Russlands Raffinerien verbrennen: Ukrainische Drohnenangriffe zermürben Putins Ölindustrie | ABC-Z

Russlands Raffinerien brennen
Ukrainische Drohnenangriffe zermürben Putins Ölindustrie
14.02.2025, 11:10 Uhr
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Viele gute Nachrichten von der Front gibt es derzeit nicht für die Ukraine. Doch immerhin auf russischem Boden sind die ukrainischen Truppen vergleichsweise erfolgreich. Sie treffen Wladimir Putin und Russland zunehmend dort, wo es schmerzt: Tag für Tag gehen russische Raffinerien in Flammen auf.
Fast drei Jahre nach Kriegsbeginn verdunkeln sich die Aussichten für die Ukraine, den Krieg gegen Russland zu gewinnen. US-Präsident Donald Trump kündigt Friedensgespräche mit Kremlchef Wladimir Putin an – ohne Aussicht auf eine künftige NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und ohne Aussicht auf eine Rückeroberung der von Russland annektierten Gebiete. Und doch gibt es in dieser komplizierten Kriegsphase nach wie vor positive Nachrichten aus Kiewer Sicht: Die ukrainische Armee hat einen Weg gefunden, die Russen empfindlich zu treffen.
Kiew setzt mittlerweile beinahe täglich Langstreckendrohnen ein, um Ölraffinerien und Tanklager im Nachbarland zu beschädigen. Die russische Energieindustrie steht wortwörtlich unter Feuer. In den vergangenen Monaten sind Dutzende Anlagen, teilweise tief im russischen Hinterland, in Flammen aufgegangen.
Die Ukraine will auf diesem Weg die Treibstoffversorgung der russischen Armee erdrosseln, Kremlchef Putin aber auch dort treffen, wo es ihn am meisten schmerzt, und zwar bei den Öleinnahmen für die russische Kriegskasse. Und auch die Portemonnaies der Bevölkerung sind im Visier Kiews. Die Ukraine will mit ihrer Taktik die Spritpreise an den Zapfsäulen in Russland nach oben treiben.
Zu Drohnen umgebaute Sportflugzeuge
Die Liste der erfolgreichen Angriffe ist lang, und keine noch so wichtige Raffinerie scheint ausreichend geschützt: Die Ölraffinerie in der Region Rjasan zum Beispiel 180 Kilometer südöstlich von Moskau, eine der größten des Landes, wurde Ende Januar angegriffen und musste daraufhin ihren Betrieb vorerst einstellen. „Die Verladestation für die Bahn wurde zerstört, an der Ölraffinerie selbst gibt es auch Schäden“, berichtete ntv-Russland-Korrespondent Rainer Munz.
Ende Januar wurde ein weiterer zentraler Umschlagplatz der russischen Ölindustrie getroffen. In Kstowo bei Nischni Nowgorod attackierten ukrainische Drohnen eine der größten Raffinerien Russlands. Voriges Jahr wurden hier über 13 Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet – das sind etwa fünf Prozent der gesamten russischen Ölfördermenge.
Wenn solche Anlagen – wenn auch nur kurzzeitig – außer Betrieb genommen werden müssen, hat das einen spürbaren Effekt auf die russische Energiewirtschaft. „Raffinerien können repariert werden, aber die Ukraine kann immer mehr Drohnen schicken“, analysiert „Forbes“. Denn verglichen mit den millionenschweren Kosten für den Wiederaufbau zerstörter Raffinerien sind Drohnen billig. Kiews Armee habe in den vergangenen Jahren „mehr als ein Dutzend verschiedene Modelle von Langstreckendrohnen entwickelt“, heißt es im „Forbes“-Bericht – darunter umgebaute Sportflugzeuge, die Hunderte Kilo Sprengstoff über 1000 Kilometer weit transportieren können.
