VfB Stuttgart gewinnt DFB-Pokalfinale gegen Arminia Bielefeld mit 4:2 | ABC-Z
Der Fußball schreibt mal schöne, mal grausame Geschichten. In dieser DFB-Pokalsaison war es eine traumhafte, die am Samstag ziemlich lang auf eine ziemlich böse Pointe hinauslief. Eine von grenzenlosem Optimismus, die dazu führte, in schmerzhafter Drastik die Grenzen aufgezeigt zu bekommen.
Mitch Kniat hatte seine Bielefelder mutig und offensiv in das große Finale gegen den VfB Stuttgart geschickt, so, wie sie Schritt für Schritt, Spektakel für Spektakel in dieses Endspiel vorgedrungen waren. Aber als es dann nach einer halben Stunde 3:0 für Stuttgart stand, und die VfB-Stürmer schon wieder zu dritt oder zu viert gegen den armen letzten Arminen wie im Training zockten, war ziemlich klar, was die Stunde geschlagen hatte: Der VfB würde am Ende seinen ersten Titel seit der Meisterschaft 2007 feiern und sich damit für die Teilnahme an der Europa League qualifizieren.
Was wäre, wenn Bazee getroffen hätte?
Daran änderte auch die wilde Schlussphase nichts mehr. Dass die Arminia aber noch einmal von 0:4 auf 2:4 herankam und in der Nachspielzeit nur knapp den dritten Treffer verpasste, war noch einmal ein Ausrufezeichen, das die Ostwestfalen an den Schluss dieser, ihrer besonderen Geschichte setzten: als vierter Drittligaklub, der das Pokalfinale erreichte.

In Bielefeld wird man sich womöglich noch lange fragen, wie dieser Abend verlaufen wäre, hätte Sarenren Bazee den Ball drei Minuten vor der Stuttgarter Führung aus kurzer Distanz nicht an die Latte, sondern in die Maschen gedonnert.
Für den VfB war es dann der Stürmer der Stunde, Nick Woltemade, der sich die erste Großchance nicht entgehen ließ und mit dem 1:0 das erste Signal Richtung Sieg für die Schwaben setzte (15. Minute), danach trafen Enzo Millot (22.) und Deniz Undav (28.) noch vor der Pause für das Team von Sebastian Hoeneß.

Jedes Mal war der Weg zum Tor frei, eine Mischung aus Bielefelder Fehlern und fehlender Absicherung führte zu einem Stuttgarter Lustspiel namens „Ab durch die Mitte“. Auszunutzen wusste die Lücken vor allem einer: Angelo Stiller, dessen Einsatz sich nach einer Sprunggelenksverletzung erst am Spieltag entschieden hatte, und der an allen drei Treffern beteiligt war.
Das Stuttgarter 4:0 durch Millots zweiten Treffer (66.) wirkte wie eine schöne, aber bedeutungslose Zugabe, ehe die Partie am Ende noch einmal Fahrt aufnahm, mit dem Bielefelder Premierentreffer von Julian Kania (82.) und dem Stuttgarter Eigentor von Josha Vagnoman (85.).

Eine schöne und eine erschreckende Geschichte produzierte dieses 82. Pokalfinale auch am Rande. Da waren zum einen die empathischen Botschaften zum Gedenken an den Bielefelder Messerangriff vom vergangenen Wochenende, bei denen sich auch die Stuttgarter Fans den Arminen anschlossen, zum anderen aber auch die Donnerschläge und Leuchtraketen, die insbesondere in der zweiten Hälfte unablässig aus den Kurven gezündet wurden. Hier sind offenkundig Sicherungen auf eine Weise durchgebrannt, die den Fußball noch beschäftigen wird.
Zuvor hatte der Spannungsaufbau für dieses Spiel kaum Grenzen gekannt, nicht nur wegen der Siege der Arminen gegen gleich vier Bundesligaklubs, Union Berlin (2:0), SC Freiburg (3:1), Werder Bremen (2:1), Bayer Leverkusen (2:1). Auch das Bielefelder Stadtmarketing hatte noch einmal ganze Arbeit geleistet, Schwarz-Weiß-Blau war schon in den Tagen vor dem Spiel überall in Berlin präsent.

Großflächige Plakate mit Slogans wie „Europa League, wir kommen“ oder „Stuttgart gibt’s gar nicht“ stimmten die Hauptstadt auf das ein, was kommen würde, aber das war nur ein Vorgeschmack auf die angeblich 100.000 Menschen, die dann leibhaftig und vorfreudig da waren. Im Stadion waren die Kräfteverhältnisse ausgeglichen, mit leichten Vorteilen vielleicht für den VfB.
Auf dem Feld stellte sich die Sache zuerst mitnichten einseitig dar. Die Bielefelder Stürmer Sarenren Bazee und Grodowski versuchten, den VfB-Aufbau unter Stress zu setzen, und dass der Drittliga-Meister sich auch auf ein feines Passspiel versteht, hatte er Fußball-Deutschland schon gezeigt. Eine erste Kostprobe gab es nach einer halben Minute, als Sarenren Bazee einen verunglückten (und auch etwas verfrühten) Schuss von Oppie nur knapp verpasste. Nach zehn Minuten war es Sarenren Bazees Flanke, die Grodowski in der Mitte nicht ganz erreichte. Und dann folgte jene Szene, in der der Torschrei schon auf den Lippen lag, nachdem Grodowski von links hereingegeben und im Zentrum Oppie und Mittelstädt verpasst hatten – das Netz zitterte nach dem Lattentreffer, der Ball zappelte aber nicht darin.
Lektion in Sachen Effizienz und Klasse
Was folgte, war eine bittere Lektion durch den Champions-League-Teilnehmer in Sachen Effizienz und Klasse. Beim 0:1 schickte Stiller mit einem klugen Direktpass aus dem Zentrum Woltemade auf die Reise, der Russo als letzten Bewacher abschüttelte, das 0:2 folgte auf einen eigenen Eckball und ein Missverständnis zwischen Schreck und Wörl, Nummer drei einem Ballverlust Großers am Mittelkreis.
Die zweite Hälfte wurde zu einem Stuttgarter Schaulaufen, in dem Bielefeld zuerst noch den einen oder anderen vergeblichen Versuch unternahm, anders als die Drittliga-Vorgänger im Finale – Herthas zweite Vertretung, Cottbus und Union Berlin – zumindest ein Tor zu erzielen. Dass sie sich den Optimismus bis zum Schluss behielten, wurde dann doch noch belohnt, wenn auch nicht mit dem Pokal.