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Salzburger Festspielzeit: Highlights in den Galerien | ABC-Z

„Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.“ Dieser schöne Aphorismus von Francis Picabia könnte als Leitmotiv über der Festspielausstellung der Galerie Salis in Salzburg stehen, denn sie bietet dem Kopf phantastische Anregungen fürs Richtungswechseln, indem sie zwischen je einem Bild und einer plastischen Arbeit Brücken über Kontinente und Jahrhunderte hinweg schlägt. Fast fünfhundert Jahre trennen Picabias „Transparence (Deux Têtes)“, eine kräftige Tuschezeichnung zweier sich überlagernder Gesichter von 1931, von dem hochexpressiven Kopf Johannes des Täufers an seiner Seite, der Ende des 15. Jahrhunderts am Niederrhein geschnitzt wurde.

Begegnungen der anderen Art

Von spezialisierten Kollegen bekam Thomas Salis Leihgaben wie das zauberhafte frühbarocke Kruzifix Georg Petels, das er neben Arnulf Rainers früher Übermalung „Kreuzarchitektur“ installierte. Pablo Picassos aus Stoff und Leim collagierter „Tête“ trifft auf eine von dickem Wuschelbart gerahmte Maske der Wé (Elfenbeinküste), und ideal harmoniert die inkarnierte Ruhe eines um 1300 gefertigten Buddha-Torsos der Khmer mit Gotthard Graubners meditativem Kissenbild „oculo“. Mit fünfzehn derartigen Paaren gelingt Salis am Mozartplatz ein Highlight der Auftritte Salzburger Galerien zur diesjährigen Festspielzeit. (Preise ab 25.000 Euro. Bis 30. August)

Die Wasseroberfläche als Abstraktion: Axel Hüttes Fotografie „Blaubeuren 2“ bei der Galerie Nikolaus RuzicskaGALERIE NIKOLAUS RUZICSKA / VG Bildkunst, Bonn 2025

In Deutschlands Süden entstand 2022 Axel Hüttes Serie großformatiger Landschaftsaufnahmen, die in der Galerie Ruzicska zu sehen sind. Sie handeln vom Wasser oder besser von Bildern, wie sie auf seiner Oberfläche entstehen. Nicht die Birkenstämme selbst hält Hütte mit der Plattenkamera fest, sondern ihre leicht verzitterte Spiegelung auf einem Moorteich im Pfrunger Ried; vermutlich sorgte ein Lufthauch oder ein fallendes Blatt für die abstrakte Anmutung solch verdoppelter analoger Abbilder. Natur, als Abstraktion verkleidet, zeigt sich auch in wilden, vom Licht gemalten Marmorierungen, wenn die Kamera Ausschnitte strudelnder Gewässeroberflächen ins Visier nimmt. (Auflage je vier, Preise ab 49.000. Bis 30. August)

In der Galerie Welz: Wolfgang Hollegha, „Ohne Titel“, 1992, Öl auf Leinwand, 144 mal 205 Zentimeter
In der Galerie Welz: Wolfgang Hollegha, „Ohne Titel“, 1992, Öl auf Leinwand, 144 mal 205 ZentimeterGalerie Welz

Der Domprediger und Kunstsammler Monsignore Otto Mauer eröffnete 1954 seine legendäre „Galerie nächst St. Stephan“. Schnell entwickelte sie sich zum Nabel der Wiener Kunstszene und einem Zentrum informeller Malerei. Zwei Jahre später taten sich vier Freunde zur „Malergruppe St. Stephan“ zusammen: Wolfgang Hollegha, Josef Mikl, Markus Prachensky und Arnulf Rainer. Diesen Säulen der österreichischen Moderne widmet die Galerie Welz ihre Sommerschau mit Werkgruppen, die, jede unverwechselbar im Stil, mit virtuosen Temperamentsbeweisen in feuriger Farbigkeit sogar das graue Wetter und den Salzburger Bindfadenregen vergessen lassen. In allen Tönen des Regenbogens huscht Holleghas Pinsel fedrig über die Leinwand (ab 9800), während Mikl ansatzweise die greifbare Welt einbezieht: Titel wie „Blumen im Glas“ oder „Jause“ helfen beim Entziffern der Motive (ab 7500). Rote Farbbalken, senkrecht, quer und schräg gestapelt, dann mit Drippings überspritzt – das sind unverkennbar Gemälde von Prachensky (ab 12.000), und Arnulf Rainer fertigt schon im Gründungsjahr der Gruppe die Übermalung „Stephansdom“ (72.000). (Bis 6. September)