Ölexporte über die Ostsee betroffen
Für einen nachhaltigen Effekt, für einen „erheblichen dauerhaften Schaden“ müsste die Ukraine jedoch „30 bis 50 Prozent“ der russischen Raffinerien zerstören, sagt Olexander Kharchenko, der Leiter des Energie-Industrieforschungs-Centers (Energy Industry Research Center) in Kiew im „Tagesspiegel Background“.
Aber die Erfolgsmeldungen nehmen zu, ein weiteres Beispiel ist Astrachan. In der südrussischen Stadt in der Nähe des Kaspischen Meers wurde Anfang Februar die weltgrößte Gas-Chemie-Anlage schwer getroffen. „Die Anlage ist jetzt erst mal für drei Monate stillgelegt worden wegen der Schäden“, berichtet ntv-Korrespondent Munz.
Zum Zielgebiet gehört auch die Region St. Petersburg: Ende Januar attackierten ukrainische Drohnen die Pumpenstation in Andreapol, etwa 170 Kilometer nordwestlich von Moskau. Die betroffene Pipeline führt zum Hafen von Ust-Luga. Von hier aus verschifft Russland täglich etwa 20 Prozent seiner Ölexporte. Durch den Angriff auf die Pumpenstation konnte tagelang kein einziges Schiff den Ostseehafen verlassen, berichtet das Wirtschaftsportal Bloomberg.
Kapazitäten um mehr als zwölf Prozent gesunken
Auch in dieser Woche war die Ukraine erfolgreich, erneut im Süden Russlands. In russischen Telegram-Kanälen war die Rede von einem Brand in einer Erdölraffinerie von Rosneft in Saratow an der Wolga. Offenbar wurde eine Anlage auf dem Gelände getroffen, mit der Öl in Treibstoff umgewandelt wird. Auch der Betrieb an mehreren Flughäfen musste anschließend eingestellt werden.
Es war nicht der einzige Treffer in der Region: Bereits Anfang Januar hatten Kiews Drohnenkämpfer ein Öllager in der Nähe des wichtigen Luftwaffenstützpunkts von Engels angegriffen. „Dort stehen strategische Nuklearbomben, dort stehen aber auch die Flugzeuge, die die Gleitbomben Richtung Ukraine abwerfen“, erklärte Munz.
Die Ukraine hat mit ihren Drohnenattacken auf den Energiesektor Erfolg. Die Einnahmen der Kraftstoffproduzenten seien im vergangenen Jahr gesunken, schreibt der russische Energiexperte Kirill Rodionow auf seinem Telegram-Kanal. Die Konzerne müssen einen immer größeren Teil ihrer Einnahmen in die Reparatur der beschädigten Raffinerien stecken. Laut einer Reuters-Analyse ist die russische Ölproduktionskapazität voriges Jahr insgesamt um mehr als zwölf Prozent zurückgegangen.
„Panik“ bei russischen Militärbloggern
Gehen die ukrainischen Drohnenangriffe in dieser Schlagzahl weiter, wird sich das auch auf die Benzinpreise in Russland auswirken. Experten vor Ort erwarten schon für das laufende Jahr einen Anstieg um 20 bis 30 Prozent.
Das zeigt den Ernst der Lage aus Moskaus Sicht. Denn die russische Regierung kann ihre Raffinerien offenbar nicht oder nur unzureichend schützen. Auch die Aufstellung moderner Flugabwehrsysteme vom Typ „Pantsir“ hat nicht den Durchbruch im Kampf gegen die ukrainischen Langstreckendrohnen gebracht, weil sie nur gegen einzelne Ziele, nicht aber gegen einen ganzen Drohnenschwarm effektiv arbeiten.
Russische Militärblogger wüten angesichts dieser Entwicklung und beklagen den fehlenden Schutz für den Energiesektor in Putins Riesenreich. Die Blogger seien bereits „in Panik“, bringt „Forbes“ die Lage auf den Punkt. Wie lange die ukrainische Drohnenoffensive noch weitergeht, dürfte jetzt aber maßgeblich von Donald Trump und Wladimir Putin abhängen.
„Wieder was gelernt“ ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.
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