Politik

Sachsen: Russischer Botschafter nimmt trotz Kritik an Gedenken in Torgau teil | ABC-Z

Ungeachtet heftiger Kritik aus der Ukraine hat der russische Botschafter Sergej Netschajew im sächsischen Torgau an den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Aufeinandertreffens US-amerikanischer und sowjetischer Soldaten teilgenommen. Netschajew sagte auf Deutsch vor Journalisten und Bürgern: “Heute müssen wir erinnern an die gefallenen Soldaten.” Der Jahrestag sei “deswegen sehr wichtig für uns”.

Der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew hatte vor der Gedenkveranstaltung gefordert, die angekündigte Teilnahme Netschajews zu unterbinden. Dies lehnten die sächsischen Organisatoren ab. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der auf der Rednerliste der Gedenkfeier stand, ließ mitteilen, er nehme die Teilnahme des Botschafters lediglich “zur Kenntnis”, und verwies darauf, dass es sich um eine Veranstaltung der Stadt Torgau handle. Deren parteiloser Bürgermeister Henrik Simon wiederum hatte deutlich gemacht, dass der Botschafter nicht an einer Teilnahme gehindert würde. Die Bitte nach einem Rederecht habe man allerdings ausgeschlagen, “um keine Plattform zu geben”, sagte er vorab der Nachrichtenagentur dpa. Die US-Botschaft schickte keinen Vertreter zur Veranstaltung.  

Botschafter fühlt sich “wohl” in Torgau

Netschajew antwortete auf die Frage, was er dazu sage, dass er nicht willkommen sei: “Ich spüre das nicht. Ich fühle mich wohl.” Dazu, dass ihm kein Rederecht gewährt wurde, sagte er: “Wir haben die Möglichkeit, unsere Position zur Kenntnis zu bringen.”

Am Revers trug Netschajew das sogenannte Sankt-Georgs-Band, das traditionell als Zeichen der Erinnerung an den Deutsch-Sowjetischen Krieg gilt, seit Jahren aber als Symbol russischer Propaganda genutzt wird. In der Ukraine und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken wird das Band als Ausdruck der Unterstützung für den russischen Staatschef Wladimir Putin verstanden. Teilweise gelten dort Beschränkungen zum Tragen des Bandes.

AfD forderte Rederecht für Netschajew

Das Auswärtige Amt hatte Ländern, Kommunen und Gedenkstätten des Bundes empfohlen, keine russischen Gäste zu Gedenkveranstaltungen dieser Art zuzulassen. Das Ministerium warnte, dass Russland diese Veranstaltungen “instrumentalisieren und mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung bringen” könnte.

Ein Rederecht für Netschajew hatte dagegen die sächsische AfD-Fraktion gefordert. “Im Zweiten Weltkrieg hat die Rote Armee der Sowjetunion den größten Blutzoll zahlen müssen”, sagte ihr Vorsitzender Jörg Urban. “Wie das Auswärtige Amt davon abraten kann, russische Vertreter zu Weltkriegs-Gedenkveranstaltungen zuzulassen, ist mir völlig unverständlich.”

Ähnlich argumentierte auch der Politiker Klaus Ernst vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), der angekündigt hat, am Empfang der russischen Botschaft anlässlich des Kriegsendes am 8. Mai teilnehmen zu wollen. “Ich gehe davon aus, dass ich eingeladen werde, und werde dann auch hingehen”, sagte der bayerische BSW-Landesvorsitzende der dpa. “Ich habe da überhaupt keine Vorbehalte”, sagte Ernst. “Im Gegenteil: Dass das kritisch gesehen wird, ist für mich das Problem. Die Sowjetunion hat die Hauptlast der Befreiung Deutschlands vom Faschismus getragen und hatte die meisten Toten zu beklagen.” 

Unter Putin wird in Russland verstärkt versucht, sowjetische Siege als rein russische Errungenschaften umzudeuten. In der Sowjetarmee dienten aber auch Soldaten aus den anderen damaligen Sowjetrepubliken, etwa der Ukraine.

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