Russische Kanäle feiern Brand in Erfurt: „Dieser mögliche Sabotageakt hat eine neue Qualität“ | ABC-Z

„In Erfurt in Deutschland ist diverses Militärgerät für die ukrainischen Streitkräfte zur Reparatur gebracht worden“, heißt es auf dem Telegramkanal in der Beschreibung zum Video. „Unser Volk entschied, dass das alles unnötig sei und die ukrainischen Streitkräfte solche Ausrüstung nicht brauchten. Also verbrannten sie sie einfach. So war das.“ Das Video wurde danach auch auf anderen Kanälen verbreitet, darunter von der deutschen Russlandpropagandistin Alina Lipp.
Tatsächlich waren in der Nacht zu Sonntag vier Bundeswehr-LKW auf einem Erfurter Werkstattgelände eines Bundeswehr-Servicepartners komplett ausgebrannt, zwei weitere wurden beschädigt. Das nun aufgetauchte Video alarmiert die deutschen Sicherheitsbehörden. Denn es wäre eine Zäsur: Erstmals würden sich russische Propagandakanäle zu einer Sabotageaktion in Deutschland bekennen.
Und nach taz-Informationen halten die Behörden das Video für authentisch. Wie es in die prorussischen Telegramkanäle kam, wird derzeit noch geprüft.
Verteidigungsministerium spricht von Desinformation
Die Ermittlungen führt das Thüringer Landeskriminalamt. Dort sagte eine Sprecherin der taz, das Video sei bekannt und werde momentan „unter anderem auf Echtheit und Herkunft geprüft“. Neben der Tatortaufnahme durch Spezialisten seien auch Brandursachen-Ermittler mit dem Fall beschäftigt. „Infrage kommende Tathypothesen werden aktuell in sämtliche Richtungen geprüft und entsprechende Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet“, so die Sprecherin. Es gebe dazu einen „bundesweiten Informationsaustausch mit allen erforderlichen Sicherheitsbehörden“.
Sprecherinnen von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wollten sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht zu dem Fall äußern. Ein Sprecher von Pistorius bestätigte am Freitag aber, dass zu dem Fall „eine Desinformationskampagne läuft“. Dass die Militär-LKW als Lieferung an die Ukraine vorgesehen waren, könne er nicht bestätigen. Diese seien vielmehr Teil der Bundeswehrlogistik in der Region Thüringen.
Bereits vor einem Jahr hatte es am gleichen Ort in Erfurt einen Brandanschlag gegeben. Bis heute konnten dafür keine Täter überführt werden. Zuletzt gab es Brandanschläge auch auf Militärfahrzeuge in Berlin und im niedersächsischen Soltau. Zu letzterem Fall hatten sich Linksradikale bekannt. „Die Bundeswehr wird in den nächsten Jahren allgegenwärtig in unsere Leben eingreifen und wieder ein relevanter Player in der autoritären, patriarchalen Zurichtung der Gesellschaft werden“, heißt es im Bekennerschreiben. „Greifen wir sie auf allen Ebenen an!“ Zu den Erfurter Bränden gab es bisher kein Bekennerschreiben.
Thüringer Innenminister sieht Zäsur
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) zeigte sich ob des aktuellen Falls alarmiert. „Dieser mögliche Sabotageakt, und vor allem wie er propagandistisch ausgeschlachtet wird, hat eine neue Qualität“, sagte Maier der taz. „Dass sich russische PR-Kanäle so offen zu einem solchen Anschlag bekennen, hat es bisher nicht gegeben.“ Auch sei es „definitiv falsch“, dass die Militärfahrzeuge für die Ukraine bestimmt gewesen seien, sagte auch Maier.
Der Innenminister betonte, es gelte nun die Ermittlungen abzuwarten. „Aber der Fall zeigt bereits jetzt, dass wir die hybride Bedrohung durch Russland noch ernster nehmen und dieser noch entschiedener entgegentreten müssen.“ Es brauche dabei eine länderübergreifende Zusammenarbeit und einen gemeinsamen Aktionsplan von Bund und Ländern gegen hybride Bedrohung.
Auch der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz, gerade wiedergewähltes Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, sagte der taz, der Fall müsse sehr sorgfältig ausermittelt werden. „Auffällig ist aber schon jetzt, dass hier offensichtlich eine Veränderung des russischen Agierens stattfindet, zumindest in der Propaganda, Desinformation und Einflussnahme.“
Warnungen vor hybriden Angriffen
Zuletzt hatten auch der BND und das Bundesamt für Verfassungsschutz eindringlich vor gestiegenen Gefahren durch russische hybride Angriffe wie Sabotagen, Drohnenüberflüge, Cyberangriffen oder Desinformation gewarnt.
Auch die Innenministerkonferenz hatte jüngst über diese Gefahren beraten. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) warnte danach, Russland habe „längst mit einer hybriden Kriegsführung gegen den Westen begonnen, um Länder wie Deutschland zu destabilisieren und zu schwächen“. Hier sei man „nicht gut aufgestellt“ und müsse „dringend technisch nach- und aufrüsten“.