Oscar Piastri hängt in Barcelona alle ab | ABC-Z

Der Humor der Australier? Gilt als besonders trocken. Verziehen keine Miene, die Aussies, und sagen doch etwas Witziges. Anders Humorsozialisierte bleiben oft verdutzt zurück. Ein Beispiel aus der Formel 1? Oscar Piastri. Stellt sich der McLaren-Pilot am Freitagabend im Fahrerlager des Circuit de Barcelona-Catalunya ans Mikrofon, spricht über die Trainingseindrücke und sagt, ohne dass dabei ein Muskel in seinem Gesicht verräterisch zuckt: „Unsere Konkurrenten sehen schnell aus.“
Rast dann aber – für die Pointe, versteht sich – keine 24 Stunden später überlegen zur Pole Position beim Großen Preis von Spanien. Regelrecht abgehängt, die angeblich ach so schnellen Mitfahrer. Selbst der Teamkollege kann nicht mithalten in der Gemeinde Montmeló vor den Toren von Barcelona. Während der WM-Führende Piastri am Samstagnachmittag in 1:11,546 Minuten über die 4,6 Kilometer lange Traditionsbahn schoss, fehlten Lando Norris im zweiten McLaren mehr als zwei Zehntelsekunden zur Bestzeit.
Weltmeister Max Verstappen, der im Red Bull Dritter wurde, lag mehr als drei Zehntel hinter Piastri zurück. Mercedes-Pilot George Russell setzte exakt die gleiche Zeit wie Verstappen, aber einen Moment später als der Niederländer. So muss sich der Brite am Sonntag (15.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Formel 1, bei RTL und Sky) hinter dem Red-Bull-Piloten anstellen. Lewis Hamilton qualifizierte sich als bester Ferrari-Pilot auf Platz fünf.
„Das wird interessant morgen“
„Das Auto war heute mega“, sagte Piastri nachdem er zum vierten Mal ein Startplatzrennen gewonnen hatte, doch blickte sogleich nach vorn: „Das wird interessant morgen. Der Weg bis zur ersten Kurve ist weit.“ Auf den mehr als 500 Metern bis zur ersten Bremszone, dessen war sich Piastri gleich bewusst, wird Norris alles daran setzen, sich am Australier vorbeizudrängeln, ehe der an der Spitze auf und davon rast im Grand Prix, der über 66 Runden (307 Kilometer) führt.
Apropos: Im zehnminütigen Finale des Startplatzrennens jagte Piastri eilig los, drehte eine erste schnelle Runde und stieg dann, als er über die Ziellinie gesaust war, heftig in die Eisen und fuhr rechts ran. „Achtung“, wurde er per Funk gewarnt, „Lando legt dicht hinter dir los.“ Norris hatte sich, von Piastri unbemerkt, Windschatten erschnorren wollen, um auf der langen Geraden einen Tempovorteil zu erlangen, den Piastri ihm nicht gönnen wollte. „Frech“, funkte Piastri und steuerte hart rechts. Und doch übertrumpfte der Brite Norris seinen Kollegen zunächst um 0,017 Sekunden.
Drei Minuten verblieben auf der Uhr, da erhoben sich die Fans auf der Haupttribüne für ihren Lokalhelden. Fernando Alonso raste im Aston Martin auf Rang fünf. Eine Momentaufnahme für den 43-Jährigen, der in diesem Jahr noch keine Punkte einfuhr. Am Ende reichte es zu Platz zehn, während der zweite Spanier im Feld, Carlos Sainz (Williams), Achtzehnter wurde.
„Ich habe einige Fehler gemacht“
Zweieinhalb Minuten vor Ultimo eröffnete Norris den entscheidenden Schlagabtausch um die Poleposition. Während Piastri im ersten Kurvenabschnitt Boden gutmachte, versemmelte Norris den zweiten der drei Streckensektoren. „Ich habe einige Fehler gemacht“, gestand er ein und gab im gleichen Atemzug zu: „Oscar ist sehr gut gefahren.“ Die Enttäuschung in seinem Gesicht konnte Norris, der in der WM drei Punkte hinter Piastri notiert ist, nicht verbergen. Immerhin scheint der Australier der Einzige zu sein, den Norris im Titelkampf bezwingen muss. Dass sich der McLaren-Frontflügel seit diesem Wochenende nicht mehr so stark verbiegen darf, hat den Branchenprimus offenbar nicht eingebremst. Zumindest nicht auf der katalanischen Traditionsbahn.
Der Rheinländer Nico Hülkenberg enttäuschte mit Platz 16. Dabei hatte das künftige Audi-Werksteam seinen Renner für das nun anbrechende zweite Saisondrittel noch einmal getunt: Ein neuer Unterboden und überarbeitete Seitenkästen sollen Hülkenberg und seinem Teamkollegen Gabriel Bortoleto mehr Abtrieb verschaffen. Auch soll das Fahrverhalten des Sauber berechenbarer werden.
Dass mehr im grünschwarzen Boliden steckte, als Hülkenberg herauszuholen vermochte, bewies der Brasilianer Bortoleto: Der Zwanzigjährige qualifizierte sich auf Rang zwölf und verkürzte im Qualifying-Duell mit dem Emmericher auf 4:5. Das Problem? „Der letzte Sektor“, sagte Nico Hülkenberg. „Die Abstände sind so knapp dieses Jahr, wenn dann nicht alles passt, ist direkt die Luft raus.“ Die Veränderungen am Fahrzeug wirkten aber, ließ Hülkenberg wissen.
Noch dicker kam es für Max Verstappens Teamkollegen Yuki Tsunoda: Letzter im Red Bull, der Japaner. Längst steht in Rede, dass seine Zeit bei Red Bull eher früher als später endet. An der Seite des Steuerkünstlers Verstappen bringt er, der bislang sieben Punkte für Red Bull sammelte, wenig mehr zustande als Liam Lawson, sein nach zwei Grands Prix degradierter Vorgänger.
Ob der 20 Jahre alte Franzose Isack Hadjar, der als Formel-1-Neuling im Schwesterteam Racing Bulls famose Leistungen zeigt, freiwillig auf dem Schleudersitz bei Red Bull Platz nehmen wird? Sollte Tsunoda abberufen werden, gilt Hadjar als designierter Nachfolger. Doch wer in der Branche, der es gut mit ihm meint, würde ihm das schon raten wollen? Zu groß das Risiko, im Schatten Verstappens die Selbst- und Fremdwahrnehmung zu ruinieren. Als Neunter des Qualifyings empfahl sich Hadjar jedenfalls so oder so für höhere Aufgaben.