Politik

Russe wegen Mordes an ukrainischen Soldaten verurteilt | ABC-Z

Der 58 Jahre alte Russe, der seit 1992 in Deutschland lebt, sich von Duldung zu Duldung gehangelt hat und dessen Integration, wie der Oberstaatsanwalt sagt, „vollständig gescheitert“ ist, sitzt mit langem grauen Bart auf der Anklagebank im Münchner Justizzentrum. Unter seiner schwarzen Jacke trägt er ein grünes Poloshirt. Würde er es nach oben schieben, erschiene – wie man aus der Verhandlung weiß – das Wappen der Russischen Föderation, tätowiert auf der Haut über seinem Herzen. Schon vor der Urteilsverkündung ist klar: Der verschiedentlich vorbestrafte Mann hat am 27. April 2024 zwei Männer aus der Ukraine getötet. Das hat er selbst schon zugegeben – es blieb ihm wegen der laut Oberstaatsanwalt „Bilderbuchspurenlage“ auch nicht viel anderes übrig. Die 23 und 36 Jahre alten Soldaten waren wegen ihrer Kriegsverletzungen in der Unfallklinik Murnau operiert worden und körperlich stark eingeschränkt. Die drei Männer kannten sich lose, vom – man muss es so sagen – gemeinschaftlichen Saufen.

Die Frage, die das Landgericht München II zu klären hatte: Handelt es sich, wie der Verteidiger meint, um Totschlag im Alkoholikermilieu? Oder, wie die Staatsanwaltschaft glaubt, um zwei Morde, die definitionsgemäß nicht nur das Merkmal der Heimtücke erfüllen, sondern aus niederen Beweggründen begangen wurden? Was er darunter versteht, führt der Oberstaatsanwalt gleich zu Beginn seines Plädoyers an: Die Opfer hätten sterben müssen, „weil sie ukrainische Soldaten waren“. Der Angeklagte hänge einem „übersteigerten Nationalismus“ an, das sei das Leitmotiv gewesen. Eine Radikalisierung sei spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine festzustellen, den der Angeklagte euphorisch begrüßt habe.

Die Staatsanwaltschaft geht von einem politischen Motiv aus

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich der Streit, der sich vor einem Supermarkt in Murnau entzündete, vor allem ums Politische gedreht habe. Angebliche Beschimpfungen der beiden Ukrainer („scheiß Russe“) und Aussagen des Angeklagten nach der Tat („ich hasse Ukrainer“) wiesen in diese Richtung. Dagegen spricht aus Sicht der Verteidigung schon der Umstand, dass die drei Männer überhaupt miteinander „gefeiert“ hätten. Zudem würden etwa einschlägige Tattoos von Ukrainern auch nicht gleich im Sinne eines „übersteigerten Nationalismus“ gedeutet, wie im Fall des Angeklagten.

Der Verteidiger, der sich vor allem auf unbelegte Aussagen seines Mandanten stützt, argumentiert, es sei in dem Streit um verletzte Männlichkeit gegangen – die Ukrainer sollen den Russen unter anderem „alte Schwuchtel“ genannt haben –, vor allem aber um Alkohol, konkret um eine Flasche Schnaps. Jedenfalls verließ der Angeklagte am Tattag das gemeinsame Trinkgelage in Richtung seiner nahen Wohnung und holte ein „Outdoor-Messer“, mit dem er kurz darauf brutal auf die beiden Ukrainer einstach. Bei einem traf er die Halsschlagader, er starb noch an Ort und Stelle, der andere wenig später im Krankenhaus.

Exzessiver Alkoholmissbrauch

Das Gericht hatte unter anderem zu klären, inwieweit die für den Tatbestand der Heimtücke erforderliche Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer vorliegt. Der Oberstaatsanwalt verweist etwa darauf, dass die Ukrainer wegen ihrer Reha-Behandlung je einen Arm nicht benutzen konnten und dass es auch kaum Hinweise gebe, dass sie sich gewehrt hätten. Der Verteidiger sagt, die Opfer hätten auch deshalb „grundsätzlich vorgewarnt“ sein müssen, weil sie über die gewalttätige Vorgeschichte des Russen im Bilde waren und er ihnen auch an diesem Tag als Antwort auf ihre angeblichen Beschimpfungen angekündigt habe, „so kommt ihr mir nicht davon“.

Alle Beteiligten wiesen einen Alkoholgehalt im Blut auf, der auf regelmäßigen, exzessiven Alkoholmissbrauch schließen lässt. Dennoch beziehungsweise deshalb plädiert die Staatsanwaltschaft auf volle Schuldfähigkeit. Der Verteidiger hingegen bringt vor, wenn man beim Angeklagten keine Einschränkung durch den Alkohol erkenne, müsse das auch für die Wehrhaftigkeit der Opfer gelten: mithin keine Heimtücke.

Das Gericht folgt am Ende eher den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte wird des zweifachen Mordes für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, bei besonderer Schwere der Schuld. Möglichen politischen Hintergründen misst der Vorsitzende Richter keine zwingende Bedeutung bei. Es habe sich um ein „sinnloses Gemetzel“ gehandelt.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"