt schon ein paar neue Ideen. Am Ende war es schade, dass es vorbei war mit dem Buchschreiben. Ich habe viel gelernt über Krimidramaturgie, wann wo welche Bögen zu Ende gebogen werden. Das muss man sich erst einmal aneignen. Ich habe in meinem Leben schon Hunderte Drehbücher gelesen. Das Schreiben ist harte Arbeit, viel Handwerk. Dem musst du dich stellen. Da kannst nicht einfach sagen: „Wieso? Der Schluss ist doch gut.“ Der Film muss von der ersten Minute an funktionieren. Man kann diesem Film viel vorwerfen, aber nicht das er schlecht gestylt ist. Ich finde, er hat einen guten Wumm. Der hängt nicht durch, bricht nicht auseinander.
Haben Sie eine Lieblingsszene und einen Film, den Sie verehren?
Ich finde toll, wie Schaller die Jacke findet, und das Würgen. Ich selbst bin ein Fan der Coen-Brüder. „The Big Lebowski“ – das ist ein Film, wo die ganze Klaviatur der Erzählmöglichkeiten aufgespannt ist mit unfassbarer Liebe zu Figuren und Komik. Dabei war der im Kino total erfolglos.
„München Mord – Die indische Methode“ läuft am Samstag um 20.15 Uhr im ZDF und in der Mediathek.
Das Gespräch führte Jörg Seewald.