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Russland diktiert im Pokerspiel: Trumps Friedens-Deal käme “Kapitulation der Ukraine gleich” | ABC-Z

In Europa sorgt er für Kopfschütteln. Für die Ukraine wäre er eine Niederlage, wie es Militärexperte Reisner sagt. Der vermeintliche “Friedens”-Deal, wie die USA ihn verkauft, kennt nur einen Gewinner: Russland. Ob er zustande kommt, ist allerdings fraglich.

Neun Tote, 70 Verletzte und etliche Vermisste in Kiew. Damit flankierte Putin den Friedensvorschlag Trumps für die Ukraine. Russland beweist mit dem Angriff einmal mehr, dass es an Frieden nicht interessiert sind. Doch von echtem Frieden kann in dem von Washington vorgeschlagenen Plan kaum die Rede sein. Das überfallene Land soll die Krim abgeben, der Nato nicht beitreten und die besetzten Gebiete an Russland abtreten. Dazu soll die Frontlinie eingefroren und Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden. Beinahe alle dieser Bedingungen hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj in der Vergangenheit ausgeschlossen – und Europa auch.

Trotzdem stellt Trump den Deal als Hoffnungsschimmer auf Frieden dar. Zum Dank darf die Ukraine zusätzlich seltene Erden an die USA abtreten. Dazu kommt, dass die russische Seite für einen Waffenstillstand weiterhin ukrainisches Territorium fordert, das unter der Kontrolle Kiews steht. Das hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow im Interview mit dem französischen Nachrichtenmagazin “Le Point” gesagt. Er sprach dabei zum wiederholten Male vom “Beseitigen der Ursachen der Krise”. Für Russland ist das aber nicht der eigene Überfall. Sondern die Fähigkeit der Ukraine, sich zu verteidigen.

Auch Selenskyj schließt die Aufgabe der Krim aus. Eine Einigung mit den USA ist deshalb noch lange nicht sicher. Trotzdem verkündet Trump am Mittwoch im Weißen Haus vor Journalisten siegessicher: “Ich glaube, wir haben einen Deal mit Russland.”

Putin kassiert alle Chips ein

Sollte diese Vereinbarung tatsächlich zustande kommen, gäbe es nur einen Verlierer. “Das ist faktisch eine Niederlage der Ukraine im Krieg. Das kommt einer Kapitulation gleich”, sagt Militärexperte Oberst Markus Reisner ntv. Die Zukunft der Ukraine sei mit einem Pokerspiel vergleichbar, meinte er. Anfangs habe es vier Spieler gegeben: die Ukraine, Russland, die USA und die EU. Jetzt seien nur noch zwei Spieler übrig, die USA und Russland. “Beim Poker geht es vor allem darum, dem anderen nicht zu zeigen, welches Kartenblatt man hat.” Genau das habe Trump aber getan, indem er Putin sein Ziel genannt hatte: den Krieg möglichst schnell zu beenden.

Schon mehrmals hat Trump in der Vergangenheit klargemacht, dass er den Ukraine-Krieg für eine lästige Angelegenheit hält, die sein Land nur Geld koste und ihn eigentlich nichts angehe. Das weiß Moskau und nutzt es schamlos aus. Auf Poker übersetzt heißt das: “Die Russen tun jetzt Folgendes: sie setzen den Einsatz immer wieder höher, um das Maximalziel zu erreichen”, so Reisner. “Damit würde Russland alle Chips einkassieren.” Trump wolle sich endlich um die eigenen Probleme im Land kümmern und seine Energie auf die Rivalität mit China verwenden.

Völlig unklar ist zudem, wie die Frontlinie in der Ukraine auf Dauer eingefroren werden sollte. Überwacht werden würde sie durch Friedenstruppen, die aber nicht weiter definiert werden. Klar ist nur, dass sich die USA nicht daran beteiligen wollen. Die über 1000 Kilometer lange Frontlinie ließe sich auf Dauer ohnehin nur schwer kontrollieren, was die Gefahr neuer Gefechte mit sich brächte. Militärexperten hatten schon vor Monaten vor einem Einfrieren der Frontlinie gewarnt, weil das keine nachhaltige Lösung für das Land sei.

Das schlechteste Szenario? Die USA verlassen den Verhandlungstisch

Der Schweizer Diplomat, Thomas Gremiger, der seit Kriegsbeginn einige vertrauliche Treffen zwischen Russland und der Ukraine eingefädelt hat, hält die permanente Stationierung von Nato-Truppen in der Ukraine für ausgeschlossen. “Ich bin kein russischer Unterhändler”, sagte Greminger dem “Spiegel”. Aber eine solche Truppenpräsenz würde Putin nicht akzeptieren. Möglich wäre demnach ein anderes Modell: “Die europäischen Nato-Länder könnten die Truppen ständig vorhalten – und nur dann in die Ukraine schicken, wenn ein möglicher Waffenstillstand gebrochen wird. Sie wären so etwas wie eine ständige Drohung.”

Die Ukraine dürfe als souveränes Land zwar selbst entscheiden, welche Soldaten auf ihrem Staatsgebiet stationiert werden. Für einen Verhandlungsfrieden werde man aber auch Rücksicht auf die russischen Interessen nehmen müssen, so Greminger. “Sobald Staaten wie die Ukraine sich der Nato zuwenden, also das Recht auf freie Bündniswahl ausüben, fasst Moskau das als Bedrohung auf. Um das Dilemma aufzulösen, muss man kreative Lösungen finden.”

Gleichzeitig könnte die Situation für die Ukraine noch bedrohlicher werden, wenn die USA wie bereits angedroht den Verhandlungstisch verlassen. Das hätte verheerende Auswirkungen: zum einen verliert die Ukraine damit den Rückhalt ihres größten militärischen Unterstützers. Das wäre nicht nur finanziell und materiell im Sinne von fehlenden Waffen und Munition eine Katastrophe, sondern hätte auch massive Auswirkungen auf die Überlebensfähigkeit, für die Aufklärungsinformationen notwendig sind, um den Krieg weiterzuführen. Dabei geht es um Daten, die die Ukraine für ihre Fliegerabwehr braucht, um rechtzeitig reagieren zu können, damit sie Luftangriffe abwehren kann. Welche Folgen das haben kann, beweisen die jüngsten Bilder aus Kiew.

“In all dem Übel muss man natürlich eines klar sagen: Ein Waffenstillstand würde bedeuten, dass das Sterben vorerst zu Ende ist”, sagt Oberst Reisner. “Das ist das absolut Positive, und das muss man auch betonen, das sage ich Ihnen gerade auch als Soldat.” Ob das eine temporäre Ruhesituation ist, auf die möglicherweise in ein paar Jahren eine neue Eskalation folgt, wisse niemand. Das werde davon abhängen, wie sich Europa in Zukunft aufstelle und abschreckend auf Russland wirke. Eine Aussicht auf dauerhaften Frieden gibt es durch Trumps Deal mit Putin kaum.

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