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Sanierung des Südflügels im Pergamonmuseum bis 2037 | ABC-Z

Er dürfte einzigartig sein, der neue Grundstein des Berliner Pergamonmuseums: Am Donnerstag wurde er mit je einem Lobspruch auf die Macht der Herrschenden in Sumerisch und Altägyptisch, in Keilschrift auf gebranntem Ton und in Hieroglyphen auf Papyrus versehen. Anlass: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergab die Säle, Büros, Depot- und Werkstatträume im Südflügel des Pergamonmuseum in die Verantwortung des Bundesamts für Bauordnung und Raumforschung (BBR). Wenn alles läuft wie geplant – aber wann lief bei diesem Projekt je etwas wie geplant, außer dem Ausräumen der Sammlungen, das vor einigen Wochen vorzeitig abgeschlossen wurde? – wird das BBR in zwölf Jahren den Schlüssel zurückgeben.

Davor kommen noch die letzten Tage der offenen Tür an diesem Wochenende im Südflügel – die Tickets waren online umgehend verkauft, mit Geduld erhält man vielleicht noch eines der Tagesbillets. Noch einmal darf man die strahlenden Fliesendekore des Ischtartors und der Prozessionsstraße aus Babylon bewundern. Aufgerissene Ziegelmauern und Einbauten zeigen, wo bis 2023 monumentale Kunstwerke aus dem heutigen Irak, Anatolien und Syrien standen.

Bis heute hält Russland große Bestände zurück

Bei genauem Hinsehen sind Bleistift-Inschriften zu finden: „Eingebaut 1958“ – nach der Rückkehr dieser wider alles Völkerrecht von der Roten Armee in die Sowjetunion verbrachten Reliefplatten und Skulpturen. Bis heute hält Russland auch aus dieser Abteilung große Bestände zurück. In einer Vitrine ist ein Dollarschein ausgestellt, der hinter den Wänden gefunden wurde, außerdem ein zerrissenes Personalausweisfoto, alte Führer, Eintrittskarten, Elektrolampen in altorientalischen Formen. Im Assur-Saal zeigen sich an einer Stelle die vielen Schichten von Linoleumbelägen, die im Pergamonmuseum verlegt waren. Es ist selbst eine Ausgrabungsstätte geworden.

Ab kommenden Montag herrscht dann die Bauverwaltung. Unmittelbar nachdem die letzten Besucher gegangen sind, sollen die empfindlichen Keramikflächen klimadicht verkleidet werden und Gerüste entstehen. Es wird saniert und umgebaut, aufs Dach kommt eine Photovoltaikanlage. Wenn man schon beim Nord- und beim Ostflügel den Empfehlungen der Energieexperten gefolgt wäre, hätte der Bau wohl ein Viertel seines Energieverbrauchs selbst produzieren können. Zeithorizont für den Südflügel: bis mindestens 2037. Oder auch 2038, wie selbst auf einer der Tafeln der provisorischen Ausstellung zur Bau-, Technik- und Museumsgeschichte des Vorderasiatischen Museums zu lesen ist, die in dessen nun leer geräumten Sälen gezeigt wird. In den Verwaltungen wird schon von 2040 oder 2043 gesprochen.

Bis 2037 unter Verschluss: das Markttor von Milet, Glanzstück der Antikensammlungdpa

Zur Erinnerung: Der Grand Louvre entstand, ohne dass der Louvre deswegen gesperrt wurde. Das British Museum, das Metropolitan Museum, der Prado – sie alle blieben geöffnet, während der Umbau stattfand. In Berlin aber hofft man, durch die Totalschließung Geld und Zeit zu sparen. Wobei der Architekt Jan Kleihues am Donnerstag mitteilte, dass Zeit für ein solches Projekt immer relativ sei. Man wolle hier etwas schaffen, das „hundert Jahre Bestand“ habe. Der Entwurf von Oswald Mathias Ungers aus dem Jahr 1999 trage ohnehin eine „zeitlose“ Architektursprache. Nun ja: Der erste ausgeführte Bauteil, der verniedlichend „Tempietto“ genannte Eingangsbau, ist reichlich massiv und sehr à la 2000 geraten.

1,5 Milliarden Euro sind für die Grundsanierung und den teilweise tief in die Gebäudestruktur eingreifenden Umbau des Pergamonmuseums vorgesehen, davon fast 300 Millionen als „Rücklage“ für steigende Baukosten. Einzig die Sanierung des Deutschen Museums in München, die inzwischen auf mehr als 800 Millionen Euro kalkuliert wird, kann mit diesem Riesenprojekt konkurrieren.

Die Fundamentbrücke unter dem Museum bewegt sich

Aufzuholen ist allerdings ein Instandsetzungsrückstau von fast einem Jahrhundert. Die technischen Infrastrukturen des Pergamonmuseums stammen oft noch aus den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts. Ein Dauerproblem sind die Fundamente. Der Südflügel steht auf einer zwischen 1910 und 1915 entstandenen Stahlbetonbrücke. Sie spannt über eine hier bis auf vierzig Meter Tiefe reichende Schlammgrube, den berüchtigten „Kolk“.

Doch Messungen zeigen, dass sich die Brücke bewegt – nur im Millimeterbereich, aber auf Dauer könnten daraus Schäden werden. Nun sollen die Ankerbauten der Brücke neu fundiert werden. Die Ausstellungstafeln, die all dies erklären, sind übrigens hervorragend – sie sollten zu einer Wanderausstellung werden und wenigstens die Bauzäune zieren.

Immerhin hat der Zeitverzug den geschichtsfeindlichen Radikalismus in Ungers’ Entwurf gemildert. So soll der dunkelrot-golden schimmernde „Palastraum“ nach der Grundsanierung wieder so erscheinen, wie er zu DDR-Zeiten aussah, inklusive der neckischen Elektro-Fackelhalter von 1956. Der Raum wird dann das einzige Denkmal der Museumskultur der DDR sein, das es in den Berliner Staatlichen Museen noch gibt. Zugleich erinnert er daran, dass das 1927 von Walter Andrae herrlich bunt entworfene Vorderasiatische Museum eine der wichtigsten museumspolitischen Taten der Weimarer Republik war. Nicht erst die Bundesrepublik bringt hier einen demokratischen Touch in die Museumsräume.

Bis Sonntag ist der Südflügel des Pergamonmuseums noch geöffnet, von 10 bis 22 Uhr.

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