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Ruderverbot auf dem Rhein: Naturschutzbehörde gegen Wassersportler | ABC-Z

„Wir rudern seit 1912“, sagt Ulrich Kau, Vorsitzender des Wassersportvereins Geisenheim: „Jetzt sind wir in unserer Existenz bedroht“. Und schon die spöttische Art, mit der Kau – Jahrgang 1963 – die Jahreszahl 1912 benennt, verdeutlicht, was er von der jüngsten „Allgemeinverfügung“ der Oberen Naturschutzbehörde von Rheinland-Pfalz hält: Nichts.

Es geht um die „Schutzanordnung zum Schutz der Brut-, Zug und Rastvogelarten im Naturschutzgebiet Fulder Aue – Ilmen Aue“ vom 23. Juli 2024. Demnach ist das Befahren der stillen Wasserzonen mit Booten jeglicher Art – egal ob von Muskeln, Segeln oder Motoren angetrieben – auf der linken Rheinseite gegenüber von Geisenheim in der Zeit vom 1. April bis 14. Oktober untersagt. Und zwar ohne Vorankündigung. Zuwiderhandlungen können mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden. In der restlichen Zeit war das Gebiet zwischen den Rhein-Kilometern 520,5 und 525,3 ohnehin schon tabu.

Kau wurde von dem ad-hoc-Erlass kalt erwischt. Der Sport- und Allgemeinmediziner mit Praxen in Oestrich-Winkel und Eltville weilte zu der Zeit bei den Olympischen Spielen in Paris. Kau fungiert seit 2006 als leitender Verbandsarzt der deutschen Ruder-Nationalmannschaft. „Magic“ wird der selbst einst ambitionierte Ruderer von den Bundes-Athleten wegen seiner Heilkunst genannt. Doch Kaus Magie endete am Schriftsatz der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd.

Vorsitzender des WSV Geisenheim und Verbandsarzt der deutschen Ruderer: Ulrich Kaupicture alliance / Team Deutschland

Nun ist juristischer Beistand gefragt. Gut 30 dem Wassersport verbundene Vereine aus Hessen und Rheinland-Pfalz haben sich mittlerweile zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, um gegen das Verbot vorzugehen. „Wir haben Klage eingereiht“, sagt Kau im Namen der 160 Mitglieder seines Klubs, darunter 130 aktive Ruderer oder Kanuten. Stichtag der Einlassung ist Freitag, der 23. August – exakt einen Monat nach Erlass der Verfügung.

An der rechten Rheinseite, wo das Geisenheimer Bootshaus liegt, ragen ein Dutzend Leitwerke und Buhnen in den Rhein, um den Strom des Flusses für den Berufsschiffsverkehr zu kanalisieren. Wer hier mit Ruderbooten oder Kajaks unterwegs ist, muss wegen der Strömungsverhältnisse aufpassen, nicht zu kentern. Für Anfänger ist diese Rheinseite nicht geeignet. Deshalb queren die Rheingauer seit Generationen den Strom, um auf den stillen Seiten ihrem Sport nachgehen und die Bewegung in der Natur genießen zu können. „So ein stolzer Kormoran oder Graureiher hat sich noch nie an uns gestört, wenn wir da vorbeirudern“, meint Kau.

„Vollkatastrophe“ für den Sportunterricht

Genau das sieht die Naturschutzbehörde aber anders. In der Verfügung zählt sie streng geschützte Brut-, Zug- und Rastvogelarten auf – insgesamt 34 verschiedene Vogelarten, darunter aber auch altbekannte Zeitgenossen wie Singschwan, Graugans, Schwarzstorch oder Lachmöwe. Kau hat die maßgeblichen Menschen in der Behörde bereits eingeladen, mit ihm eine Bootstour in die Auen zu unternehmen, um zu beweisen , dass sich die Tiere nicht gestört fühlen.

„Und um zu sehen, wer mehr Arten unterscheiden kann“. Eine Antwort steht aus. Naturkunde gehört zum Geisenheimer Wasser-Konzept. Seit Jahrzehnten kooperiert der Verein mit dem ortsansässigen Gymnasium. Im Rheingau legendäre Sport- und Biologielehrer wie Norbert Berz und Reinhard Potz haben seit den 1970er Jahren Generationen von Schülern ins Boot gebracht – und gleichzeitig darauf geachtet, dass sie einen respektvollen Umgang mit der Natur pflegen.

Vor dem nun beginnenden neuen Schuljahr spricht Fachbereichsleiter Holger Stadermann von einer „Vollkatastrophe“ für den Sportunterricht, sollte die Verordnung Bestand haben. Stadermann, der wie Kau einst bei Berz und Potz lernte, unterrichtet üblicherweise Schüler von der 6. Klasse bis zum Abitur im Paddeln und Rudern. Ohne die Möglichkeit, in die Stillgewässer auszuweichen, kann er den Betrieb einstellen und zumindest keine Neulinge mehr ausbilden.

Dabei hat die Schule auch in der Spitze Erfolge vorzuweisen. Jüngst erreichte ein Rheingauer Doppelvierer das Bundesfinale von „Jugend trainiert für Olympia“. Aktuell wurde Alexander Rühling deutscher Jugendmeister im Doppelzweier. Schon dessen Vater Bernhard Rühling schaffte es von der Ruder-AG des Rheingau-Gymnasiums bis zu den Olympischen Spielen. Er belegte in Sydney 2000 Platz vier im Leichtgewichts-Doppelzweier. Von Olympia in Paris erinnert sich Kau daran, dass Kanzler Scholz und Innenministerin Faeser beim Besuch im Olympischen Dorf die Bedeutung des Sports für die Gesellschaft hervorhoben.

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