Wirtschaft

Rumpf- statt Super-Ressort: Habecks Ministerium wird entmachtet – das muss nicht schlecht sein | ABC-Z

Katherina Reiche rückt an die Spitze des deutlich beschnittenen Wirtschaftsministeriums. Auf den ersten Blick sind ihre Möglichkeiten begrenzt. Jetzt kommt es darauf an, was die Überraschungskandidatin daraus macht. Und was man sie machen lässt.

Das erste Kapitel des Koalitionsvertrags der künftigen Bundesregierung widmet sich “neuem Wirtschaftswachstum”. Mit der Wirtschaft im Fokus war die Union auch offiziell im Wahlkampf angetreten. Seitdem ist zur jahrelangen Konjunkturflaute eine weitere riesige wirtschaftspolitische Herausforderung hinzugekommen: US-Präsident Donald Trump mit seiner Zollkeule und dem handfesten Handelskrieg mit China.

Eine logische Konsequenz hätte da ein neues “Superministerium” für Wirtschaft und Arbeit sein können, wie es Wolfgang Clement Anfang der 2000er Jahre führte, und zu dessen Leitung auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann nicht nein gesagt hätte. Stattdessen präsentiert der künftige Kanzler Friedrich Merz ein geschrumpftes Wirtschaftsministerium – um Klimaschutz, Digitales sowie Technologie und Raumfahrt sollen sich andere Minister kümmern.

Ifo-Chef Clemens Fuest sieht nun “die Gefahr, dass in wichtigen Politikbereichen ökonomische Aspekte nicht hinreichend berücksichtigt werden”, wie er ntv.de erklärt. “Ein Beispiel dafür ist die Digitalisierungspolitik.” Auch im Wirtschaftsministerium selbst sei die Stimmung gedrückt, berichtet das “Handelsblatt”. Spitzenbeamte sehen ihr Haus demnach zu einem “Restposten” in Merz’ Kabinett geschrumpft, zu einem Ministerium für “Gewerbeförderung mit ein bisschen Energie”.

“Gesamte Regierung muss mitziehen”

Dass der Klimaschutz nicht länger in dem Ressort angesiedelt ist, verwundert unter einem Regierungschef Merz nicht. Der Digitalisierung gesteht der CDU-Chef sogar ein eigenes Ministerium zu. Doch beispielsweise Technologie stand von 2005 bis 2013 im Namen des Hauses, wie bereits 1998 bis 2002. Nun soll es wieder für Wirtschaft und Energie zuständig sein, wie schon 2013 bis 2021.

Der deutliche Kompetenzverlust kann jedoch auch von Vorteil sein, wie etwa Ökonom Gunther Schnabl ntv.de sagt. Denn so könne die Arbeit des Ministeriums “stärker auf die Belange der Wirtschaft ausgerichtet werden”, meint der Direktor der Denkfabrik Flossbach von Storch Research Institute. In seinen Augen wurden zuletzt “gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen dem Klimaschutz untergeordnet”, was zu deutlichen Wachstums- und Wohlstandsverlusten geführt habe. “Dieser Fehler wird durch die Neuausrichtung des Ministeriums korrigiert.”

Nun kommt es also darauf an, was die neue Ministerin Katherina Reiche daraus macht. Ifo-Chef Fuest pocht auf eine enge Zusammenarbeit mit anderen Ressorts: “Wirtschaftspolitisch kann eine Regierung nur dann erfolgreich sein, wenn der Bundeskanzler und die Regierung insgesamt eine wirtschaftspolitische Linie verfolgen und dafür sorgen, dass die Ressorts sich entsprechend koordinieren.” Das Wirtschaftsministerium könne für eine Wirtschaftswende Impulse liefern, “aber es muss die gesamte Regierung mitziehen”.

“Externe Fachleute mit viel Sachverstand” im Kabinett

Als Managerin aus der Energiewirtschaft bekommt Reiche, bisher Chefin des Energieversorgers Westenergie, Vorschusslorbeeren. “Positiv ist, dass Merz externe Fachleute mit viel Sachverstand ins Kabinett holt”, teilt beispielsweise Jens Südekum ntv.de mit. “Das kann sich auszahlen”, meint der Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der unter anderem das bisherige Wirtschaftsministerium beriet und SPD-Mitglied ist.

Besonders gut kommt an, dass Reiche auch Erfahrung aus der Politik mitbringt. Denn Politik funktioniert nach anderen Mechanismen als Unternehmen, wie Südekum klarstellt. Von 1998 bis 2015 saß Reiche im Bundestag; sieben Jahre davon arbeitete sie als Parlamentarische Staatssekretärin, von 2005 bis 2009 als Vize-Fraktionschefin der Union; auch im CDU-Vorstand war die heute 51-Jährige schon vertreten.

Schnabl gibt zu bedenken, dass Energie sowie kommunale Unternehmen – Reiche war auch Hauptgeschäftsführerin des Verbands kommunaler Unternehmen – nicht repräsentativ für Firmen seien, die im globalen Wettbewerb stehen. Deutschland braucht in seinen Augen keine Industriepolitik, sondern gute Rahmenbedingungen für alle Unternehmen. Die dafür wichtigsten Entscheidungen würden allerdings im Arbeits- und Sozialministerium gefällt. Das habe offensichtlich Linnemann erkannt, der die Leitung des Wirtschaftsministeriums mit dem aktuellen Zuschnitt ablehnte.

Mehrheiten könnten schwieriger werden

Die liberalen Ökonomen Fuest und Schnabl fordern von der baldigen Wirtschaftsministerin an erster Stelle günstigere Energie. Daneben sollte Reiche nach Schnabls Ansicht auf eine Senkung der Unternehmenssteuern sowie umfassende Deregulierung drängen. “Die Neuausrichtung des Wirtschaftsministeriums deutet möglicherweise auf eine bessere Konjunktur, aber auf keine Wirtschaftswende hin”, sagt Schnabl. Das Schuldenpaket für Verteidigung und Infrastruktur dürften zwar in diesen Bereichen die Konjunktur ankurbeln. Aber: “Für eine dauerhafte Belebung des Wachstums muss der Staat der Wirtschaft wieder mehr Freiräume geben, was sich mit dem Koalitionsvertrag jedoch nicht abzeichnet.”

DIW-Chef Marcel Fratzscher weist auf ein weiteres Risiko hin. Zwar sei es “mutig und gut”, dass Merz bei den Ministerposten “der Kompetenz eine größere Rolle als der politischen Macht einräumt”. Die fachliche Kompetenz der CDU-Ministerinnen und -Minister “könnte eine wichtige Voraussetzung für mutige und kluge Reformen in den kommenden Jahren sein”, sagt der Ökonom. “Allerdings geht Friedrich Merz mit dieser Wahl auch ein hohes Risiko ein, wenn es dadurch schwieriger wird, Mehrheiten im Bundestag und in der Union zu organisieren.” Nun komme Merz eine “noch größere Verantwortung zu, wichtige Prioritäten umzusetzen und Mehrheiten zu organisieren”.

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