Der frühe Hans Hollein

1963 zeigte die Galerie nächst St. Stephan auch Hans Hollein, der heute vor allem als Architekt bekannt ist. Am Beginn seiner Laufbahn schuf er visionäre Entwürfe, die zwischen freier Kunst und „reiner, absoluter Architektur“ ohne Zweck changierten. Dass das New Yorker Museum of Modern Art daraus ankaufte, half Holleins Karriere mächtig auf die Sprünge. An diese frühen Jahre erinnert eine Studioausstellung der Galerie Thaddaeus Ropac mit Zeichnungen und Objekten, die zwar „Building“ oder „Urban Structure“ heißen, aber manchmal reine Kalligraphie und derart kühn in der Formgebung sind, dass klar wird, wie neu und anders Hollein damals Baukörper und Stadtraum dachte und wie wenig er von einer Grenze zwischen Kunst und Architektur hielt.

Kopffüßler bei Thaddaeus Ropac: Erwin Wurms monumentale Bronze „Little Bertha (Mind Bubbles)“, 2025
Kopffüßler bei Thaddaeus Ropac: Erwin Wurms monumentale Bronze „Little Bertha (Mind Bubbles)“, 2025Thaddaeus Ropac / VG Bildkunst, Bonn 2025

Die Hauptausstellungen widmet Ropac zum einen einer neuen Bildserie von Daniel Richter, auf der anthropomorphe Gestalten mit Gesichtern wie aus Comics enorme Energie austoben. Jagen sie Bällen hinterher oder einander? Spaß und Spiel liegen in der Luft, aber manches der Wesen geriert sich auch als Unwesen (ab 420.000). Zum anderen bekam Erwin Wurm die große Halle in der Vilniusstraße für neue Keramikplastiken (ab 40.000) und große bronzene „Mind Bubbles“ zur Verfügung gestellt. Diese ovaloiden Gedankenblasen auf dünnen Beinchen tragen auch mal Stiefel, mal Pullover oder gehen in die Knie. Bleibt die Frage, worüber sie sich dabei wohl die dicken Köpfe zerbrechen (ab 80.000). (Bis 27. September)

Bei Mario Mauroner: Koloman Wagners Kiefernholzskulptur „Galactic Symphony“, 2024, Höhe 235 Zentimeter
Bei Mario Mauroner: Koloman Wagners Kiefernholzskulptur „Galactic Symphony“, 2024, Höhe 235 ZentimeterMario Mauroner

Plastik und Skulptur haben außergewöhnliche Auftritte in diesem Salzburger Sommer. Da installierte der Katalane Jaume Plensa einen temporären „Secret Garden“ mitten in der Altstadt. Um den Brunnen auf dem Residenzplatz stellte er fünf riesige Porträts junger Frauen aus verschiedenen Kulturen. Jedes der gusseisernen Häupter ist elf Meter hoch. Vielfach haben Frauen als oft anonyme Individuen enorme Bedeutung für die Gesellschaft, so der Künstler, der sie mit dieser Arbeit aus der Unsichtbarkeit holen will.

Als erster lebender Künstler überhaupt bezieht mit Tony Cragg ein anderer Großmeister die Prunkräume der Residenz. Für die spannende Schau schuf Cragg neue Arbeiten, die sich auf Elemente der historischen Säle beziehen. In einem Video erläutert er, wie ihn ein Puttenkopf oder ein Muster im Parkett oder ein antikes Möbel zu den erstaunlichen Arbeiten inspirierten. (Bis 6. Oktober)

Unten in der Residenz hat die Galerie Mario Mauroner ihren Sitz und Tony Cragg in der Gruppenausstellung „Ombra e Luce“ einen weiteren Auftritt mit einer „Hungry Vase“, die aus Murano­glas Häkchen und Wellen schlägt (85.000). Zwischen flirrenden Gemälden von Kendell Geers und John Armleder, LED-Leuchtarbeiten von Hans Kotter oder Iván Navarro greift mit Koloman Wagners „Galactic Symphony“ ein dichtes Schlingenwerk aus Kiefernholz in den Raum (25.000). Dass der 1992 geborene Künstlers aus einer Musikerfamilie stammt und promovierter Physiker ist, prägt seine synästhetischen Skulpturen, in denen er Melodien und Bewegung zu Formen verschmilzt. (Bis 6. September)

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